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Reise

"Man spürt die Schwere der Geschichte"

Karin Jäger10. Januar 2012

Es gibt kaum ein Gebäude, das majestätischer auf einem Berg thront als das Petersberg-Hotel. Oberhalb Bonns trafen sich einst Pilger, später handelten Politiker Friedensabkommen aus. Heute steht das Haus jedermann offen.

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Luftaufnahme von Gebäudekomplex Petersberg bei Bonn
Der PetersbergBild: presse

Die schwarz-rot-goldene Fahne weht noch immer. Wer aus dem Rheintal bei Königswinter hinaufschaut, kann sie sehen. Den imposanten hellen Gebäudekomplex kann man aus westlicher Richtung, sogar aus 30 Kilometer Entfernung, gut erkennen. Majestätisch thront auf dem Petersberg im Siebengebirge das Hotel Petersberg. Hinter dem Gemäuer verbirgt sich ein Fünf-Sterne-Luxushotel.

Zufahrtsschild zum Petersberg mit Bundesadler und Hinweistafel 'Gästehaus' (Foto: DW)
Ab hier geht es nach obenBild: DW

Früher erklommen glänzende schwarze Limousinen regelmäßig die engen Kurven, um wichtige Staatsoberhäupter und ihre Entourage im Bundesgästehaus auf 331 Meter abzusetzen. Heute quälen sich Rennradfahrer und Mountainbiker die Serpentinen hinauf zu der historisch bedeutsamen Stätte, um sich anschließend am fantastischen Ausblick zu laben. Wanderer, die auf dem Rheinsteig im Naturschutzgebiet Siebengebirge unterwegs sind, saugen die reine Luft ein.

Der Mythos der Geschichte

Auch Spiridon Sarantopoulos spürt die Wirkung der Natur. Der Hoteldirektor nimmt aber auch "die Schwere der Geschichte" wahr.

Spiridon Santopoulos, Hotel-Direktor, steht am denkmalgeschützten Portal des Grandhotels 'Petersberg', bei Königswinter (Foto: DW)
Hausherr Spiridon Sarantopoulos, Hotel-DirektorBild: DW

Der Manager spürt sie nicht körperlich, aber er registriert sie "in jedem Winkel", in dem ein antikes Möbelstück steht, ein Bild, ein Gemälde hängt, dass mit der deutschen Geschichte in Verbindung steht.

Der Bund hat immer wieder versucht, das staatliche Gästehaus, das zum "Tafelsilber" zählt, zu verkaufen. Aber noch besteht ein Pachtvertrag mit dem Steigenberger-Hotel-Konzern bis 2019. In nächster Zeit schon will Spiridon Sarantopoulos das Imageproblem des Hauses lösen. "Die Gäste kommen mit einer gewissen Ehrfurcht, sogar Bewohner in und um Bonn sind erstaunt, wenn ich ihnen sage, dass sie als normale Sterbliche, ohne blauen Pass hier reinkommen."

Auf den Spuren der eigenen Vergangenheit

Die Dame, die in diesem Moment die Eingangshalle betritt, scheint dieses Gefühl, die "Schwere der Geschichte" zu spüren. Ehrfürchtig steht sie neben dem Teppich im Eingangsbereich, als traue sie sich nicht, ihn zu betreten. Nicht einmal royal-rot ist er und auch nicht besonders wertvoll, sondern zweckmäßig. Einen blauen Diplomatenpass hat sie nicht, aber einen belgischen wie ihr Mann. Und der hatte gerade Geburtstag. Diesen Anlass hat der Militärangehörige der Alliierten, der früher hier im Rheinland stationiert war, genutzt, um die persönliche Geschichte aufleben zu lassen und den Luxus im Hotel zu genießen. "Mehr als sehr gut", schwärmt die Ehefrau, die mit französischem Akzent nach Superlativen sucht, um ihrer "vollsten" Zufriedenheit Ausdruck zu verleihen. "Wir haben versprochen wieder zu kommen, und wir kommen bestimmt wieder", sagt sie zum Abschluss, ehe das Paar persönlich vom Hotelchef verabschiedet wird.

Essen wie Gott in Frankreich und reden wie Franzosen

Nicht nur Sarantopoulos wird sich auf ein Wiedersehen freuen, sondern auch Philippe Devinck. Auch er spricht Deutsch mit einem wunderbaren Akzent. "Gott weiß, dass ich mir Mühe gebe", beichtet er.

Philippe Devinck, stellvertretender Restaurantleiter (Foto: DW)
Immer voll motiviert - Philippe DevinckBild: DW

Andererseits hat er festgestellt, "dass mein Akzent scheint zu gefallen". Noch mehr Stolz macht sich in seinem Gesicht breit, wenn er erzählt, dass er gerade durch seine Aussprache mit vielen Gästen ins Gespräch kommt und immer wieder erfährt, wie beliebt doch Franzosen sind. 26 Jahre stand Philippe Devinck in Diensten von Frankreichs Botschaftern in der früheren Bundeshauptstadt. Wegen seiner Familie, die in Bonn heimisch geworden war, blieb er am Rhein, als die Bundesregierung und die ausländischen Botschaften nach Berlin umzogen. Nun arbeitet er seit genau elf Jahren auf dem legendären Petersberg. Zwar gerät er heute noch ins Schwärmen, wenn er vom exklusiven Porzellan erzählt, auf dem er früher die Gäste aus Diplomatenkreisen bediente. Seine Art im Umgang mit den Gästen ist geblieben. Würdevoll, charmant, zurückhaltend und doch aufmerksam umsorgt er sie. Die französischen Käsesorten sucht der stellvertretende Restaurantleiter höchstpersönlich aus. Wer sich für ein mehrgängiges Gourmet-Menü interessiert, kann die Speisekarten des Hauses vorab im Internet studieren.

