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Abstimmung mit zersetzender Wirkung

26. September 2016

Im serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas wurde ungeachtet eines höchstrichterlichen Verbots ein Referendum zum umstrittenen "Nationalfeiertag" abgehalten. Das eindeutige Ergebnis könnte den Zerfall des Landes einläuten.

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Bosnien und Herzegowina Referendum Republika Srpska Milorad Dodik
Bosniens Serben feiern, in der Mitte Milorad Dodik, Präsident der Teilrepublik Republika SrpskaBild: Getty Images/AFP/E. Barukcic

Teilergebnisse nach Auszählung der meisten Stimmen im serbischen Landesteil gehen von einer Zustimmung von mehr als 99 Prozent aus. 71 Prozent der rund 1,2 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich laut Behördenangaben an der Abstimmung. Damit soll der nur in der bosnisch-serbischen Teilrepublik Republika Srpska jeweils am 9. Januar begangene "Nationalfeiertag" beibehalten werden.

Das Verfassungsgericht des Landes hatte sowohl die Abstimmung als auch das Datum des umstrittenen Feiertages verboten. Der "Nationalfeiertag" wurde von den Richtern als untragbar erklärt, weil er die muslimischen und kroatischen Bewohner im serbischen Landesteil von Bosnien-Herzegowina ausgrenze.

Auch die USA und die EU hatten vergeblich versucht, das Referendum zu unterbinden und nicht näher bezeichnete Sanktionen angedroht. Washington und Brüssel sehen in dem Votum einen weiteren Schritt zur immer wieder angedrohten Abspaltung des serbischen Landesteils von Bosnien-Herzegowina.

Den Präsidenten der bosnisch-serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, focht das alles nicht an. Er setzte die Volksabstimmung trotz des Verbots der Richter, der Kritik aus dem Ausland und der empörten Reaktionen der bosnischen Kroaten und bosnischen Muslime an. Das Votum der Bevölkerung sei eindeutig, sagte Dodik nach der Abstimmung vor Journalisten im Parlament von Banja Luka.

Fragiles Staatsgebilde

Bosnien-Herzegowina ist seit dem Dayton-Friedensabkommen von 1995, mit dem der Bosnien-Krieg beendet wurde, eine Föderation: die vornehmlich serbische Republika Srpska und die Föderation Bosnien und Herzegowina, in der katholische Kroaten und muslimische Bosniaken leben. Vertreten werden die Bürger von gleich drei Präsidenten, einem serbischen, einem kroatischen, einem bosniakischen. Viele bosnische Serben betrachten sich aber nicht als Bürger Bosnien-Herzegowinas, sondern vor allem als Serben.

Seit 1992 feiern die bosnischen Serben den 9. Januar als Tag ihrer Unabhängigkeit. An diesem Tag, drei Monate vor Beginn des Bosnien-Kriegs von 1992 bis 1995, war die Republika Srpska ursprünglich ausgerufen worden - unter anderem von Serbenführer Radovan Karadzic, der im März vom Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien wegen Völkermords zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde.

Für Kroaten und Bosniaken in dem kleinen Balkanstaat ist der 9. Januar hingegen der Tag, an dem der Bosnienkrieg begann, der für sie Vertreibung und Verfolgung bedeutete. Dieser Hintergrund macht deutlich, welche Sprengkraft es für den Zusammenhalt Bosnien-Herzegowinas hat, dass Dodik über die Beibehaltung des eigenen "Nationalfeiertags" für die bosnischen Serben hat abstimmen lassen.

qu/se (dpa, rtre, afp, APE)