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Blutiger Sonntag im Irak

26. Oktober 2009

Zwei Selbstmordattentäter haben mitten in Bagdads Regierungsviertel nahezu zeitgleich mehr als 150 Menschen mit in den Tod gerissen. Über 500 wurden verletzt, viele von ihnen schwer.

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Ein Augenzeuge filmte eine der beiden Explosionen mit seinem Handy (Foto: AP)
Der Zeitpunkt, als eine der beiden Bomben explodierteBild: AP

Augenzeugen erklärten, die genaue Zahl der Opfer sei wegen der großen Wucht der Explosion vom Sonntag (25.10.2009) schwer zu ermitteln. Viele Menschen seien geradezu in Stücke gerissen worden. Es war die folgenschwerste Terrorserie im Irak seit zwei Jahren. Die US-Truppen hatten im Juli ihre Stützpunkte in den irakischen Städten geräumt und die Kontrolle an die irakischen Sicherheitskräfte übergeben. Seither hat die Gewalt im Irak wieder zugenommen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die "sinn- und wahllosen Gewalttaten, die sich erneut gegen Unschuldige richteten", scharf. Die US-Regierung nannte die Anschläge "schändlich" und "verabscheuungswürdig".

Der irakische Ministerpräsident Nuri el Maliki machte sich vor Ort ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung (Foto:AP)
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki machte sich vor Ort ein Bild vom Ausmaß der ZerstörungBild: AP

Die irakische Regierung machte das Terrornetz El Kaida und Anhänger der unter dem früheren Diktator Saddam Hussein herrschenden Baath Partei für das Blutbad verantwortlich. Ein Regierungssprecher vermutete einen Zusammenhang mit den im Januar stattfindenden Parlamentswahlen. Ministerpräsident Nuri al-Maliki, der sich direkt vor Ort ein Bild vom Ausmaß der Zerstörungen machte, ließ erklären, hinter dem Attentat steckten dieselben Kräfte, die im August ähnliche Anschläge auf das Außen- und Finanzministerium verübt hatten.

Terror im Hochsicherheitsbereich

Die beiden Terroristen sprengten sich nach Angaben von Augenzeugen fast zeitgleich in die Luft. Der erste Attentäter brachte seinen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in der Nähe des Justizministeriums zur Explosion. Der zweite Terrorist zündete seine Autobombe neben dem Gebäude des Provinzrates. "Die Explosionen waren so schrecklich laut, dass jeder von Panik und Horror ergriffen wurde, und danach hing eine riesige Rauchwolke über der Stadt", sagte der Fotograf Habib al-Lami, der sich in einem benachbarten Hotel aufhielt. "Die Wucht der Explosion (vor dem Provinzratsgebäude) war so groß, dass die Leichenteile weit durch die Luft geschleudert wurden. Viele Menschen verbrannten in ihren Autos."

Ein irakischer Soldat steht vor dem schwer beschädigten irakischen Justizministerium in Bagdad (Foto:AP)
Schwer beschädigt: Das Justizministerium im Zentrum BagdadsBild: AP

Durch die Wucht der Explosionen wurden umliegende Gebäude stark beschädigt, Fensterscheiben gingen zu Bruch. Abwasserleitungen zerbarsten und setzten ganze Straßenzüge unter Wasser. Dichter Rauch hing über Bagdad, als Rettungskräfte verzweifelt nach Überlebenden in Häusertrümmern suchten. Verkohlte und verstümmelte Leichen wurden geborgen, ausgebrannte Fahrzeuge säumten die Straßen rund um die zerstörten Regierungsgebäude in der Nähe des Flusses Tigris.

Internationale Unterstützung und Anteilnahme

UN-Generalsekretär Ban habe mit Trauer und Bestürzung auf die Anschläge reagiert, erklärte sein Sprecher am Sonntag in New York. Er habe die Iraker aufgerufen, angesichts der Taten geeint den politischen Fortschritt des Landes zu sichern und am 16. Januar 2010 als Datum für landesweite Wahlen festzuhalten. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft verurteilte die Anschläge ebenfalls. Die Arabische Liga sagte der irakischen Regierung Unterstützung bei allem zu, was dazu diene, Recht und Gesetz herzustellen und Gewalt und Terror zu bekämpfen.

"Diese Bombenanschläge dienen keinem anderen Zweck als unschuldige Männer, Frauen und Kinder zu töten", teilte US-Präsident Barack Obama mit. Die Attentate offenbarten "die hasserfüllten und zerstörerischen Ziele jener, die dem irakischen Volk die Zukunft verweigern, die es verdient". Nach Ansicht von US-Außenministerin Hillary Clinton versuchten die Hintermänner des Anschlags, den "beeindruckenden Fortschritt" der Iraker in Richtung Stabilität zunichte zu machen.

Auch die Bundesregierung in Berlin verurteilte die "feigen Anschläge" in einer Erklärung von Außenamtssprecher Andreas Peschke auf das Schärfste. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sprach dem irakischen Präsidenten Dschalal Talabani und den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Er sei zuversichtlich, dass die irakische Regierung und die Bürger des Landes einmal mehr Kraft und Mut fänden, um am Wiederaufbau ihres Landes weiterzuarbeiten, erklärte Sarkozy.

Zahl der Anschläge steigt wieder

Spuren des Terrors: Der Anschlag auf das Außenministerium am 24.08.2009 (Foto: AP)
Spuren des Terrors: Der Anschlag auf das Außenministerium am 24.08.2009Bild: AP

Erst im August hatten Attentäter Bombenanschläge auf Regierungsgebäude in Bagdad verübt. Damals starben über 100 Menschen. "Die Anschläge tragen die Handschrift von El Kaida und Baath-Extremisten. Sie ähneln denen vom vergangenen August", sagte der Regierungssprecher Ali al-Dabbagh. Auch die Attentate vom Sommer gingen nach Ansicht der Behörden auf das Konto der Baathisten. Das Blutbad vom Sonntag war das folgenschwerste seit August 2007. Damals starben bei Bombenanschlägen auf zwei Dörfer nahe Mossul im Nordirak rund 500 Menschen. Hunderte weitere wurden verletzt.

Zwar war die Gewalt im Irak zuletzt deutlich zurückgegangen, doch Anschläge wie der am Sonntag oder jener im August schüren neue Zweifel, dass die Iraker die Sicherheitslage auch ohne die Hilfe ausländischer Truppen in den Griff bekommen können, zumal die irakischen Sicherheitskräfte bei den Anschlägen vor zwei Monaten Fehler einräumten. Oppositionelle Politiker warfen nach dem Anschlag am Sonntag den Sicherheitskräften vor, erneut versagt zu haben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die US-Soldaten bis Ende 2011 völlig aus dem Land zurückziehen wollen.(fg/dpa/Reuters/AP)

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