Sich betten wie ein Staatsoberhaupt

Gratis gibt es den Blick von Bistro und Restaurant aus auf den Kastanienhain der Terrasse, den Rhein und die Eifelhöhen. Wer länger bleiben will, muss schon ein Zimmer buchen oder eine der Suiten, in denen früher ranghohe Politiker übernachteten. Wie die Hohen Kommissare der Alliierten, die nach 1949 die Gesetzgebungsprozesse der jungen Bundesrepublik begleiteten und überwachten.

Später logierten hier die Staatsgäste der Bundesregierung wie Königin Elizabeth, Michail Gorbatschow und Bill Clinton jeweils in der 250 Quadratmeter großen Präsidentensuite. Die Einrichtung ist bewusst edel, aber dezent gewählt. "Nelson Mandela hat hier ausschließlich auf dem Fußboden übernachtet", erfährt der Hotelgast bei einer Führung. Überall in den Zimmern, Hallen, Salons und an der Bar erinnern Antiquitäten und Bilder an die vergangene Zeit - allesamt Gastgeschenke und Momentaufnahmen von Banketten und Empfängen und Leihgaben des Bundes.

Leider geben sie keinen Aufschluss über die jeweilige Herkunft oder den Anlass. "Das ist alles Bundeseigentum", klärt eine Führerin auf.

Wertvolle Immobilie und geschichtsträchtiger Berg

Dem Staat gehört der gesamte Petersberg seit 1978. 18,5 Millionen D-Mark zahlte die damalige Bundesregierung der Familie Mühlens, die damals das Kölnisch Wasser "4711" vertrieb. Der Geschichtsinteressierte findet Reste früherer Geschichte auf dem Plateau wie die gemauerten Fundamente einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert oder Andachtskreuze, die Mönche im Mittelalter errichteten. Mit etwas Glück trifft der Wanderer im Wald Zeitzeugen wie Dr. Elmar Heinen, der mit seinem Berner Sennenhund unterwegs ist. Oder der Besucher findet den ehemaligen Juristen des Bundesernährungsministeriums im Siebengebirgsmuseum im Tal in Königswinter, wo er Bücher wälzt.

Zeitzeuge Dr. Elmar Heinen, Heimatkundler aus Königswinter (Foto: DW)
Heimatkundler Dr. Elmar HeinenBild: DW

Heinen hat Queen Elizabeth 1965 am Rheinufer zugewunken und weiß, was aus dem vierrädrigen Gastgeschenk für den früheren Staatschef der Sowjetunion, Leonid Breschnew wurde: "Der Mercedes hat nicht sehr lange gehalten, denn Breschnew meinte, er wolle den mal ausprobieren." Doch schon bei der Probefahrt auf der sehr kurvenreichen Straße landete er mit Totalschaden im Graben, erzählt der ältere Herr, der die ganze Geschichte des Berges, von der ersten Besiedlung keltischer Bauern im ersten Jahrhundert vor Christus bis zur Hochzeit des Formel-1-Rennfahrers Michael Schumacher wahrheitsgetreu nacherzählt. Eine Hotelmitarbeiterin hat sich von dem Spektakel erzählen lassen. "Der Berg war total abgesperrt. Auch die Mitarbeiter wurden kontrolliert, damit hier keine Fotos gemacht werden". Um zu verhindern, dass Paparazzi die noble Gesellschaft aus der Luft ablichten, feierte diese in weißen Zelten.

Bei Bedarf Hochsicherheitheitsgebiet

Ganz streng sind auch die Vorschriften, wenn strategisch wichtige Abkommen wie bei der Afghanistan-Konferenz auf dem Berg ausgehandelt werden. "Es gibt drei Sicherheitsstufen", erläutert eine Mitarbeiterin das Konzept. "Die erste beginnt ganz unten mit der untersten Schranke. Dann kommt gar niemand auf den Berg hoch. Die zweite Stufe sind die Zäune und die Kameras weiter oben. Und die dritte Stufe ist das Hotelgebäude an sich."

Überwachungskamera auf dem Petersberg (Foto: DW)
Wanderer können sich sicher fühlenBild: DW

Hoteldirektor Spiridon Sarantopoulos hat sich vorgenommen, die Türen künftig noch weiter zu öffnen. Er will erreichen, dass Touristen und Einheimische nicht aus Ehrfurcht vor dem historischen Grandhotel im Naturschutzgebiet Siebengebirge einen Bogen machen.