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Blogger Ayari in Tunesien verurteilt

Sarah Mersch3. März 2015

Ein tunesisches Militärgericht hat den Blogger Ayari wegen Verleumdung der Armee zu einer Haftstrafe verurteilt. Aktivisten befürchten, dass ein Präzedenzfall geschaffen wurde.

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Tunesien Proteste für die Freilassung des Bloggers Yassine Ayari
Bild: AFP/Getty Images/F. Belaid

Nicht einmal eine Minute dauerte die Urteilsverkündung: Als Yassine Ayari das Urteil hört, reckt er die Hand zum Victory-Zeichen in die Luft, dann wird er aus dem Saal des Militärgerichts abgeführt und zurück ins Gefängnis gebracht. Dass der 33-Jährige sich trotz der Verurteilung offenbar freute, hat einen Grund: Die Strafe wurde von drei Jahren auf zunächst ein Jahr und jetzt im Berufungsverfahren auf sechs Monate gesenkt. Den Demonstranten vor dem Gericht ist das aber zu wenig, sie hatten auf einen Freispruch gehofft.

Auch Yassine Ayaris Frau wischt sich die Tränen aus den Augen und wendet sich ab, als sie das Urteil erfährt. Die Mutter des Bloggers resümiert: "Das war ein politisches Verfahren, nicht mehr und nicht weniger." Die jungen Tunesier hätten noch einen langen Weg vor sich, der nicht einfacher werde. "Yassine hat den Anfang gemacht, ihr müsst jetzt übernehmen", sagt sie.

Schwerwiegende Vorwürfe gegen die Armee

Yassine Ayari war im vergangenen Jahr in Abwesenheit wegen Beleidigung der Armee zu drei Jahren Haft verurteilt werden. Bei seiner Rückkehr aus dem Ausland wurde er am 24. Dezember 2014 am Flughafen verhaftet und dem Militärrichter vorgeführt. Gegen die damals verkündete einjährige Haftstrafe legten seine Anwälte Berufung, so dass heute dass Urteil im Berufungsverfahren gefällt wurde.

Auf Facebook hatte Ayari, der schon vor dem Umbruch in Tunesien 2011 als Blogger aktiv war, das tunesische Verteidigungsministerium kritisiert. Unter anderem beschuldigte er die Armee, einen Anschlag mutmaßlicher islamistischer Terroristen, bei dem im vergangenen Sommer 15 Soldaten getötet worden waren, nicht verhindert zu haben, obwohl die Armee im Vorfeld von den Plänen gewusst hätte. Dafür habe er Beweise und sei bereit, sie einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Verfügung zu stellen, so Ayari damals. Er wurde daraufhin wegen Diffamierung und Zersetzung der Truppenmoral angeklagt. Für Ayaris Unzerstützer ist das ein Unding: "Er hat das Recht, die Armee zu kritisieren. Wir haben doch Meinungsfreiheit hier, dafür haben wir die Revolution gemacht", schimpft die Demonstrantin Boutheina, die am Morgen der Urteilsverkündung zum Gericht gekommen war.

Tunesien Freiheit für den Blogger Yassine Ayari
Demonstraten fordern Freiheit für den Blogger Yassine AyariBild: DW/S. Mersch

Armee genießt in Tunesien guten Ruf

In der tunesischen Öffentlichkeit war das Verfahren gegen den Blogger, dessen Vater als Oberst beim Militär im Mai 2011 bei einem Anschlag ums Leben gekommen war, gemischt aufgenommen worden. Das Bild der Armee ist in der Bevölkerung positiv besetzt, Kritik nicht immer gerne gesehen. Das gilt gerade in Zeiten, in denen terroristische Anschläge häufig Opfer auch unter den Sicherheitskräften fordern. Yassine Ayari hatte sich in der Vergangenheit immer wieder provokant geäußert und die staatlichen Institutionen angegriffen. Entsprechend schwach war der Protest bei der Urteilsverkündung. Nur wenige Dutzend Demonstranten kamen, um Yassine Ayari zu unterstützen.

Ayari als Präzedenzfall?

Yasmine Kacha, die das Büro der Organisation Reporter ohne Grenzen in Tunis leitet, kritisiert, dass das Verfahren vor einem Militärgericht durchgeführt wurde, obwohl der Angeklagte ein Zivilist ist. "Es ist untragbar, dass ein Blogger wegen Verleumdung der Armee von der Armee gerichtet wird. Sollte er das Militär diffamiert haben, dann muss das vor einem Zivilgericht verhandelt werden." Hinzukomme, dass das tunesische Pressegesetz für Verleumdung eigentlich nur eine Geldstrafe vorsehe. Kacha befürchtet deshalb, dass durch das Verfahren gegen Yassine Ayari ein Präzedenzfall geschaffen wird. "'Beleidigung der Armee' kann alles und nichts werden. Dadurch kann morgen ein Whistleblower, der wichtige Informationen der Öffentlichkeit preisgibt, dafür angeklagt werden."

Yasmine Kacha Reporter ohne Grenzen
Die Medienaktivisten Kacha befürchtet einen PräzedenzfallBild: DW/S. Mersch

Yassine Ayari hat bereits einen Teil seiner jetzt sechsmonatigen Gefängnisstrafe abgesessen, so dass er voraussichtlich im Juni 2015 freikommen wird.