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Blairs dritte Amtszeit?

Grahame Lucas5. April 2005

Der Termin steht nun fest: Am 5. Mai finden in Großbritannien Unterhauswahlen statt. Premier Blair hat mit einem Glaubwürdigkeitsproblem zu kämpfen. Die heiße Phase des Wahlkampfes hat begonnen.

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Tony Blair will Hausherr bleiben in Downing Street No. 10Bild: AP

Zum ersten Mal seit 1992 liegen die beiden großen Volksparteien Labour und Tories dicht beieinander. Die meisten Meinungsumfragen geben zwar der regierenden Labour-Partei von Tony Blair einen Vorsprung von zwei bis sechs Prozent. Die Financial Times hingegen sieht die Konservativen unter dem früheren Innenminister Michael Howard vorn: mit 39 Prozent, verglichen mit 34 Prozent für Labour.

Irak-Krieg als Thema

Blair präsentiert Bericht über Saddam Husseins Waffen
Blair präsentiert am 24.9.2002 den Bericht über Saddams angebliche NuklearwaffenBild: AP

Experten sind sich einig, dass die Glaubwürdigkeit des Premierministers im Mittelpunkt des Wahlkampfes stehen wird. Das Thema Irak-Krieg lässt immer noch die Emotionen hochkochen. Nach wie vor meinen viele Briten, dass Blair bewusst die Öffentlichkeit über die Gefahr von möglichen Massenvernichtungswaffen im Irak getäuscht habe. Diese Meinung wird auch von einigen Linken in der Unterhausfraktion seiner Partei geteilt. Unangenehm ist für Blair deshalb auch die Entscheidung eines Labour-Abgeordneten, der am Montag (4.4.) aus Protest gegen die britische Irak-Politik zu den oppositionellen Liberaldemokraten wechselte.

Taktischer Wahltermin

Blairs konservativer Herausforderer Michael Howard sieht in der Glaubwürdigkeit Blairs die Hauptschwäche des einst so populären Premierministers. Er wirft ihm außerdem Tatenlosigkeit vor und appelliert an die Wähler, Blair einen Denkzettel zu verpassen: "Herr Blair freut sich bereits klammheimlich über seinen dritten Sieg. Aber Sie müssen das nicht hinnehmen! Wenn Sie denken, was wir denken, dann ist es höchste Zeit, die wichtigen Probleme anzupacken!"

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Es geht aber nicht nur um die Person Blair. Vor vier Jahren versprach er Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, bei öffentlichen Dienstleistungen und bei der Transport-Infrastruktur. Sichtbare Erfolge sind nur teilweise eingetreten. Sorgen macht auch die Wirtschaft. Ein Grund für den frühen Wahltermin ist aus Blairs Sicht gewiss auch, dass sich aus den Prognosen ein Abflauen des Wirtschaftswachstums im kommenden Herbst ableiten lässt. Darüber hinaus erwarten Experten einen Rückgang bei Immobilienpreisen und eine weitere Steigerung der Hypothekenzinsen.

Kritischer Blick auf die Konservativen

Michael Howard
Michael HowardBild: dpa

Diese Faktoren hätten die Konservativen eigentlich weitaus mehr stärken müssen, als dies bisher der Fall war. Dass dies so bisher nicht eingetreten ist, liegt wohl an der Vergangenheit: Zwar haben die Konservativen mit Michael Howard einen Mann an der Spitze, der Blair halbwegs Paroli im Unterhaus bieten kann. Die Wähler haben aber die Filz-Vorwürfe und das Missmanagement der letzten Amtszeit der Konservativen unter John Major nicht vergessen - und Howard war damals Teil des Kabinetts. Hinzu kommt, dass die Konservativen eine harte Gangart in der Europapolitik eingeschlagen haben, die den meisten Briten überzogen erscheint. Viele Wähler fürchten zudem, dass die Konservativen wieder einmal den Rotstift beim Wohlfahrtsstaat ansetzen, um mit den eingesparten Geldern Steuererleichterungen für Großunternehmen zu finanzieren.

Wenn zwei sich streiten...

Vor diesem Hintergrund sind viele Wähler unentschlossen. Die Wahlbeteilung könnte auch deshalb sehr gering ausfallen, weil viele Briten für beide Politiker wenig Begeisterung aufbringen können. Diese Unzufriedenheit wiederum könnte den Liberaldemokraten zugute kommen - die einzige Partei, die den Irak-Krieg abgelehnt hatte. Die kleine Partei der Liberaldemokraten könnte also beide Volksparteien schwächen. Das Mehrheitswahlrecht lässt in heiß-umkämpften Wahlkreisen durchaus große Überraschungen zu.

...gewinnt trotzdem Blair?

Dennoch erwarten die meisten Beobachter, dass Blair, der charismatischste Politiker Großbritanniens seit vielen Jahren, ein weiteres Mal gewählt wird - allerdings mit starken Stimmeneinbußen. Das würde ihn zu Kompromissen mit seinen innerparteilichen Gegnern zwingen. Damit wäre er zwar der erste Labour-Politiker in der Geschichte, der drei Mal hintereinander gewählt wurde. Das Regieren allerdings würde für Blair dann nicht einfacher, sondern erheblich schwieriger werden.