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Deutsch lernen in Indien

11. Juni 2010

Der wirtschaftliche Aufstieg Indiens hat einen unerwarteten Gewinner: die deutsche Sprache. Dabei geht es selten um Brecht und Goethe, sondern um Jobs. Firmen schicken Mitarbeiter gleich im Dutzend nach Deutschland.

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Symbolbild Deutsch Lernen (foto: samson/dw)
Bild: DW

Sex und Erleuchtung, dafür kamen sie früher hierher: Guru Bhagwhan gründete im westindischen Pune in den Sechzigern seine Kommune mit dem unerhörten Ruf. Gerade aus Deutschland kamen viele seiner Anhänger in den Ashram. Sie zogen sich eine rote Robe an, suchten Erleuchtung und ließen viel Geld da. Heute ist der Guru tot und es kommen deutlich weniger Sinnsucher. Deutsche gibt es in Pune aber mehr als je zuvor. Sie glauben und suchen meist etwas völlig anderes als die Generation zuvor. Für sie gibt es sogar eine direkte Flugverbindung, Frankfurt-Pune nonstopp, bisher Business Class only. Sie sind die Sendboten des Exportvizeweltmeisters Deutschland: Mercedes hat hier ein Werk, Volkswagen gerade seine Fabrik eröffnet, über 100 andere deutsche Firmen haben sich hier angesiedelt – die boomende Fünf-Millionen-Stadt Pune ist der Außenposten der deutschen Wirtschaft in Indien schlechthin.
Schlüsselqualifikation Deutsch.

"Steigert die Chancen"

Im Unterricht (Foto: dw/samson)
Lernen für Deutschland: IBM-Ingenieure bei ihrem Deutsch-KursBild: DW

Das bekommt auch dass Goethe-Institut zu spüren. Es heißt hier, wie überall in Indien, Max-Müller-Bhavan - nach dem bekannten Indologen des 19. Jahrhunderts, einem der Begründer der Sanskrit-Forschung. Deutsch lernen war schon immer beliebt in der Universitätsstadt Pune, was vielleicht auch an der Atmosphäre liegt. Das gepflegte Gelände mit den hohen Bäumen und der alten Villa, in der das Institut untergebracht ist, ist eine Oase der Ruhe im zunehmend hektischen Pune. Aber soviel Zulauf wie in den letzten Jahren gab es hier noch nie. "Das liegt natürlich klar an der Wirtschaft", sagt Institutsleiter Michael Flucht. Auf dem hart umkämpften indischen Arbeitsmarkt zählen Sprachkenntnisse – und in Pune vor allem deutsch.

Deutsch ist gefragt

"Wenn ein indischer Ingenieur auch noch deutsch spricht, steigert das seine Chancen erheblich", sagt Flucht. Viele Firmen können es sich in Pune aber inzwischen gar nicht mehr leisten, auf die Eigeneinitiative von Bewerbern zu warten. Sie senden Angestellte klassenweise zum Deutsch büffeln. Bei manchen, wie etwa VW, schickt das Goethe-Institut Lehrer in die Firmen, manche Kurse finden im Institut statt. Wie momentan der von IBM. 28 Software-Ingenieure werden in zwei Klassen fit gemacht für Deutschland. Unterricht ist jeden Tag, drei Monate lang, neben der normalen Arbeit, versteht sich. Am Ende steht eine Prüfung. Nur wer die besteht, für den geht es zur Weiterbildung nach Deutschland. "Wir Ingenieure sind die Brücke zwischen Indien und Deutschland", sagt der 28-jährige Rischi in seinem neuerworbenen Deutsch. "Dafür wurden wir entwickelt", fügt er noch lachend hinzu.

Wenn nur der Chef spricht

Shubada Boddapathy hat schon einige Deutschkurse unterrichtet. Sie selbst ist ein Kind des Goethe-Instituts. Hier hat sie irgendwann deutsch gelernt, jetzt ist sie selbst Lehrerin. Längere Zeit in Deutschland gelebt hat sie nie. Sie weiß aber genau, worauf es bei ihren Schülern ankommt. "Einige Firmen schicken ihre Ingenieure nach Deutschland, einige wollen nur, dass die Ingenieure die Texte verstehen, die sie aus Deutschland bekommen", sagt die Mitdreißigern. Ihr kommt es vor allem darauf an, dass die Schüler auch deutsch sprechen. Das sei in Firmenkursen nicht immer der Fall – nicht nur wegen der Sprache. "Oft sitzen Vorgesetzte und Untergebene in einer Klasse. Dann reden oft nur die Chefs – und keiner der anderen traut sich, sie zu korrigieren." Das Problem hat sie im aktuellen Kurs nicht. Aber die Zeit drängt. Sie muss weiter unterrichten, der nächste Kurs wartet. Hier in Pune werden eine ganze Fülle davon angeboten: Neben den Firmenkursen gibt es auch Intensivkurse, die in einem Jahr bereit für ein Studium in Deutschland machen, aber auch Abend- und Wochenendkurse. Aber auch spezieller Sprachunterricht z.B. für Reiseführer oder für Priester und Nonnen, die nach Deutschland geschickt werden sollen, ist möglich.

Lehrer dringend gesucht

Soschi im Porträt (Foto: samson/dw)
Manager der Kurse: Prassat SoschiBild: DW

Alle Kurse, die monetan am "Max Müller" angeboten werden, sind ausgebucht. Ein Erfolg, über den sich Flucht und seine Team freuen, der aber auch Stress bedeutet. "Wir haben so viele Schüler, die Deutsch lernen wollen, wir wissen nicht, wohin mit denen allen", sagt Prasat Soshi, der die Kurse organisiert. "Das ist echt ein großes Problem." Händeringend werden neue Deutschlehrer gesucht, sieben sind schon verpflichtet. Das Problem: Wer so hervorragend deutsch spricht, wie die Lehrer am Max-Müller-Bhavan, der hat in Indien auch andere Angebote aus der Wirtschaft mit oft deutlich besserer Bezahlung.


Autor: Oliver Samson
Redaktion:Gudrun Stegen