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Die ewige Dunkelheit und das Saxophon

15. April 2010

Heavy Metal ist laut aggressiv und hart, normalerweise. Doch es geht auch anders: Bohren & der Club Of Gore sind langsam, leise und minimalistisch. Sie machen Metal mit den Mitteln des Jazz.

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Die Band "Bohren & der Club Of Gore" (Foto: Uli José Anders)
Bild: Uli José Anders

"Für Doom, also für langsame Musik haben wir ja schon immer ein Faible gehabt", erinnert sich Morton. Und deshalb war klar: Hier muss ein Machtwort her. "Dieses 'spiel mal schnell und spiel mal langsam' wollten wir nicht mehr. Wir wollen ein durchgehendes Feeling, einen durchgehenden Sound." Und der ist langsam und düster, begleitet von einer wohligen Melancholie, und er verzichtet völlig auf Gitarren. Stattdessen hört man Saxofon, Vibrafon und Kontrabass.

Die Band "Bohren & der Club Of Gore" (Foto: Uli José Anders)
Machen Musik, die langsam und düster klingtBild: Uli José Anders

Langsamer und langsamer präsentiert sich der Club von Album zu Album. Höhepunkt dieser Entwicklung ist "Geisterfaust" aus dem Jahr 2005. Der Rhythmus ist hier so aufgelöst, dass er schon fast nicht mehr auszumachen ist. Für den Saxophonisten Christoph ist "Geisterfaust" das klassische Album der Band. Sein persönlicher Meilenstein. "Wir spielen da weniger fühlbare Rhythmen, sondern Akzente", sagt Christoph. "Wir wollten uns befreien und uns gleichzeitig ein Feld schaffen, um wieder etwas anderes zu machen. 'Dolores' ohne 'Geisterfaust' wäre nicht gegangen."

Kein Licht im Tunnel, oder doch?

Nach Geisterfaust zelebriert das aktuelle Album "Dolores" wieder die süße Schwere der Dunkelheit. Immer tiefer wird der Hörer ins Nichts gezogen. Drei Stücke dauert es, bis der erste Lichtstrahl, in Form von Christophs Saxophon, den Hörer aus gefühlter, ewiger Dunkelheit in ein trübes Morgengrauen reißt; nur, um ihn gleich wieder fallen zu lassen.

CD-Cover "Dolores" (Foto: DW)

Spätestens hier wird klar: Bohren ist keine Jazz-Band. Die Attitüde ist noch immer die eines Metallers, der Effekt gezielt. Bohren improvisiert nicht, Bohren konzipiert. "Das ist es auch was uns vom Jazz unterscheidet. Unsere Stücke sind ab einem bestimmten Punkt verbindlich", die Trennung vom Jazz ist Christoph wichtig, "man kommt durch Improvisieren zu einem bestimmten Ergebnis, aber irgendwann sagen wir: So soll es sein und so wird das jetzt gespielt."

Bohrens Musik könnte man beim ersten Hören als Hotel-Lobby-Musik empfinden. Sie ist ruhig, sie trägt, doch schafft sie es immer wieder einen leicht zu verstören. Alles ist sehr gediegen doch irgendwo lauert das Nichts. So setzt die Band sich dann auch live um. Auch hier zählt, wie immer bei Bohren, ausschließlich Bohrens ureigenes Konzept: "Man steht an der Bar, trinkt sich einen und im Hintergrund spielt die Band, der man jetzt zuhört, oder auch nicht", schwärmt Morton, "da spielen halt welche, schöne Musik und alle sind betrunken."

Headbanging bei 28 bpm

Die Band "Bohren & der Club Of Gore" (Foto: Uli José Anders)
Immer ein wenig diffus und unkonkretBild: Uli José Anders

Der Zuschauer wird, bis auf ein paar Ansagen, mit sich, seinen Empfindungen und der Musik völlig alleine gelassen. Im dunklen Keller, die Hand nicht vor den Augen sichtbar, vibrieren die Bässe durch den Körper. Ketten mit Haken hängen von der Decke und kleine Strahler beleuchten gerade mal die kahl rasierten Köpfe der Musiker. Das Saxophon flüstert Erlösung. Morten posiert dabei immer noch wie ein Altmetaller – nur das er jetzt in Zeitlupe headbangt. Irgendwie träumt er dabei immer noch von Stagediving, der Mano Cornuta und Gesang aus 1000 Kehlen. "Wär' mal gut, wenn wir so einen Mitklatschpart hätten: Ei oh – jetzt alle!", sagts und springt auf, "so wie bei Iron Maiden, so einen Chor."

Autor: Uli José Anders
Redakteur: Matthias Klaus