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Blogs und ihre Macher: Die Aussteiger

22. September 2016

Den Job kündigen, das Haus verkaufen und mit den Kinder auf Weltreise gehen: Thor und Hanne Marie Braarvig haben sich getraut und schreiben darüber - in ihrem Blog "Sechs paar Schuhe".

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Meerblick – Gili Islands
Bild: Thor Henrik Braarvig

Es ist ein Traum, den so manche haben, zwei Norweger machen ihn wahr: Die Norweger kaufen sich ein One-Way-Ticket nach Bangkok und brechen im Juni 2015 mit ihren vier Kindern (3, 4, 6 und 9 Jahre) auf. Es wird das Abenteuer ihres Lebens - und eine Reise zu sich selbst.

Deutsche Welle: Manche Eltern verzweifeln schon bei einer Zugfahrt von Berlin nach Hamburg. Wie schwierig muss es erst sein, mit kleinen Kindern auf Weltreise zu gehen?

Thor Braarvig: Wenn man plant, ein Jahr lang unterwegs zu sein, muss man definitiv viel vorbereiten. Als Familie reist man auch mit einer anderen Einstellung: Mit vier kleinen Kindern geht's eben nicht jeden Tag auf eine Gipfelwanderung oder Stadtrundfahrt - weswegen es aber nicht weniger schön ist.

Thor und Hanne Marie Braarvig – New Plymouth
Wollten ein neues Kapitel in ihrem Leben aufschlagen: Thor und Hanne Marie BraarvigBild: Thor Henrik Braarvig

Wie sah euer Reiseplan aus?

Wir hatten keinen [lacht]. Anfangs waren wir ein paar Wochen in Norwegen und haben da in einem Tipi im Wald gelebt. Von dort aus ging es mit einem One-Way-Ticket nach Bangkok, Ko Samui, Malaysia, Bali, Australien, Tasmanien, Neuseeland und am Ende zurück nach Norwegen.

War das für die Kinder nicht ganz schön herausfordernd?

Doch, auch. Vor allem Bangkok war erstmal ein Kulturschock für sie, auch wegen der Hitze. Nachdem wir eine Weile im Land unterwegs waren, haben wir aber gemerkt, dass die Kinder es sehr genießen, viel über andere Lebensweisen und Regionen der Welt zu lernen. Das hat sie selbstbewusster gemacht. Außerdem waren wir ja nicht alle drei Tage woanders.

Apropos Lernen: Wie habt ihr das mit der Schule während der Reise geregelt?

Wir haben die Kinder vor der Abreise bei einer Homeschooling-Organisation in den USA angemeldet, mit der wir den Stoff abgestimmt haben. Auch wenn unsere Betreuerin anerkannt hat, dass die Kinder durch das Reisen viel mitbekommen, mussten die beiden Großen trotzdem jeden Abend eine Stunde deutsche Bücher lesen.

Waschzuber
Familienurlaub: Vier Kinder im GlückBild: Hanne Marie Braarvig

Wie finanziert man so eine Weltreise für sechs Personen eigentlich?

Wir hatten 20.000 Euro gespart, was nicht viel ist. Denn meistens können Kinder nur bis zum Alter von zwei Jahren umsonst fliegen, und Kindertarife gibt es danach auch nur bei großen Fluggesellschaften. Deshalb wollte ich von unterwegs viel per Laptop als freiberuflicher Übersetzer arbeiten. Aber wie das so ist: Ich habe viel weniger getan als gedacht, weile es im Ausland einfach viel zu entdecken gibt. Und dann kam auch noch unser Reiseblog dazwischen.

Wie kam es denn dazu?

Als feststand, dass wir die Reise machen, dachte ich relativ schnell ans Bloggen, weil ich gerne schreibe. Der Blog ist dann auch schnell gewachsen - im Moment haben wir bei Facebook knapp 10.000 Follower.

