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Bomben für den Bankzugang

Matthias von Hein28. Januar 2007

Im Februar wird die Fortsetzung der Atom-Gespräche mit Nordkorea erwartet. Das Scheitern der Gespräche vor einem Jahr hätten die USA ebenso verhindern können wie den anschließenden Atomwaffentest Pjöngjangs.

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Nordkoreas Diktator Kim Jong Il mit Offizieren (Archivbild), Quelle: AP
Nordkoreas Diktator Kim Jong Il mit Offizieren (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

"Das sind jedenfalls schlechte Nachrichten, die uns heute aus Nordkorea erreicht haben", sagte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Abend des 9. Oktober 2006. Es war der Tag des nordkoreanischen Atomwaffentests. "Und ich will hinzusetzen: schlechte Nachrichten nicht nur für die Weltgemeinschaft, schlechte Nachrichten auch für die eigene nordkoreanische Bevölkerung."

Nord- und Südkoreanische Raketen im Kriegsmuseum in Seoul, Quelle: AP
Nord- und Südkoreanische Raketen im Kriegsmuseum in SeoulBild: AP

In seltener Einmütigkeit verurteilte die internationale Staatengemeinschaft diesen Test. Der Weltsicherheitsrat benötigte nur fünf Tage, um einstimmig harte Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen. Selbst Nordkoreas langjähriger Verbündeter China fühlte sich von dem nordkoreanischen Test düpiert und trug die Entscheidung mit. "Alle 15 Mitglieder haben sich auf eine Antwort geeinigt, die wir für stark und angemessen halten", sagte Chinas UN-Botschafter Wang Guanghua vor der Presse.

Wütende Reaktion

Pjöngjang reagierte wutschnaubend und ließ durch seinen UN-Botschafter Pak Gil Yon Drohungen überbringen: "Sollten die USA den Druck auf Nordkorea weiter steigern, wird die Demokratische Volksrepublik Korea dies als Kriegserklärung begreifen und mit physischen Gegenmaßnahmen fortfahren."

Nimmt man die Aussage des UN-Botschafters beim Wort, war bereits der Atomtest selbst eine "physische Gegenmaßnahme" gegen bereits bestehenden Druck seitens der USA. In einem Interview mit CNN Ende Oktober bestätigt ausgerechnet US-Vizeaußenminister Christopher Hill diese Sicht der Dinge. "Sie haben mehr als ein Jahr lang die Verhandlungen wegen einer Bank-Angelegenheit boykottiert", erklärte Hill. "Sie haben also wegen 24 Millionen Dollar die Nuklear-Gespräche boykottiert und dann eine Atombombe zur Explosion gebracht."

Für Nordkorea ist diese Bank-Angelegenheit durchaus nicht so nebensächlich wie hier dargestellt - und Christopher Hill müsste das besser wissen als viele andere. Der Vize-Außenminister ist schließlich der Verhandlungsführer der USA bei den so genannten Sechs-Parteiengesprächen zur Lösung der Nuklearfrage in Peking. Und diese Bank-Angelegenheit hatte ihm selbst schon einen zum Greifen nahen Erfolg verhagelt: Im September 2005 nämlich war in Peking eine Grundsatzerklärung bei den Sechs-Parteiengesprächen zustande gekommen.

Fataler Domino-Effekt

Christopher Hill, Quelle: AP
Christopher HillBild: AP

Nordkorea hatte sich bereits zu einer Aufgabe seines Atomwaffenprogramms bekannt. Die USA, Russland, Japan, Südkorea und China wiederum stellten die Akzeptanz einer friedlichen Nutzung der Atomenergie durch Pjöngjang, die Lieferung von Ersatzenergie und weitere Wirtschaftshilfe in Aussicht. Zudem hatten die USA einen Gewaltverzicht erklärt und sich zu einer langfristigen Normalisierung der Beziehungen zu Nordkorea bekannt. Das Abkommen wurde zu Recht als Durchbruch gefeiert. Kaum aber war die Tinte des Vizeaußenministers unter dem Abkommen trocken, schlug das US-Finanzministerium zu. Sie verhängte Sanktionen gegen die Banco Delta Asia im Spielerparadies Macao. Dabei wurden nordkoreanische Konten in Höhe von 24 Millionen Dollar gesperrt.

