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Vergessene Minderheit

20. November 2009

Wenn die Welt auf Birma blickt, mahnt sie zwar oft die schlechte Menschenrechtslage im Ganzen an. Dabei wird aber leicht übersehen, dass es auch ethnische Konflikte im Land gibt - etwa mit der Minderheit der Karen.

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Flüchtlinge aus Birma auf der thailändischen Seite der Grenze (Foto:DW/Holger Grafen)
Flüchtlinge aus Birma auf der thailändischen Seite der GrenzeBild: Holger Grafen
KNU-Generalsekretärin Zipporah Sein (Foto:DW/Holger Grafen)
KNU-Generalsekretärin Zipporah SeinBild: Holger Grafen

Ein kleiner Vorort im thailändischen Städtchen Mae Sot an der Grenze zu Birma. Hier befindet sich das Haus, in welchem Zipporah Sein zeitweilig arbeitet. Das große, gusseiserne Tor ist mit einer blauen Plane verdeckt, so dass niemand die Einfahrt einsehen kann. Zipporah Sein ist die Generalsekretärin der "Karen National Union" (KNU), einer Widerstandsgruppe, die sich für die Interessen der ethnischen Volksgruppe der Karen in Birma einsetzt. Der militärische Arm der KNU, die "Karen National Liberation Army", war vor wenigen Monaten einmal mehr angegriffen worden - von Birmas Armee und einer mit dem Militärregime verbündeten Miliz.

Flucht nach Thailand

Immer wieder greift Thailands Armee illegale Flüchtlinge aus Birma auf (Foto:dpa)
Immer wieder greift Thailands Armee illegale Flüchtlinge aus Birma aufBild: picture-alliance/ dpa

In Folge der Attacken seien etwa 5.000 Dorfbewohner aus der Karen-Provinz im Osten Birmas ins benachbarte Thailand geflohen, sagt Zipporah Sein. Meist seien kleine Dörfer betroffen. Erschwerend für die Menschen sei hinzugekommen, dass auch noch Regenzeit geherrscht hätte. "Die Bewohner, die sich eigentlich um ihre Farmen kümmern wollten, waren gezwungen, diese zu verlassen", so die KNU-Generalsekretärin bekümmert. Sie und andere Beobachter fürchten zudem, dass es bald zu neuen Angriffen kommen wird. Dabei leben entlang der Grenze zwischen Thailand und Birma schon mindestens 140.000 Menschen in Flüchtlingslagern – die meisten von ihnen sind Karen. Die Betroffenen sind Opfer eines Jahrzehnte alten Konflikts. Und weil Birmas Militärregime weiterhin Bewohner vertreiben und deren Dörfer niederbrennen und plündern lässt, suchen immer wieder Menschen jenseits der Grenze Schutz.

Birmas Junta will Ruhe vor den Wahlen

Die Angriffe auf die "Karen National Liberation Army" vom Juni dürften konkrete Gründe haben. Im kommenden Jahr will Birmas Militärregime Wahlen abhalten lassen. Daher versucht die Junta derzeit mit allen Mitteln, die verschiedenen ethnischen Gruppen unter ihre Kontrolle zu bringen. "Man hatte jene Gruppierungen vor die Wahl gestellt, entweder ihre Waffen abzugeben und eine politische Partei zu gründen oder sich in sogenannte Grenzschutztruppen umwandeln zu lassen", sagt Stephen Hull von der 1992 gegründeten und seit Jahren im Karen-Staat arbeitenden "Karen Human Rights Group".

Soldaten der Karen National Liberation Army (Foto:ap)
Wie groß die Karen National Liberation Army in Birma wirklich ist, ist unklar. Die Angaben schwanken zwischen 4.000 und 20.000 bewaffneten Soldaten.Bild: AP



Karen gegen Karen

Seit Mai dieses Jahres habe beispielsweise die "Democratic Karen Buddhist Army" damit begonnen, sich selbst als Grenzschutztruppe zu bezeichnen, sagt Hull. Wobei dies kaum überraschend ist: Schließlich ist diese Miliz mit Birmas Junta verbündet und an den Angriffen auf die rivalisierende "Karen National Liberation Army" beteiligt. Beobachter berichten außerdem, dass Zivilisten vermehrt zwangsrekrutiert würden – sie sollen bei den Grenztruppen dienen. Ihre Waffen abzugeben kommt indes für manch andere Rebellenorganisationen nicht in Frage. Und politische Parteien, die sich dem Regime unterordnen, wollen sie auch nicht werden.

Veränderungen können nur von innen kommen

Karen-Männer in traditionellen Trachten (Foto:ap)
Nach den Shan bilden die Karen mit 5 Millionen Menschen Birmas zweitgrößte MinderheitBild: AP

Dass sich die Verhältnisse nach den Wahlen bessern werden, glaubt kaum jemand. Aung So, Direktor des in Mae Sot ansässigen Grenzbüros der "Nationalen Koalitionsregierung der Union Birma" schätzt, dass eine neue Generation innerhalb der Militärs für Veränderungen sorgen könnte. Eine, die nichts mit Juntachef Than Shwe und dessen Hardlinern zu tun hat: "Wir haben einige Kontakte innerhalb der Junta, und zwar mit Angehörigen mittleren Ranges", berichtet Aung So. "Viele dieser Offiziere sind gegen die derzeitigen Zustände". Der Regimekritiker geht davon aus, dass diese sich früher oder später erheben werden. "Von den hohen Tieren traut sich derzeit keiner, etwas gegen Than Shwe zu unternehmen", meint Aung So. "Und die niedrigeren Ränge können das nicht allein durchführen."

Indes mahnt KNU-Generalsekretärin Zipporah Sein an, bei allen Diskussionen über eine Demokratisierung Birmas die ethnischen Minderheiten nicht außen vor zu lassen. "Wenn über Demokratie in Birma diskutiert wird, dann sprechen die meisten über Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi und deren Partei 'Nationale Liga für Demokratie', aber nur wenige sprechen über die Anliegen der ethnischen Volksgruppen", sagt Zipporah Sein. "Wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft das Militärregime dazu bringt, sich sowohl mit Suu Kyi und der NLD als auch mit den Repräsentanten der ethnischen Minderheiten an einen Tisch zu setzen." Nur so könnten die Probleme in Birma gelöst werden, sagt sie.

Autorin: Nicola Glass
Redaktion: Thomas Latschan