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Die dritte Kraft

15. Juli 2009

Im Kalten Krieg hatte sie ein hehres Ziel. Die Bewegung Blockfreier Staaten wollte eine dritte Kraft zwischen Ost und West sein. Doch welche Bedeutung hat die Gruppe, die derzeit in Ägypten tagt, heute noch?

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Logo des Treffens der Blockfreien Staaten (Foto:AP)
Blockfrei in Ägypten: die Bewegung tagt derzeit zum 15. MalBild: AP

Es war die Konferenz im indonesischen Bandung im April 1955, bei der 29 Staats- und Regierungschefs der ersten post-kolonialen Generation den Grundstein für die Bewegung Blockfreier Staaten, englisch "Non-Aligned Movement" (NAM), legten. Was zu dieser Zeit auf der politischen Weltbühne passierte, war ursächlich für die Gründung der Blockfreien-Bewegung: Der Kalte Krieg zwischen NATO und Warschauer Pakt nahm immer neue Dimensionen an. Beide Blöcke rüsteten um die Wette auf. Ehemalige Kolonialstaaten in Afrika und Asien etablieren seit den 1950er Jahren nach und nach ihre Unabhängigkeit und ihr eigenes politisches System - mit mehr oder weniger Erfolg.

In Bandung wurden die zehn Grundsätze formuliert, die bis zu Beginn der 1990er Jahre der Grundstein der Bewegung Blockfreier Staaten bleiben sollten. Dazu gehörten unter anderem die territoriale Integrität und politische Souveränität aller Staaten, die Gleichheit aller Rassen und Nationen, die Einhaltung der Menschenrechte sowie internationaler Verpflichtungen, die friedliche Lösung aller Konflikte in Sinne der UN-Charta, ohne Druck oder Bündnisbildung.

Bewegung statt Organisation

An der offiziellen Gründungskonferenz der Bewegung Blockfreier Staaten 1961 in Belgrad nahmen 25 Staaten teil: darunter so unterschiedliche Länder wie Afghanistan, Algerien, Indien, Saudi- Arabien und Jugoslawien. In den folgenden Jahrzehnten wurden immer mehr Staaten Mitglied der Bewegung; nahezu alle afrikanischen und asiatischen Staaten gehörten dazu.

Konferenzraum in Sharm el-Sheich (Foto: AP)
Auch vom jetzigen Treffen erwarten sich Experten nicht allzu viel - die Interessen der Länder sind schlicht zu unterschiedlichBild: AP

Man einigte sich bewusst auf die Gründung einer "Bewegung" und nicht auf die einer "Organisation", um deutlich zu machen, dass starre, bürokratische Strukturen die Arbeit nicht behindern sollten. Trotzdem strebte man eine aktive Rolle auf der internationalen politischen Bühne an. Auf dieser Bühne erreichte der Kalte Krieg gerade wieder einen traurigen Höhepunkt: In Berlin errichtete die DDR im August 1961 die Mauer, Deutschland wurde geteilt, der Eiserne Vorhang durchzog Europa.

Viel gewollt, wenig erreicht

In diesem politischen Klima war das Ziel, eine dritte Kraft im System der Blöcke von Ost und West zu bilden, erklärt Christian Wagner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Das hat sich allerdings angesichts der Heterogenität der unterschiedlichen Mitgliedsländer als nicht sehr wirksame Strategie erwiesen." Deshalb sind die Erfolge bis heute auch eher übersichtlich geblieben. Man hat immer wieder versucht, im Rahmen von internationalen Organisationen gemeinsame Ziele zu formulieren - die Staaten wollten sich etwa für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen oder die Vereinten Nationen reformieren, sagt Wagner. "Aber es ist oft nur bei diesen Absichtserklärungen geblieben, so dass die Organisation als solche kaum konkrete Ziele vorzuweisen hat."

Zu den nach dem Ende des Kalten Krieges neu formulierten Zielen gehören unter anderem die Terrorbekämpfung, die Wahrung der Menschenrechte und des Internationalen Rechts und die Suche nach Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt. Doch die Erfolge der Blockfreien bei der Umsetzung auch dieser Ideen blieben marginal. Denn nicht nur das Ende des Kalten Krieges, sondern auch die Entwicklung der Weltwirtschaft hat dazu beigetragen, dass die Bedeutung der Blockfreien stark abgenommen hat. "Es liegt natürlich daran, dass die Internationale Staatengemeinschaft sich seit den 1960er Jahren sehr stark ausdifferenziert hat", sagt Wagner. Und das gilt nicht nur für die Wirtschaftsentwicklung, es sind außerdem viele regionale Organisationen entstanden, wie etwa die der Verband Südostasiatischer Länder, kurz ASEAN. "Viele der Staaten versuchen natürlich, ihre Anliegen dort, in ihrem regionalen Kontext vorzubringen."

Diktatoren treffen auf Demokraten

Und auch auf internationaler Ebene können Institutionen wie zum Beispiel die G77 - eine Organisation der Entwicklungs- und Schwellenländer - mehr für ihre Mitgliedsstaaten bewirken als die Bewegung der Blockfreien, die unter ihrem Dach viele sehr unterschiedliche Staaten vereint, so Wagner.

So heterogen wie die Mitgliedsländer sind auch die sie treibenden Ideologien und die sie regierenden Persönlichkeiten immer schon gewesen. Autoritär regierende Herrscher wie Indonesiens Präsident Suharto waren früher ebenso vertreten wie heute der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko oder einst das Anti-Apartheid-Symbol Nelson Mandela. Zurzeit gehören instabile Staaten wie Afghanistan, Pakistan oder Äthiopien genauso dazu wie demokratische Staaten, zum Beispiel die Kapverdischen Inseln, Zypern und Südafrika.

Die Forderung der Blockfreien nach umfassender politischer Souveränität und Nicht-Einmischung in interne Angelegenheiten sorgt bei Beobachtern zuweilen für Verstörung, vor allem wenn es um Staaten wie Simbabwe, Pakistan oder den Iran geht. Doch Christian Wagner sieht die Blockfreien-Bewegung keinesfalls als Organisation, die solchen Staaten starken Rückhalt für ihre umstrittenen Positionen geben könnte: "Sie finden dort eher ein Forum, um noch einmal ihre Ideen zu propagieren. Denn selbst eine Reihe von Staaten unter den früheren Entwicklungsländern steht nun auch der Situation in Simbabwe kritisch gegenüber oder hat ihre Probleme mit dem iranischen Atomprogramm."

Autorin: Daphne Grathwohl

Redaktion: Manfred Götzke