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Bloggen für die Zukunft im Iran

9. März 2011

Viele Blogger haben seit dem umstrittenen Wahlergebnis im Juni 2009 den Iran verlassen und leben im Exil. Sie sind ein wichtiger Kontakt der iranischen Bevölkerung zur Außenwelt. So auch Mehdi Mohseni.

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Mehdi Mohseni schreibt täglich Artikel über den Iran (Foto: Mehdi Mohseni)
Mehdi MohseniBild: DW

Mehdi Mohseni (31) - Ingenieur, Blogger und Journalist aus dem Iran. Wegen eines wissenschaftlichen Austauschs reiste Mehdi im Sommer 2009 nach Deutschland. Seitdem lebt er hier im Exil. Im Iran war er Wahlkampfmitarbeiter der Opposition von Mir Hossein Mussawi und berichtete lange Zeit über die politische Situation im Iran.

Eine schweigende Hoffnung

Mehdi begann vor neun Jahren zu schreiben. Während seines Studiums war er Chefredakteur und Gründer der Studentenzeitung "Reform", die damals wöchentlich in seiner Universität erschien. Zu den Zeiten der Chatami-Regierung war alles anders", sagt Mehdi. "Vielleicht nicht so freizügig aber dennoch wurde unsere Zeitung von der Regierung unterstützt." Nach dem Regimewechsel änderte sich das rapide. Ihm wurde verboten, seine Zeitung zu publizieren. Nach der ersten Zensur änderte er den Namen seiner Studentenzeitung. Sie hieß nun "Stille". Doch auch diese Ausgabe wurde sehr schnell eingestellt. Daraufhin entschloss sich Mehdi, Artikel in Weblogs zu verfassen. Er schrieb Kurzgeschichten und Gedichte. Es war mehr ein Online-Tagebuch für ihn. Seinen ersten politischen Artikel schrieb er 2005, als die USA erneut in Afghanistan eingriff. Aus einem Eintrag pro Tag wurden dann immer mehr. Er fing an, sowohl über politische Themen als auch über Kultur, Wirtschaft und Menschenrechte sowie über Tabuthemen wie beispielsweise Sexualität zu schreiben.

Zum Schweigen gezwungen

Mehdi Mohseni beim Forum "Menschenrechte für alle Iraner" im März 2010 in Bonn (Foto: Mehdi Mohseni)
Menschenrechte für alleBild: DW

Im selben Jahr gründete er auch seinen eigenen Blog "Jomhour". Mehrmals bekam er Anrufe von den iranischen Sicherheitskräften, er solle mit dem, was er schreibe, vorsichtig sein. Schließlich wurde sein Blog gefiltert und gesperrt. Mehr als 15-mal musste Mehdi seine Domain ändern, um wieder weiterschreiben zu können. "Doch jedes Mal sperrten sie meinen Blog", erklärt Mehdi. Die Warnungen wiederholten sich. Man drohte ihm sogar mit einer Exmatrikulation.

Über ein Jahr lang schrieb er dann nur noch einen Artikel pro Monat. "Ich hatte mich dazu entschlossen zu schweigen und nicht mehr so viel zu schreiben. Mir war mein Studium wichtig und ich wollte es auch so schnell wie möglich abschließen", sagt er.

In den Jahren 2003, 2005 und 2007 wurde Mehdi gezwungen, sein Studium zu unterbrechen. Er war nicht der einzige. Es gab viele Studierende, die aktiv waren und ihre Rechte im Iran durchsetzen wollten. Auch ihnen wurde verboten weiter zu studieren. Demonstrieren? "Es war zu gefährlich, um sich öffentlich unter freiem Himmel zu versammeln und für Recht und Freiheit zu demonstrieren. Die Menschen hatten einfach Angst, raus zu gehen", sagt Mehdi. Viele Studierende, die sich der Regierung gegenüber äußern wollten, taten es nicht aus Angst.

"Ich bin nicht im Iran!"

Nach seiner Ankunft in Deutschland wurden Mehdi mehrmals Fragen gestellt, warum er nicht mehr schreibe. "Ich solle wieder über die Situation im Iran berichten und noch mehrere politische Themen behandeln. Auf all diese Fragen antwortete ich mit einem kurzen Artikel: 'Ich bin nicht im Iran!' Ich kann nicht die Atmosphäre dort spüren, ich kann nicht die Situation dort drüben fühlen. Ich bin nicht Augenzeuge, wenn Menschen auf die Straßen gehen. Ich bin einfach viel zu weit weg." Er könne nicht empfinden, was alles im Iran passiert, er könne nur ahnen, sagt er betrübt. Wir können von hier aus die Menschen im Iran nur unterstützen - aber nicht auffordern. Das wäre falsch. Er könne den Menschen eher Vorschläge machen oder sagen, wie er selbst reagieren würde. Aber ihnen sagen, was sie machen sollen oder welchen Weg sie gehen sollen, könne er nicht.

