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Biografin der Normalos

8. März 2010

Jeder C-Promi bringt heute seine eigene Biografie heraus. Warum nicht auch die eigenen Erinnerungen aufschreiben lassen? Biografin Stephanie A. Hiller interessiert sich für alltägliche Lebensgeschichten.

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Schwarz-Weiß-Bild einer Familie mit Kind (Foto: Klaiber)
Erinnerung an die alten ZeitenBild: Peter Klaiber

Nicht nur Politiker und Stars schreiben ihre Memoiren. Mittlerweile gibt es an jeder Volkshochschule Kurse, in denen das Abfassen einer Autobiografie auf dem Programm steht. Aber nicht alle haben die Geduld und die Muße, ihre Erinnerungen zu Papier zu bringen. Dann kommen sie zur Biografin Stephanie A. Hiller, die die Lebensgeschichten der Menschen aufschreibt und daraus Bücher macht. Dabei entdeckt sie viele spannende, individuelle Erinnerungen.

Stephanie A. Hiller (Foto: Hiller)
Stephanie A. Hiller sammelt Erinnerungen...Bild: Stephanie A. Hiller

DW-WORLD.DE Warum kommen diese Leute zu Ihnen und wollen ihre Erinnerungen aufschreiben lassen?

Stephanie A. Hiller: Meistens kommen die Enkel oder die Kinder und möchten, dass die Eltern oder Großeltern ihre Geschichte erzählen, damit die weiterlebt, auch wenn die betroffenen Personen schon gestorben sind oder nicht mehr erzählen können. Also, dass die Familiengeschichte und die Geschichte der Person erhalten bleibt.

Wie muss man sich das konkret vorstellen? Wie ist der Arbeitsablauf vom ersten Kontakt mit Ihnen bis zum fertigen Buch?

Es ist so, dass ich die Person treffe, um die es geht und wir dann schauen, ob wir miteinander gut können und ob die Chemie zwischen uns stimmt. Dann beginnen die Interviews. Wir trinken Tee oder Kaffee und es ist ein ganz gewöhnliches Gespräch. Das Mikrofon wird überhaupt nicht beachtet, außer wenn ich gebeten werde es auszuschalten, weil dann Dinge erzählt werden die nicht ins Buch sollen. Dann erzählt die Person und ich stelle Rückfragen und wir lachen auch viel. Ich bekomme oft Fotos oder auch Dokumente zu sehen – anhand von Fotos wird viel erzählt. Und wir verbringen dann einen gemeinsamen Gesprächsnachmittag.

Wenn Sie die Bücher vergleichen, die Sie bisher geschrieben haben, gibt es da wiederkehrende Erinnerungsmuster oder bestimmte Ereignisse, die immer wieder auftauchen?

Buchdeckel einer Biografie (Foto: Hiller)
... und macht daraus ein BuchBild: Stephanie A. Hiller

Im Schnitt sind meine Kundinnen und Kunden so ab 65 oder 70 Jahre alt. Es spielt immer der Zweite Weltkrieg und überhaupt die Zeit des Nationalsozialismus eine sehr große Rolle und da treffe ich dann schon dieselben Orte wieder, so dass ich mir dann bei einer Kundin denke "Ach, letztes Jahr war doch ein anderer Kunde auch in dem Ort. Ob die sich wohl getroffen haben?" Ich frage dann natürlich nicht nach.

Wie beeinflussen Sie diese Geschichten? Sie sind ja dann sozusagen eine Erinnerungssammlerin.

Ich denke, ich bin noch bewusster im Umgang mit Geschichte geworden. Und zwar nicht nur, was Politik anbelangt, sondern es ist ja dann auch Sozialgeschichte: Wenn mir jemand erzählt, wie in den 1920er Jahren Sauerkraut gemacht wurde, oder dass es irgendwo auf dem Land Ende der 1960er Jahre noch keine Innentoilette gab. Ich ordne dann Zeitläufe ganz anders ein und habe dann einen ganz anderen Bezug. Wenn ich von Feldzügen höre oder Dokumentationen sehe, stelle ich mir auch meine Kunden oder Kundinnen dort vor und bin dann näher dran.

Also gewissermaßen ein Stück gelebter Geschichte. Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?

Der Kontakt zu den Menschen bedeutet mir sehr viel. Ich habe dadurch in dieser Generation viele Freunde und Freundinnen gewonnen, weil die Arbeit sehr auf Vertrauen basiert. Und es ist mir ein echtes Anliegen, die Erinnerung zu bewahren, also dass ich mit dazu beitragen kann, dass zumindest in der Familie die Geschichte der Person und die persönliche Sicht auf die Zeitgeschichte erhalten bleibt.

Das Gespräch führte Peter Klaiber

Redaktion: Jan Bruck