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Analyse Blatter Wahl

1. Juni 2011

Aller Kritik und allen Korruptionsvorwürfen zum Trotz: Joseph Blatter bleibt FIFA-Präsident. Nach einem skandalösen Wahlkampf stand ein Großteil der Mitgliedsverbände hinter ihm – auch weil er ihre Mitsprache stärkte.

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Ein Assistent hält einen Stimmzettel für die Wahl des FIFA-Präsidenten beim Kongress in Zürich (Foto: AP)
Bild: dapd
FIFA-Präsident Joseph Blatter (Foto: dapd)
Blatter bleibt an der FIFA-SpitzeBild: dapd

Das war er also, der große Befreiungsschlag des Joseph S. Blatter. Mitten in einem globalen Sturm der Empörung über Korruption, Betrug, Intrigen und Mauscheleien im Fußballweltverband FIFA hat er triumphiert. Mit überwältigender Mehrheit der Stimmen wurde der Schweizer am Mittwoch (01.06.2011) vom FIFA-Kongress wiedergewählt und ging gleich in der Diskussion um möglicherweise gekaufte Weltmeisterschaften in die Offensive: Künftig soll nicht mehr das skandalumwitterte Exekutivkomitee, sondern der FIFA-Kongress aller 208 Mitgliedsstaaten über die Vergabe der WM entscheiden.

Was auf den ersten Blick nach ein wenig mehr Demokratie innerhalb der FIFA aussieht, dient vor allem einem Ziel: dem Machterhalt der stark angeschlagenen FIFA-Führung. Denn mit dieser Stärkung der Mitgliedsverbände schmeichelte Blatter kurz vor seiner Wiederwahl den Wahlberechtigten im Plenum. "Es geht jetzt darum, radikale Schritte zu unternehmen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen", sagte ein sichtlich angespannter Blatter. Der Applaus, den er für seine Worte erntete, zeigte eins: Öffentlichkeit, Medien, Regierungen und Sponsoren mögen ihn und seine Führungsclique verurteilen – die "FIFA-Familie" steht treu hinter ihrem 75-jährigen Patriarchen.

England isoliert sich

Das hatte sich schon zu Beginn des 61. FIFA-Kongresses gezeigt. Ein Vorstoß des rebellischen englischen Fußballverbandes gegen die Wiederwahl Blatters scheiterte. Der britische Antrag, die Präsidentenwahl zu verschieben und so nach der Suspendierung des Katarers Mohamed bin Hammam einen neuen Gegenkandidaten zu finden, wurde von den Delegierten mit großer Mehrheit abgelehnt. Stattdessen hagelte es Kritik für England von Blattergetreuen: "England schadet unserer Zukunft mit solchen Aussagen", schimpfte Benins Verbandpräsident Moucharafou Anjorin. Und Senior-Vizepräsident Julio Grondona aus Argentinien, dem selbst kurz vor der Wahl Bestechlichkeit vorgeworfen wurde, ergänzte: "In England verbreitet man Lügen."

Dass in England eine parlamentarische Untersuchung schwerwiegende Vorwürfe gegen mehrere hohe FIFA-Funktionäre hervorgebracht hatte, wollte in Zürich niemand mehr wissen. Ebenso wenig störte es die Delegierten, dass eine delikate E-Mail des Generalsekretärs Jérôme Valcke öffentlich geworden war. Darin hatte Valcke angedeutet, dass Katar sich die WM 2022 kaufte. Und auch die Personalie Jack Warner stand nicht auf der Tagesordnung des Kongresses. Der Vize-Präsident hatte nach seiner Suspendierung einen Enthüllungs-Tsunami angekündigt und auch Blatter beschuldigt. Kurz darauf änderte Warner aber seine Meinung und sprach eine Wahlempfehlung für Blatter aus.

Angriffe von außen, Einheit im Innern

FIFA-Vize-Präsident Jack Warner (Foto: dpa)
FIFA-Vize-Präsident WarnerBild: picture-alliance/dpa

Es wäre keine Überraschung, würde Warner schon bald wieder in den Schoß der FIFA-Familie aufgenommen werden. Denn Blatter verstand sich schon in der Vergangenheit darauf, potentielle Gegner nicht mächtiger werden zu lassen, sondern sie durch Posten und Pöstchen in der FIFA wieder an sich zu binden.

Überhaupt war Blatter bemüht um die Einheit im Innern angesichts der Angriffe von Außen. Mit großen Gesten verlieh der kleine Mann auf der für ihn überdimensioniert wirkenden Bühne seinen Worten Ausdruck und blieb dabei doch meist im Vagen, Metaphorischen. "Unser Schiff ist in Schieflage geraten, vielleicht hat es sogar etwas Wasser. Wir müssen unser Schiff wieder auf Kurs bringen und da ich der Kapitän bin, muss ich dies tun. Aber dafür brauche ich Eure Unterstützung."

Milliardenschwere Argumente

Mehr als diese schmeichelhaften Worte des geübten Conferenciers Joseph Blatter dürften allerdings die handfesten Argumente gewogen haben, die aus Sicht der Mitgliedsverbände für Blatter sprechen: Um 59 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro stiegen die Einnahmen der FIFA während Blatters vergangener Amtszeit. Die wohl reichste Sportorganisation der Welt besitzt Rücklagen von 1,28 Milliarden Euro. Und an diesem Reichtum lässt Blatter die Mitglieder teilhaben, verteilt Geschenke, fördert Projekte und versprach pünktlich zum Präsidentschaftswahlkampf Sonderzahlungen an die Mitglieder. So schafft man sich Freunde und Abhängige.

Was kann der Fußball also erwarten von einem 75-Jährigen in seiner nun wirklich letzten Amtszeit? Vor allem eins: nichts Neues. Die FIFA wird weiter ein scheinbar weltoffenes, aber in Wahrheit streng abgeschottetes System bleiben. Ermittlungen und Enthüllungen von außen sind unerwünscht. Blatters Vorschlag, die hauseigene Ethikkommission unabhängiger von der Führung zu machen, ist zwar überfällig, aber letztlich nichts weiter als das klare Bekenntnis zum alten Dogma: Wir kontrollieren uns selbst. Den meisten Delegierten dürfte das ganz recht sein.

Autor: Joscha Weber
Redaktion: Arnulf Boettcher / Martin Schrader