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Blauer Planet Erde

13. April 2011

Der Raumfahrt verdanken wir die Teflonpfanne, Navigationsgeräte, wissenschaftliche Erkenntnisse – und etwas sehr viel Wertvolleres: einen neuen Blick auf unseren Heimatplaneten.

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Planet Erde aus dem All (Foto: AP)
Juri Gagarin prägte das Wort vom "blauen Planeten"Bild: AP

Genau 108 Minuten brauchte Juri Gagarin für die erste Umrundung der Erde. Als der Raumfahrtpionier anschließend auf einem Feld bei dem Dorf Smelowka in der Nähe der Wolga landete, hatte er einen neuen Begriff für die Erde mitgebracht: Den des "blauen Planeten". Seit jenem 12. April 1961 sind Gagarin genau 521 weitere Menschen in den Welttraum gefolgt.

Zu diesem exklusiven Club gehört auch der deutsche Astronaut Ulf Merbold. Er erinnert sich auch knapp 30 Jahre später noch genau, wie sehr ihn der Anblick der Erde vom All aus beeindruckt hat: "Man sieht die Strukturen der Landschaft in allen Einzelheiten. Der Horizont ist eine gekrümmte Linie, gesäumt von einer königsblauen dünnen Schicht, die grandios aussieht, sehr ästhetisch. Aber weil diese Schicht sehr dünn ist, wirkt sie auch sehr verletzbar und zerbrechlich." Vergleicht man die Erde mit einem Apfel, dann ist die Leben spendende Hülle dünner als dessen Schale. Weshalb Merbold sich selbst und seine Kollegen, die einen Blick auf die Erde von außen werfen konnten, in der Pflicht sieht: mitzuhelfen, "die Erde den Nachgeborenen in intaktem Zustand zu hinterlassen."

Die Erde aus dem All: Grandios schön - und so verletzlich

Astronaut Ulf Merbold (Foto: picture-alliance/ dpa)
Sah vom All die Schönheit der Erde: Astronaut Ulf MerboldBild: picture-alliance/dpa

Raumfahrt ist teuer. Maschinenbau, Materialwissenschaft, Energietechnik, Informationstechnik – all das muss in einer gewaltigen Anstrengung zusammengeführt werden. Staaten leisten sich diese Ausgaben aus einer Vielzahl von Gründen. Die können wissenschaftlich sein, aber auch militärisch oder propagandistisch. Es erscheint wie eine Ironie der Geschichte, dass die Raumfahrt nebenbei und gänzlich unbeabsichtigt mitten im Kalten Krieg so etwas wie ein Bewusstsein von einer Welt ohne Grenzen und von der Verantwortung der Menschen für einander sowie für die Erde als Ganzes geschaffen hat.

Ein Ausdruck dieses Bewusstseins ist die Studie "Die Grenzen des Wachstums", 1972 vom "Club of Rome" veröffentlicht. In 30 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen mal gedruckt gehört sie zu den erfolgreichsten wachstumskritischen Studien aller Zeiten. Daran mitgearbeitet hat der Wirtschaftswissenschaftler Peter Milling. Die enorme Resonanz der Studie hat für Milling auch etwas mit den millionenfach verbreiteten Bildern der Erde als kleinem blauen Planeten vor einem riesigen schwarzen Nichts zu tun. Mit Bildern, die in Wohngemeinschaften hingen, an Kinderzimmerwänden, die in Zeitschriften abgedruckt wurden und über Fernsehschirme flimmerten.

"Man sah, wie fragil das Ganze ist und auch, dass es da keine Grenzen oder Abgrenzungen gibt, die in der allgemeinen Diskussion so eine große Rolle gespielt haben", so Milling. Entsprechend hatten auch die Autoren von "Grenzen des Wachstums" nicht in Entwicklungsländer und Industrieländer unterschieden, genauso wenig wie in Länder des politischen Ostens und des politischen Westens.

Rendevouz im All

DLR Vorstand Johann-Dietrich Wörner vor Modell der ISS (Foto: DW/Matthias von Hein)
"Irdische Grenzen im All überwinden", fordert DLR Vorstand Johann-Dietrich WörnerBild: DW

Das Zentrum der deutschen Raumfahrt liegt am südlichen Stadtrand von Köln, unweit des Köln-Bonner Flughafens. Auf dem weitläufigen Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR werden zum Beispiel die europäischen Astronauten trainiert. Das Büro des Vorstandsvorsitzenden Johann-Dietrich Wörner ist mit Modellen von Satelliten, Flugzeugen und Raumfahrzeugen geschmückt. Auch Wörner glaubt an die Überwindung von Grenzen durch die Raumfahrt. Und verbindet diese Überzeugung mit der Erinnerung an eine historische Begegnung im Jahre 1975. Damals kam es inmitten des Kalten Krieges zu einem sowjetisch-amerikanischen Rendevouz im All. Das Andocken eines Sojus-Raumschiffs an eine Apollo-Kapsel und die gegenseitige Begrüßung der Raumfahrer haben den damals 21-jährigen Wörner tief beeindruckt: "Als ich das erlebt habe, da habe ich gesagt: Okay, der Weltraum wird uns vereinigen." Heute sieht Wörner seinen Traum durch die internationale Raumstation bestätigt und ergänzt: "Ich hoffe, dass wir in Zukunft dort Grenzen, die auf der Erde so wichtig sind, ein Stück weit überwinden können: Zum Beispiel mit China."

Pfleglicher Umgang mit dem "Raumschiff Erde"

Die Überwindung von Grenzen dürfte ganz im Sinne des Astronauten Ulf Merbold sein, der sagt: "Die Raumfahrer sehen die Erde als eine Art Raumschiff für sechs Milliarden Passagiere. Und zwar eines, das im Vergleich zu einem technischen Raumschiff viel bessere Lebensbedingungen und Qualitäten bietet. Aber auch eines, aus dem auch niemand aussteigen kann."

Für den Darmstädter Wissenschaftsphilosophen Alfred Nordmann gehört deshalb "das Bild dieses blauen Planeten, wie er da ganz alleine im schwarzen All erstrahlt und den es zu schützen gilt" zu den schönsten Geschenken der Raumfahrt an die Menschheit. Juri Gagarin würde ihm sicher zustimmen.

Autor: Matthias von Hein

Redaktion: Daniel Scheschkewitz