Wie erklärst Du Dir die große Resonanz?

Ich glaube, die Menschen haben Sehnsucht nach der Ferne und nach Zugehörigkeit. Und bestimmt glauben viele Menschen da draußen, dass sie mit Kindern nicht reisen können. Wir überzeugen sie vom Gegenteil. Außerdem geht es bei uns nicht nur um die Orte und Länder, die wir bereisen, sondern auch um unsere innere Reise als Familie.

Ko Tao – Tauchgang
Biologieunterricht ganz praktisch: Tochter Lydia beim Tauchen im Golf von ThailandBild: Hanne Marie Braarvig

Was meinst Du damit?

Meine Frau und ich sind in einer streng evangelischen Kirchengemeinde in Norwegen aufgewachsen - mit vielen Regeln, wahnsinnig viel Kontrolle und regelrechter Manipulation. Seinen eigenen Weg zu gehen, wurde dort nicht gern gesehen. Manche von uns durften nicht einmal heiraten, wen sie wollten. Mit Anfang 20 sind wir dann eigentlich nur deshalb von Norwegen nach Dortmund ausgewandert, weil wir dort eine eigene Gemeinde aufbauen sollten. Doch mit der Zeit begannen wir die vermeintlichen Grundsätze der Sekte Stück für Stück zu hinterfragen, auch weil wir in Deutschland aus einer anderen Kultur heraus "von außen" auf die Dinge geschaut haben. Über die Jahre haben wir uns so mehr und mehr von der Gemeinschaft und ihren Regeln distanzert. Vielleicht war die Weltreise so etwas wie der letzte Schritt in Richtung Selbstbestimmung, ein Aufbruch in unser eigenes Leben. Schließlich haben wir nicht umsonst einen freien Willen bekommen.

Flusswanderung – Ko Samui
Reisen ohne Plan: auch mit vier Kindern ist das möglichBild: Hanne Marie Braarvig

Wohin hat der euch geführt?

[lacht] In den Dschungel im Süden Thailands, wo wir in einem kleinen Bungalow direkt am Fluss gewohnt haben, mit einer Affenfamilie im Baum gegenüber. Uns war es vor allem wichtig, spontan zu sein, zur Ruhe zu kommen, die Kultur und die Menschen kennen zu lernen, fern ab der üblichen Sehenswürdigkeiten. Unterwegs haben wir relativ einfach gelebt, auch um zu sparen. Als wir dann meine Schwester auf ihrer Ranch in Tasmanien besucht haben, hat sich für uns bestätigt, dass uns ein einfaches Leben gefällt; außer Natur und einem Dach über dem Kopf brauchen wir eigentlich nicht viel. Diese Denkweise vom "Mehr durch Weniger" hat uns schon vor unserem Aufbruch begeistert. Eine eigene Wohnung ist aber schon wichtig. Das haben wir gegen Ende unserer Reise gespürt.

Ihr wart jetzt ein Jahr unterwegs und seid vor wenigen Wochen in Norwegen gelandet, eurer alten Heimat. Wie geht es für euch weiter? Packt ihr schon wieder die Koffer?

Wir haben Norwegen seit 13 Jahren nicht gesehen und kannten auch den Ort vorher nicht, in dem wir jetzt auf einem Biobauernhof leben. Deshalb ist es immer noch ein wenig so, als seien wir noch unterwegs. Ich schreibe von hier aus, wie es uns als Familie geht, mit der Suche nach dem Sinn im Leben. Und obwohl es sich hier gerade richtig gut anfühlt, haben wir den Vertrag für unsere Wohnung hier erstmal nur für ein Jahr unterzeichnet. Denn wenn man lange ganz frei war, ist es schwer, sich gleich wieder voll und ganz auf einen Ort festzulegen. Dafür gibt es da draußen in der Welt viel zu viele schöne Orte und Möglichkeiten.

Interview Matthias Steinbrecher und Taina Niederwipper