Mehdi Mohseni mit Ali Samadi Ahadi, dem Regisseur des Dokumentarfilms "The Green Wave" (Foto: Mehdi Mohseni)
Mehdi Mohseni mit Ali Samadi AhadiBild: DW

Einige Blogger, die nicht im Iran sind, schreiben dennoch in ihren Blogs, dass sie auch auf den Straßen Irans demonstrieren waren, obwohl sie weder im Iran noch auf den Straßen waren. Sie möchten die Menschen im Iran motivieren und zum Weitermachen anspornen. Mehdi ist keiner von denen, die unter falscher Flagge segeln. Viele seiner Freunde sagen, er solle wenn er schon in Europa ist, doch die Lebenssituationen und Bedingungen hier analysieren und den Menschen im Iran mitteilen. Sie sollen wissen, wie andere Menschen in anderen Ländern leben.

Die Hoffnung der Regenbogen-Bewegung

Mehdi vergleicht die Opposition im Iran – auch grüne Bewegung genannt - mit einem Regenbogen. "Die Bewegung ist kunterbunt. Es sind Menschen aus allen Schichten und Glaubensrichtungen. Es stimmt nicht, dass die Menschen aus ärmeren Schichten oder Provinzen immer nur Mahmud Ahmadinedschad gewählt haben. Viele Menschen aus unteren Schichten waren Wähler von Mussawi. Es gab viele Anhänger der grünen Bewegung, die aus der unteren Schicht stammen, unter ihnen sogar auch sehr religiöse Menschen, die auch eine Reform wollten."

"Eine Gesetzesänderung, ein neues Regierungssystem und keinen Einfluss der Religion auf den Staat." Das wünscht sich Mehdi vom Iran. Er ist zwar weit weg von seiner Heimat - doch glücklich hier in Deutschland. "Es ist besser als jetzt im Iran im Gefängnis zu sitzen. Dort müsste ich immer vorsichtig sein und schweigen und vielleicht sogar um meine Existenz fürchten."

Die Menschen seien aufgeklärter im Iran, sagt Mehdi. "Sie wissen, dass es ein besseres Leben im Iran geben kann." Er wünscht sich einen Iran unter besseren Umständen und Bedingungen. "Ich will nicht den Iran als ein umgestelltes, anderes Land. Ich will mein Land so wie es ist, nur mehr demokratisch und friedvoller", meint Mehdi. Eine Regierung, die weder religiös orientiert ist noch antireligiös. Sie sollte unabhängig von all dem sein. "Menschen wollen, dass sich was ändert. Sie wollen eine Reform. Ein besseres Leben mit mehr Demokratie und mehr Frieden, das ist alles", sagt Mehdi.

Keine Fata Morgana der Demokratie

Mehdi Mohseni am Computer (Foto: Irem Özgökceler/ DW)
Bloggen für eine bessere ZukunftBild: DW

Mehdi hat in Deutschland ein neues Leben begonnen. Er fühlt sich wohl hier. "Vielleicht wird es zehn Jahre, sogar 20 Jahre dauern, bis sich etwas im Iran ändern wird. Ich kann nicht sitzen und warten, bis es passiert. Ich werde versuchen, hier mein Leben neu aufzubauen. Falls sich in sehr kurzer Zeit etwas im Iran ändern sollte, bin ich natürlich bereit, in meine Heimat zu gehen, meine Freunde und meine Familie zu besuchen. Aber wenn ich mich schon entschlossen habe, hier mein neues Leben zu leben, werde ich auch wieder nach Deutschland zurückkehren."

Mehdi schreibt weiterhin über verschiedene Themen. Er schreibt über den Iran und für die Iraner. Er ermutigt sie, nicht aufzuhören zu hoffen, denn Hoffnung sei die einzige Möglichkeit, um alles durchstehen zu können, sagt er. Momentan schreibt er seine Artikel nur auf Persisch. Sein Englisch sei noch nicht ausreichend dafür, sagt er. Mittlerweile hat Mehdi auch mit einem Englischkurs begonnen. Er möchte sein Englisch verbessern, um auch für mehrere Menschen weltweit eine Brücke zu sein, und um den Iran auch anderen Nationen erzählen zu können.

In seinem Blog veröffentlicht er mehr seine Analysen über Entwicklungen im Iran. Mehdi schreibt auch gerne Gedichte, in denen er Themen wie Liebe, Frieden, Hoffnung behandelt. "Meinungen und Kommentare schreibe ich eher in Twitter oder Facebook", sagt er. Über die schlimmen Erfahrungen seiner Freunde im Iran möchte Mehdi nicht erzählen. Viele von ihnen wurden verhaftet und waren unter schlechten Haftbedingungen. Mehdi bloggt mit der Hoffnung auf mehr Freiheit und Demokratie im Iran. Doch der Wunsch nach Veränderung müsse erst in den Köpfen passieren, sagt Mehdi.

Autorin: Irem Özgökceler

Redaktion: Conny Paul