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Bittere Niederlage für deutsche Sozialdemokraten

14. Juni 2004

Fast in allen EU-Staaten mussten die Regierungsparteien bei der Wahl zum Europaparlament herbe Verluste hinnnehmen. Ganz hart traf es die deutschen Sozialdemokraten: Die SPD fiel auf einen historischen Tiefstand.

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Wahlschlappe auch für Bundeskanzler Gerhard SchröderBild: AP


In Deutschland wurde die SPD abgestraft und stürzte auf gerade einmal 21,6 Prozent. Nach den Hochrechnungen wurden CDU und CSU dagegen mit rund 45 Prozent wieder klar stärkste Partei und holten trotz Verlusten fast die Hälfte aller deutschen Mandate im Europaparlament. Führende Politiker von CDU/CSU und FDP verlangten nach dem Desaster der Sozialdemokraten eine baldige Neuwahl des Bundestags.

SPD stürzt ab

Hochrechnung deutsch 21:42h UTC
Prognose der Stimmverteilung in Deutschland

Einen deutlichen Zuwachs konnten indes die ebenfalls in Berlin mitregierenden Grünen verbuchen, die sich von 6,4 auf 11,9 Prozent fast verdoppelten. Die PDS blieb bei einem kleinen Gewinn von 5,8 auf 6,2 Prozent im Europaparlament, in das auch die FDP nach zehn Jahren Abwesenheit mit einem Sprung von 3,0 auf 6,1 Prozent zurückkehrte.

Gewinne Verluste Deutschland deutsch 21:42h UTC
Prognose der Gewinnne und Verluste der deutschen Parteien

CDU und CSU kamen nach den Hochrechnungen auf 44,4 bis 45,1 Prozent. Gegenüber den 48,7 Prozent von 1999 bedeutet dies zwar einen Rückgang um mindestens 3,6 Prozentpunkte. Doch erhielten die Unionsparteien auch damit noch mehr als doppelt so viel wie die SPD und 49 der 99 deutschen Mandate im Europaparlament. Die SPD rutschte dagegen um rund neun Prozentpunkte auf maximal 21,8 Prozent ab.

Sitzverteilung Deutschland deutsch 21:42h UTC
Prognose der deutschen Sitzverteilung

Von den deutschen Sitzen im Europarlament entfallen nach den Hochrechnungen künftig 49 auf CDU/CSU (bisher 53). Die SPD stellt nur noch 23 statt bisher 33 Abgeordnete, während sich die Grünen von 7 auf 13 verbessern. Die PDS kommen auf 7 (bisher 6) Parlamentarier und die zuletzt nicht mehr vertretene FDP ebenfalls auf 7. Die Wahlbeteiligung fiel nach ersten Schätzungen noch unter die mageren 45,2 Prozent von 1999.

Sitzverteilung Europa deutsch 21:10h UTC
Sitzverteilung der europäischen Fraktionen

Aus der Europawahl ist die konservative Europäische
Volkspartei (EVP) als stärkste Kraft hervorgegangen. Nach den Prognosen vom Wahlabend errang die EVP 269 der insgesamt 732 Sitze. Demnach kamen die Sozialdemokraten (SPE) auf eine Mandatzahl von 207. Drittstärkste Kraft wurden aller Voraussicht nach die Liberalen, die mit 65 Mandaten rechnen können. Die Grünen kamen der Prognose zufolge 44 Sitze und die Sozialisten auf 41 Sitze. Die übrigen der insgesamt 732 Mandate gingen vor allem an euroskeptische Parteien. So erhielt die Union für das Europa der Nationen (UEN) 28 Sitze. Die EVP hatte bereits im vorherigen Parlament die stärkste Fraktion vor den Sozialdemokraten gestellt.

Auch Labour-Partei mit Rückschlag

In Großbritannien stürzte die Labour-Partei von Premierminister Tony Blair einer Nachwahlbefragung zufolge auf 22 Prozent, die oppositionellen Tories verloren sogar 14 Punkte und kamen ebenfalls auf 22 Prozent. Die bisher eher unbedeutende UK Independence Partei (UKIP), die einen EU-Austritt Großbritanniens fordert, kam auf sensationelle 18 Prozent.

In Frankreich trugen die oppositionellen Sozialisten einen klaren Sieg über das Regierungslager von Präsident Jacques Chirac davon. Dem amtlichen Zwischenergebnis zufolge legten die Sozialisten rund acht Punkte zu und kamen auf 29 Prozent, mehr als Chiracs Partei UMP (rund 16,5 Prozent) und die zentrumsliberale UDF (um die zwölf Prozent) zusammen. Die Regierungsparteien schnitten deutlich schwächer ab als bei der Parlamentswahl 2002.

Opposition in Tschechien mit Plus

In Tschechien lag die Opposition laut vorläufigem Ergebnis vom Wahlabend deutlich vor den regierenden Sozialdemokraten, die nur mit 10,5 Prozent der Stimmen rechnen konnten. Demnach kam die euroskeptische ODS von Präsident Vaclav Klaus auf 31 Prozent der Stimmen, zweitstärkste Kraft wurde die europafeindliche kommunistische KSCM mit 17 Prozent.

Auch in Dänemark waren die oppositionellen Sozialdemokraten die großen Sieger der Europawahl. Nach Abschluss der vorläufigen Stimmauszählung verdoppelten sie ihr Ergebnis von 1999 und kamen auf 32,7 Prozent der Stimmen. Die regierenden Rechtsliberalen von Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen verloren hingegen vier Prozentpunkte und kamen auf 19,4 Prozent.

Regierungsparteien mit schlechtem Abschneiden

Auch in Lettland, Malta, Irland, den Niederlanden und Slowenien schnitten die Regierungsparteien schlechter ab als die Opposition oder mussten Verluste hinnehmen. In Österreich erlitt die an der Regierung beteiligte rechtspopulistische FPÖ eine historische Niederlage. Nach dem vorläufigen Endergebnis rutschten die Freiheitlichen von 23,4 Prozent auf 6,3 Prozent der Stimmen ab.

In Griechenland und Spanien verzeichnete das Regierungslager hingegen Erfolge. In Griechenland gewann die konservative Nea Dimokratia (ND) drei Monate nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl auch die Europawahl. In Spanien wurden die die Sozialisten von Ministerpräsident José Rodriguez Zapatero (PSOE) ebenfalls drei Monate nach ihrem Wahlsieg bei den Parlamentswahlen Sieger der Europawahlen.

Denkzettel-Wahl

Zahlreiche Bürger haben die erste Europawahl nach der Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten zu einem Denkzettel für ihre Regierung genutzt. In Großbritannien, Dänemark, Tschechien und weiteren EU-Staaten verloren Regierungsparteien erhebliche Stimmenanteile an die Opposition oder an europaskeptische Parteien. Vielerorts waren Europakritiker auf dem Vormarsch. Einen Wahltriumph feierten die Europagegner in Großbritannien. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben vom Abend bei nur 44,2 Prozent und damit so niedrig wie noch nie. Vor allem die neuen EU-Bürger der zehn Beitrittsstaaten demonstrierten Desinteresse am EU-Parlament. (ali/ert)