1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

'Dicke Bretter'

Das Interview führte Hisham Adem5. Januar 2008

Über die Ergebnisse der US-Vorwahlen in Iowa sprach DW-WORLD.DE mit Josef Braml, Amerika-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

https://p.dw.com/p/CkkK
DW-WORLD.DE: Barack Obama ist eindeutiger Sieger der ersten Vorwahlen. Überrascht Sie dieser klare Sieg? Josef Braml: Nein, wenig. Ich denke, Barack Obama ist der Kandidat des Wandels, "candidate of change", und wenn man sich die Wahlbeteiligung ansieht, dann waren es doch sehr viele junge Wähler, die hier zum ersten mal teilgenommen haben, fast 60 Prozent, und die haben mit großer Mehrheit für ihren Kandidaten Obama gestimmt. Welche Signalwirkung haben die Ergebnisse in Iowa auf den weiteren Verlauf der US-Wahlen? Hier muss man sehr vorsichtig einschätzen. Wenn man die bisherige Vorwahlgeschichte betrachtet, dann ist es so, dass durchaus Kandidaten die ersten caucuses und primaries unterschätzt haben, in Iowa und New Hampshire ihr Lehrgeld zahlen mussten. So Howard Dean, der Iowa unterschätzte, John Kerrry an ihm vorbei ziehen konnte und später Kandidat wurde. Dann gibt es aber auch andere Erfahrungen, wie Bill Clinton, der weder Iowa noch New Hampshire gewinnen konnte, aber später dennoch der Nominee seiner Partei wurde und dann US-Präsident wurde. Also man sollte die ersten caucuses und primaries in Iowa und New Hampshire nicht unterbewerten, aber auch nicht überschätzen. Konkret auf die aktuellen Vorwahlergebnisse in Iowa bezogen, würde ich mit Blick auf Hillary Clintons Chancen sagen, dass sie nunmehr in der Pflicht steht, die nächsten für sich zu entscheiden, sonst könnte ihr Herausforderer Obama mehr Momentum gewinnen, wie es in Amerika heißt, und ihr dann den Rang ablaufen. Aber ich traue es ihr durchaus zu, dass sie über lange Sicht noch die Wahlen im Rest des Landes für sich gewinnt. Obama vertritt einen klaren Kurs in der Außenpolitik. Hat die Außenpolitik des amtierenden Präsidenten George W. Bush ihm dabei geholfen? Ja, er ist der einzige ernstzunehmende Kandidat, der sich sehr früh gegen den außenpolitischen Kurs George W. Bushs, vor allem gegen den Kriegskurs im Irak, geäußert hat. Das hat Hillary Clinton nicht getan, und das wird ihr zum Problem. Es kann sein, dass die Probleme im Irak für Amerika geringer werden und damit auch die so genannte "salience", die Bedeutung des Problems für den Wahlkampf, zurück geht. Sollte aber Irak weiterhin ein Problem bleiben oder noch ein größeres werden, dann, würde ich sagen, wird Obama mit seinem klaren Kurs gegen den Krieg im Irak Hillary Clinton weiterhin das Leben schwer machen. Worauf soll sich Europa im Wahlkampf einstellen? Ich denke, dass der Kurswechsel, so sehr er jetzt auch im Wahlkampf propagiert wird, nicht allzu groß ausfallen kann und wird. Es gibt sicher Änderungen im Detailbereich und ich kann mir nicht vorstellen, dass der nächste Präsident die Gefangenenlager auf Guantanamo weiterführt oder auch die habias corpus Rechte von Inhaftierten, von mutmaßlichen Terroristen, außer Kraft setzt, wie es George W. Bush gemacht hat. Ich denke, hier wird es eine Kurskorrektur geben. Auch in der Energiepolitik erwarte ich einen Kurswechsel und vielleicht auch in der Handelspolitik - in der letzteren sogar dahingehend, dass Amerika zusehends nationalistisch argumentiert, protektionistisch handeln wird, insbesondere wenn die Demokraten die Wahlen gewinnen sollten.
Aber im grundlegenden außenpolitischen Kurs, denke ich, gibt es nicht allzu große Veränderungen, auch weil ein zweiter wichtiger politischer Akteur, der Kongress, noch mit hineinspielt und es hier bestimmte Pfadabhängigkeiten und Partikularinteressen gibt. Es ist eine Sache, im Wahlkampf den großen Wandel zu versprechen, aber eine andere, in der konkreten Politik dann auch wirklich Veränderungen herbeizuführen. Das ist "Bohren dicker Bretter", wie man hier in Deutschland seit Max Weber sagt. Der jeweilige Kandidat muss dann erst zum Präsidenten wachsen, wenn es darum geht, seine Versprechen in mühsamer Detailarbeit - nicht zuletzt auch in Zusammenarbeit mit dem Kongress, der nicht unterschätzt werden darf - dann auch wirklich in praktische Politik umzusetzen.