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Biskys blonde Burschen

Torsten Gellner11. Mai 2005

In Berlin läuft die erste Einzelschau des Künstlers Norbert Bisky. Seine Gemälde spielen mit der Ästhetik totalitaristischer Propaganda. Das hat den Maler bei einigen Kritikern in Verruf gebracht.

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Norbert Bisky provoziert gekonntBild: dpa

Junge Knaben mit nacktem Oberkörper marschieren in Reih und Glied, ein blonder Jüngling hebt die Rechte wie zum verbotenen Gruß, athletische Körper in Saltopose wirbeln durch die Luft: Bilder wie aus einem Leni-Riefenstahl-Film. Gemalt hat sie einer jener viel gefragten deutschen Künstler, die derzeit für Furore sorgen: Norbert Bisky. Das Künstlerhaus Bethanien in Berlin hat dem eigenwilligen und umstrittenen Künstler nun seine erste große Einzelausstellung gewidmet.

Ausstellung des Malers Norbert Bisky
Norbert Bisky bei der AusstellungseröffnungBild: dpa - Report

Bisky ist der Sohn des PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky und in der DDR groß geworden. Das sieht man seiner Kunst an. 1970 in Leipzig geboren, wuchs er auf inmitten solcher heroischer Inszenierungen von Wehrsport und Pionierromantik, die seine großformatigen Gemälde heute prägen. Die meisten seiner auf dem Kunstmarkt heiß begehrten Werke zeigen immer wieder die gleichen blonden Jungs, die vor blauem Himmel miteinander rangeln, balgen, Sport treiben.

Figuren wie aus dem Klonlabor

Es sind diese makellosen, wie aus einem arischen Klonlabor entflohenen Körper, die Bisky bei einigen Kritikern in Misskredit gebracht haben. Er bediene sich einer faschistischen, totalitaristischen Ästhetik, so der Vorwurf. Den wohl prominentesten unter den bekennenden Bisky-Fans, FDP-Chef Guido Westerwelle, bringt dieser Vorwurf auf die Palme. Er hält die Kritik an Biskys blonden Burschen für einen typischen Reflex der Alt-Linken, denen er ein ideologisch motiviertes Problem mit Schönheit unterstellt.

Dabei sind die scheinbar so glatten Inszenierungen der Körperlichkeit durchaus doppelbödig. Man merkt es, wenn man sich in der Berliner Schau bewegt. Umzingelt von all den perfekten Jünglingen mit ihren aschblonden Naturmähnen und dem blendenden Zahnwerk versteht man bald, was Biskys Fürsprecher meinen, wenn sie von der subtilen Kritik am Körperkult sprechen, die sich in seinen Bildern artikuliere. Viele Inszenierungen sind in der Tat ironisch gebrochen: Da rangeln die Blondschöpfe scheinbar unbeschwert und naturverbunden im Bildvordergrund, während im Hintergrund brennende Helikopter vom Himmel stürzen. Da stehen die gleichen korrekten Jungmänner, die man eben noch bei der Leibesertüchtigung gesehen hat, gaffend vor einem brennenden Haus, während sich am linken Bildrand einer der ihren entfernt, wie von einem Tatort. Die Unschuld, die durch die hellen, reinen Farben und das hübsche Personal behauptet wird, erweist sich noch im Moment der Betrachtung als trügerisch.

Kunst gegen "Körperfaschismus"

Ausstellung des Malers Norbert Bisky
Imm er wieder blond... 'Alle foltern' heißt dieses BildBild: dpa

Der Maler selbst versteht seine Kunst als Widerstand gegen den "Körperfaschismus", dem nicht nur die Staatskunst totalitärer Regimes, sondern auch die Werbung frönt. Dass er sich bei seiner subversiven Kunst der Mittel der Propaganda bedient, Hochglanzästhetik und Verherrlichung quasi mit den eigenen Waffen zu schlagen versucht - das provoziert eben bisweilen Unverständnis und Überreaktionen.

Der einstige Meisterschüler von Georg Baselitz zählt heute zur Riege der „Young German Artists“, die sich im Ausland gut verkaufen und die gegenständliche Malerei wieder entdeckt haben. Dabei hat Bisky anfänglich das Figurative bewusst gemieden. Die realistische Kunst des Ostens, die er heute zitiert, hat ihn in seiner Jugend abgestoßen. Bestenfalls seien diese Werke erotisch gewesen, sagt Bisky heute, meistens jedoch einfach grauenvoll.

"Wenn er heute Elemente der staatstragenden Kunst zitiert, dann mit einer deutlichen Abstandshaltung", erklärt Christoph Tannert, der die Schau im Bethanien organisiert hat. "Bisky wehrt sich zu Recht dagegen, dass er als Propagandist etwa eines arischen Körperkults gesehen wird". Dass der Erfolg von Biskys Bildern in den USA mit alten Naziklischees zu tun haben könnte, will Tannert nicht ausschließen, im Gegenteil. "Sicherlich wird Bisky in den USA anders rezipiert als hier in Deutschland, wird dort ein 'arischer' Unterton stärker ausgemacht als hierzulande".

Der Kunstkritiker Graham Bader weist unterdessen darauf hin, dass Biskys Figuren in den Augen amerikanischer Betrachter noch eine ganz andere Assoziation wecken, erinnern sie doch stark an die "synthetisch-gleichförmigen Gestalten" aus der Anzeigenwerbung des Allergiemedikaments Claritin. "Befremdend und vertraut zugleich, ebenso unheimlich wie kaugummihaft fröhlich, sprechen Biskys Bilder die Sprache einer Ideologie, die ebenso allgegenwärtig ist wie unsichtbar: ein Claritin-Realismus für ein Claritin-Zeitalter."

Die Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg läuft noch bis zum 29. Mai.