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Bollywood in Berlin

Sonia Phalnikar22. Juni 2003

In deutschen Clubs groovt man zu den Rhythmen von Bollywood – eine Mischung aus Bhangra und Indipop, verbunden mit Reggae- und Hip-Hop-Elementen. Indiens Musik- und Filmindustrie sorgt für einen neuen Trend.

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Der indische Film und seine Musik setzten neue Trends

Die Tanzfläche in Berlins Café Global ist leer. Zu früh noch für die Bollywood Party. Die Klänge einer nicht definierbaren orientalischen House-Musik schweben durch die ausgedehnten Räumlichkeiten – während die frühen Clubber noch herumstehen, ihre Drinks in den Händen halten und die perfekt choreografierten Tanz-Szenen eines indischen Films auf der riesigen Leinwand verfolgen. Plötzlich stoppt die Musik und der DJ legt neu auf. Bald darauf ertönen die unverwechselbaren Bhangra Rhythmen, später dröhnt Punjabi Pop aus den Lautsprechern. Der Raum ist mit einem Schlag elektrisiert. Die Menge legt hüftenschwingend los, die Party-People bewegen sich mit fliegenden Köpfen zum ansteckenden Beat und schwenken die Hände.

Trendy Bollywood

Während Bollywood in London oder Paris bereits einen regelmäßigen Bestandteil der Club-Szene darstellt, ist der Trend in Berlin gerade erst angekommen. Der Begriff "Bollywood" bezeichnete ursprünglich ein Film-Genre, das aus endlosen, extravagant in Szene gesetzten Tanz-Szenen, kitschigem Melodrama und herzerweichenden Herz-Schmerz-Liedern besteht. Heute wird die Bezeichnung ebenso verwendet, um die boomende Club-Szene zu beschreiben. Bollywood beinhaltet hier eine breite Palette von Bhangra- oder Punjabi Pop und Hindi-Film-Musik – aufgefrischt mit Reggae, Hip-Hop und Techno-Elementen.

Wekas Gaba ist zwar erst 23, aber dennoch bereits zu einem der Größten der Szene aufgestiegen. Seit letztem Oktober organisiert der afghanische Student indischen Ursprungs Bollywood Partys in der Berliner Club-Szene. Ursprünglich hatte er einfach für die indische Community in Berlin auflegen wollen, doch nachdem er feststellte, dass die Menschen "plötzlich großes Interesse für indische Filme und Musik zeigten", expandierte er sein DJ-Programm "Club Deewane" für ein größeres Publikum.

Lifestyle auf indisch

Filmplakat Bollywood
Filmplakat Bollywood

Inzwischen legt Gaba regelmäßig im trendigen Stadtteil Berlin-Mitte in Clubs wie zum Beispiel dem Oxymoron auf. Ein fester Bestandteil von Gabas farbenprächtigen Partys sind die Screenings indischer Filme – gespickt mit extravaganten Song- und Tanz-Szenen sowie märchenhaft gekleideten Filmstars. Oft werden aber auch DJ's vom indischen Subkontinent eingeflogen, um die letzten Bollywood Trends oder Bhangra Pop aus den indischen Charts vorzustellen.

"Unser Ziel war es, den indischen Lifestyle auf unseren Partys zu verbreiten, der hauptsächlich von Musik, Tanz, Mode und Film bestimmt wird", erklärte Gaba gegenüber DW-WORLD. "Wir haben erkannt, dass die Menschen hier in Europa plötzlich die elegante und stylische indische Mode und Musik entdecken."

Tanz den Bollywood

Um sicherzustellen, dass die Europäer auf den Bollywood-Partys nicht vor der Tanzfläche zurückschrecken, bietet ein Tanzstudio im Prenzlauer Berg in Berlin eine Einführung in die Bewegungen zu der Film-Musik aus Hindi-Filmen an. Die 30-jährige Elissavet Angu, griechisch-indischer Herkunft, hat in Indien klassischen Tanz studiert und unterrichtet nun den indischen Tanzstil. Sie berichtet von ihrer Erfahrung, dass die meisten jungen Menschen, die zu Bollywood tanzen wollen, entweder von den Bollywood Filmen fasziniert sind, gerade in Indien gewesen und daher von der Kultur überwältigt sind oder einfach nur interessiert sind, weil Indien gerade "in" ist.

Bhangra – Was ist das?

Bhangra ist eigentlich ein Volkstanz und –lied, das in der Erntesaison in der nordindischen Provinz Punjab (Pandschab) getanzt und gesungen wird. In den letzten Jahrzehnten mischte sich die Ursprungsform mehr und mehr mit Reggae-Rhythmen, Hip-Hop, R&B und Garage-Einflüssen durch die indische Diaspora in Großbritannien.

Der indische Boom mag in Deutschland etwas unvermittelt erscheinen, aber niemand wird ernsthaft bezweifeln wollen, dass die Bhangra Pop Nummer "Mundian To Bach Ke" des britisch-asiatischen Künstlers Punjabi MC einer der Hauptgründe für den durchschlagenden europäischen Erfolg war. "Mundian To Bach Ke" stürmte im letzten Dezember auf den zweiten Platz der deutschen Charts und blieb monatelang hartnäckig unter den Top Ten. Der deutsche Erfolg des Songs hat dabei nicht nur Bhangra zu Popularität verholfen, sondern darüber hinaus Punjabi MC auch in seinem Heimatland Großbritannien zu Ruhm verholfen.

Ein echter Multikulti-Mix

Die indische Musik-Szene hat durch den Urban Karma Club im berühmten SO 36 Club im türkisch-deutschen Berliner Stadtviertel Kreuzberg eine weitere Entwicklung erfahren. Hier trifft Bhangra und Indi-Pop in einer monatlichen Multikulti-Party auf arabische, afrikanische, chinesische und japanische Rhythmen – mitten zwischen aufwendigen fernöstlichen Dekorationen und Diaprojektionen an den Wänden.

Wekas Gaba jedoch macht noch einmal klar: Das, was er unter dem Label Bollywood anbietet, sind tatsächlich Remixe indischer Film-Musik und aktuelle Pop-Versionen von Bhangra. "Wir machen uns nicht die Illusion, dass wir wirklich die indische Kultur unter Menschen bringen könnten. Ich wüsste nicht, wie man das macht", sagt er. Die Hauptsache sei es, dass alle Spaß haben. "Es kommen Leute auf mich zu, die sagen 'hey, das ist nicht wirklich meine Art von Musik, aber die Atmosphäre ist irgendwie fantastisch!' Und das ist es, was zählt."