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Laute Wände an stillen Orten

13. Juli 2009

"Wer ist der geilste Junge im englischen Seminar?" steht über der Kloschüssel. Daneben philosophische Anmerkungen. Mit Klograffiti hat sich eine Bonner Studentin befasst und die Ergebnisse auf Fotos festgehalten.

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Ausstellung Klo Grafitti (Foto: Katrin Fischer)
Partnersuche auf dem KloBild: Katrin Fischer

Jeder hat derartige Sprüche schon mal gelesen oder – Hand aufs Herz - sich vielleicht auch schon mal selber auf dem stillen Örtchen verewigt. Doch die Studentin Katrin Fischer ist die erste, die sich der Klo-Graffiti als Sprachwissenschaftlerin genähert hat. Ihre Ausstellung zum Thema kann man in der Alten Sternwarte in Bonn besuchen. Immer wieder sieht sich die 31-jährige mit der neugierigen Frage konfrontiert, wie man bloß darauf komme, seine Magisterarbeit über so ein bizarres Thema zu schreiben und damit auch noch 160 Seiten zu füllen.

Auf dem stillen Örtchen hat es Klick gemacht

Prof. Dr. Caja Thimm und Katrin Fischer (Foto: Suzanne Cords)
Ausstellungseröffnung in der alten Sternwarte in BonnBild: Suzanne Cords

"Das wusste ich am Anfang auch nicht so genau", lacht Katrin Fischer, "aber wie jeder andere auch benutze ich die Toiletten der Universität und auf einmal hat es Klick gemacht." Die Studentin war fasziniert davon, dass anonyme Kommunikation in der Öffentlichkeit stattfindet, in einer Art künstlicher Privatsphäre sozusagen. "Wäre diese Klo-Graffiti an der Wand ein Stimmengewirr, dann müsste man die Äußerungen laut machen und sich irgendwie Gehör verschaffen und deswegen heißen meine Arbeit und die Ausstellung: Laute Wände an stillen Orten."

Anarchie pur in der Klozelle

Ausstellung Klo Grafitti (Foto: Katrin Fischer)
Zensierter KlospruchBild: Katrin Fischer

Die angehende Sprachwissenschaftlerin wollte keine witzige Klospruchsammlung vorlegen, sie interessierte sich eher dafür, wie die Verfasser der Graffiti mit der Anonymität umgehen: Respektieren sie andere, geben sie Identitäten preis, brechen sie Tabus? Immerhin gäbe es in der Klozelle keine zensierende Instanz, die die Aktivtäten überwache, führt sie aus: "Deswegen können natürlich auch politisch unkorrekte und sehr vulgäre Sachen geäußert werden. Jeder kann zensieren, jeder kann verbessern und deswegen muss das an der Wand immer wieder neu ausgehandelt werden. Es ist im Prinzip Anarchie pur.“

Graffiti mit intellektuellem Ansatz

Ausstellung Klo Grafitti (Foto: Suzanne Cords)
Sprachwissenschaftliche Analyse der KloweisheitenBild: Suzanne Cords

Katrin Fischers Forschungsfeld erstreckte sich ausschließlich auf die Damentoiletten im Erdgeschoß und im 1. Stock der Universität Bonn. Die weibliche Studentenklientel hat die üblichen Reime oder Sponti-Sprüche niedergeschrieben und sich über die Männerwelt ausgelassen, so wie man es von jeder Kneipentoilette kennt. Aber hier und da gibt es auch einen intellektuellen Ansatz. "Man hat das Gefühl, dass manchmal versucht wird, etwas Kultur in die Toilette zu bringen", bestätigt Katrin Fischer. "Manche Leute halten regelrecht Gebiete auf der Wand frei und fordern: Hier nur intelligente Zitate."

Frauen reden gern, auch an der Klowand, hat die Studentin festgestellt. "So eine Diskussion kann sich dann schon mal über eine ganze Tür erstrecken. Ich habe einmal 60 Einzelgraffiti zum Thema veganes Leben gezählt, inklusive fundierter Nährwerttabellen", erzählt sie.

Die Lust am Widerspruch als Herzstück des Klo-Dialogs

Ausstellung Klo Grafitti (Foto: Katrin Fischer)
DiskussionBild: Katrin Fischer

Die schriftlichen Hinterlassenschaften auf Wänden, Türen, Klodeckeln und Handtuchhaltern seinen selten vorsätzlich geplant, so das Fazit der Sprachwissenschaftlerin. Denn eigentlich besuche man die Toilette ja primär, um einem natürlichen Bedürfnis nachzukommen und nicht, um dort Graffiti zu hinterlassen. "Aber dann sieht man einen Spruch und sagt sich, das kann ich so nicht stehen lassen. Das ist ja quasi das Herzstück der Klo-Graffiti-Kommunikation, dass eben Bezug genommen wird auf andere Klo-Graffiti.“

Die Göttin Cloacina

Klosprüche sind vergänglich, irgendwann fallen sie Streichaktionen zum Opfer. Und so ist auch nicht mehr überliefert, was unsere Vorfahren auf die Wände kritzelten. Denn Graffiti in öffentlichen Toiletten, so erklärt die Sprachwissenschaftlerin, sei beileibe kein Phänomen der Neuzeit. Schon die Römer verewigten sich gern in den Latrinen. Ausführlich ließen sich sie über ihre Liebschaften und die spezifischen Qualitäten ihrer Liebhaber aus. Schon damals galt das als Vandalismus, deswegen erfand man zum Schutz der Toiletten kurzerzhand eine Göttin namens "Cloacina".

Die Ausstellung "Laute Wände an stillen Orten" läuft noch bis zum 20. Oktober im Institut für Kommunikationswissenschaften in der Alten Sternwarte in Bonn.

Autorin: Suzanne Cords

Redaktion: Gaby Reucher