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Blogger spekulieren beim Parteienpoker munter mit

Alexandra Leipold20. September 2005

Die Statements von deutschen Bürgern zur Bundestagswahl 2005 sind mittels Fernsehen und Radio hinreichend bekannt. Doch wie hat eigentlich die "Blogosphäre" die Ereignisse vom Sonntag (18.9.) erlebt?

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Was täte die deutsche Medienlandschaft ohne ihre Weblogs? Während Fernsehkameras am Wahltag ihre Linsen vorwiegend auf wichtige Krawattenträger, potenzielle Bundeskanzleramtsanwärter und nichtkoalierungswillige Partei-Spitzenkandidaten hefteten, konnte der virtuell veranlagte Wahlbeobachter im Internet interessante Eindrücke am Rande des Spektakels gewinnen. So war zum Beispiel bei "wahlblog05" aus erster Hand zu erfahren, wie die Gäste im Willy-Brandt-Haus verpflegt wurden.

Wahlen Deutschland Gerhard Schröder
Bei der Elefantenrunde gab sich Gerhard Schröder streitlustigBild: AP

Die SPD hatte auf Currywurst gesetzt. Da ließ sich nur guten Appetit wünschen, zumal in den nächsten Wochen auf sie ebenso wie auf alle anderen Parteien wohl noch einiges zukommt, was schwerer zu schlucken sein wird.

Ungewissheit bleibt

Bei einem Wahlergebnis, das weder eine klare Mehrheit für Rot-Grün noch eine Regierungshoheit für CDU und FDP erbrachte, macht sich die Bloggergemeinde so ihre Gedanken, wie es denn nun weitergehen soll. Bei "spielverderber.twoday.net" sieht "moccalover" alles andere als ein Licht am Ende des Tunnels: "In der Tat - das Ergebnis spiegelt die Lage vortrefflich wieder. Der Kanzler wollte über die Wahl eine Entscheidung hervorrufen, doch die Wählenden haben den Patt, den sie hätten beseitigen sollen, nur bekräftigt."

Das Gefühl in einer politischen Sackgasse zu stecken, schilderte auch Sven Lehmann am Wahltag bei "wahlblog.de": "Deutliche Verhältnisse sind noch weniger zu erkennen als vor der Wahl. Es ist spannend, wie es gelingen soll, mit diesen (ja schon jahrelangen) 'Geradeso-Regierungen' Deutschland auf einen neuen Kurs zu bringen."

Wie der nun genau aussehen soll, darüber streiten sich bislang die Verantwortlichen und diese "kindergartenartigen Grabenkämpfe" bringen viele Blogger wie Salomé beim "buergerblog" auf: "Deutschland steht am Scheideweg, und der führt nur über die Brücke des Konsens, nicht über die der aufs Biegen und Brechen Reformierens ohne Volkes Stimme gehört zu haben."

Elefantenrunde als großes Thema

Kanzlerkandidatin Angela Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung
CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel steht vor einer BewährungsprobeBild: AP

Von Konsensbereitschaft zeigten sich die Politiker in der Elefantenrunde am Sonntag (18.9.) aber weit entfernt und speziell der Auftritt von Gerhard Schröder sorgte für reichlichen virtuellen Diskussionsstoff. Markus Schlegel konnte dem Bundeskanzler bei "wahlblog.de" nur Inkompetenz attestieren: "Kanzler Schröder hat durch seinen Auftritt im Elefanten-Studio gezeigt, dass er zu einer realitätsnahen Einschätzung der Situation kaum mehr in der Lage ist." Sein "Anspruch auf die Macht" würde jedoch keinesfalls ausreichen "um einem tief zerrütteten Land den Eindruck zu vermitteln, er nehme vor allem die Sorgen der Menschen vor Ort ernst."

Das Zeugnis für Angela Merkel fiel vielerorts nicht besser aus. Aus der Sicht von Mathias Fischer vom "wahlblog05" kommt noch einiges auf die CDU-Spitzenkandidatin zu: "Es sieht so aus, dass Merkel entweder Schröder in der SPD stürzen oder FDP und Grüne an eine enge Leine legen muss."

Namibia Flagge
Flagge von Namibia

Und die Gegenseite sieht gar noch dunklere Wolken am schwarz-gelben Horizont in Gestalt der CDU-Ministerpräsidenten heraufziehen. So wirft SPD-Politikerin Andrea Nahles in ihrem Wahlblog "Von Herzen links" derzeit die Frage auf, ob "Angela Merkel morgen noch für die CDU/CSU die Koalitionsverhandlungen leiten" wird?

Kritik für die FDP

Doch auch die kleinen Parteien sorgten für Kontroversen, allen voran die FDP mit ihrer durch Guido Westerwelle vertretenen Erklärung, keinesfalls eine Koalition mit Rot-Grün eingehen zu wollen. Während Sebastian beim "Küchenkabinett" den FDP-Spitzenkandidat für sein "staatsmännisches Verhalten" beglückwünschte, sehen andere Blogger den "Purismus" der Partei und den Rückzug "in den Schmollwinkel des verwirrten Siegers" kritisch. "Nach meiner Ansicht sind Wählerstimmen auch Verantwortung, und zwar die Verantwortung, konstruktiv an der Regierungsbildung mitzuarbeiten. Mit einem derart großen Stimmenblock von beinahe 10 Prozent, der somit automatisch der Opposition zugeschlagen wird, erhöht die FDP die Hürde, die eine neue Koalition überspringen muss", so "lambach".

Doch wie wird Koalition und Opposition in Deutschland überhaupt künftig aussehen? Da gibt sich auch die Bloggergemeinde allerlei Spekulationen hin. Durch den angedeuteten Rückzug von FDP und Grünen in die Opposition mit der Linkspartei, die "sowieso noch nie regieren wollte", sieht sich Frank Hamm beim "buergerblog" schon bald mit einer großen Koalition konfrontiert.

Mit Optimismus tun sich manche bei dieser Vorstellung allerdings schwer. "Ellebee" vom "wahlblog05" erwartet ein "Chaos im Elefantengehege": "Was auch immer rauskommen mag, es wird auf jeden Fall eine Zwangsheirat mit zu vielen Kompromissen."

Abenteuerliche Alternativen

Aber vielleicht muss es ja nicht immer Altbewährtes sein. So wirbt "Hackmeck" bei "fuckup.twoday.net" dafür, doch einmal die abgegriffenen Möglichkeiten "Jamaika-Koalition" und "Ampel-Bündnis" außer Acht zu lassen und es stattdessen mit einer "Namibia-Koalition" zu versuchen. Würde man Schröders Argumentation vom Sonntag (18.9.) folgen und die Union in CDU und CSU auseinanderdividieren, könnte man mit den Farben rot, grün und blau mal etwas "Kreatives" ausprobieren - das Einverständnis der CSU natürlich vorausgesetzt.

Doch wie genau es nun weitergeht, das vermag selbst der erfahrenste Blogger nicht zu prophezeien und so kann man nur mit dem schließen, was "dirks" zwei Tage nach der Wahl bei "bembelkandidat.blogg.de" publizierte: "Es bleibt derweil auch der Blogosphäre nur das Kaffeesatzlesen, es sei denn, ein Politiker veröffentlicht die Koalitions-Sensation, auf die alle warten, zuerst in seinem Blog."