Existenz bedrohend für Nordkorea wurden die Sanktionen durch einen von Washington ursprünglich vielleicht gar nicht vorausgesehenen Domino-Effekt: Innerhalb kürzester Zeit wurde Nordkorea komplett vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten. Jede Art von Handels- und Finanztransaktion für das ohnehin isolierte Land wurden damit noch schwieriger, als sie ohnehin schon waren. Was war passiert?

Beschuldigungen ohne Beweise

Das Finanzministerium hatte die Banco Delta Asia beschuldigt, Nordkorea Hilfestellung zu leisten bei der Geldwäsche aus Drogengeschäften und beim Handel mit Falschgeld. Diese Vorwürfe wurden nie öffentlich bewiesen. Das war auch gar nicht nötig. Unter Verweis auf den Patriot Act konnte das Finanzministerium alle amerikanischen Finanzinstitute anweisen, jeden Kontakt zur Banco Delta Asia zu unterbrechen. Die Drohung, den Zugang zum wichtigsten Finanzplatz der Erde zu verlieren, führte zu einem Run auf die Einlagen. Innerhalb von sechs Tagen wurde ein Drittel abgehoben. Umgehend kappte die Banco Delta Asia alle Verbindungen nach Nordkorea. Und weil der Fall der Banco Delta Asia als Warnung diente, folgten weitere Geldinstitute.

Abstimmung über Nordkorea im Sicherheitsrat im Oktober 2006, Quelle: AP
Abstimmung über Nordkorea im Sicherheitsrat im Oktober 2006Bild: AP

Beamte des US-Finanzministeriums halfen notfalls nach. Sie reisten in den folgenden Monaten durch Asien und rieten Banken nachdrücklich, sich aus dem Geschäft mit Nordkorea zurückzuziehen. Der sachlich vermutlich zutreffende Kern der Warnung: Es sei im Umgang mit Nordkorea nahezu unmöglich, zwischen legalen und illegalen Geschäften zu unterscheiden. Stolz konnte Finanzstaatssekretär Stuart Levy im September letzten Jahres in einer Rede in Washington vermelden, dass zwei Dutzend Banken freiwillig ihre Geschäfte mit Nordkorea aufgegeben hätten. Selbst China hat im Juli 2006 nordkoreanische Konten eingefroren. Zuletzt folgte im vergangenen Dezember Vietnam.

Heftige Reaktion

Nordkoreas Banken können Geld nicht elektronisch transferieren. Sie sind auf ein System von so genannten Korrespondenzbanken angewiesen. Kuriere transportieren große Geldbeträge in bar und zahlen sie bei diesen Banken ein. Nur über diesen Umweg konnte Nordkorea am internationalen Zahlungsverkehr teilnehmen. Und: die Banco Delta Asia war auch deshalb bei den Nordkoreanern so beliebt, weil hier auch große Bareinzahlungen am Schalter zum üblichen Geschäft gehören.

Angesichts der Bedeutung der Korrespondenzbanken für das nordkoreanische Regime fiel die Reaktion auf die US-Finanzsanktionen heftig aus: Am 6. November 2005 zog sich Nordkorea aus den Sechs-Parteien Gesprächen zurück. Erst nach Aufhebung der Finanzsanktionen wolle man wieder den Gesprächsfaden aufheben. Darauf ließ Washington sich nicht ein. Im einen Fall ginge es um kriminelle Aktivitäten, im anderen um das Atomprogramm. Beides habe nichts miteinander zu tun.

Im Sommer 2006 testete Pjöngjang eine Rakete, im Oktober folgte der Atomtest. Nordkorea ließ sich anschließend nur deshalb auf eine Fortsetzung der Sechs-Parteiengespräche in Peking ein, weil die USA parallelen Verhandlungen über die Finanzsanktionen zugestimmt hatten. In Berlin kam es Mitte Januar zu bilateralen Gesprächen zwischen Nordkorea und den USA, bei denen sowohl über die Finanzsanktionen wie auch über das Atomprogramm gesprochen wurde - ganz so, wie es Pjöngjang schon lange gewünscht hatte. Unter diesen Kompromiss verheißenden Vorzeichen schien man sich näher zu kommen.

Christopher Hill jedenfalls äußerte sich nach den Berliner Gesprächen optimistisch: "Die Vereinigten Staaten haben es sehr deutlich gemacht: Wir haben keinen Angriff oder eine Invasion von Nordkorea vor. Wir freuen uns vielmehr auf eine gute Beziehung mit einem Nordkorea ohne Nuklearwaffen."