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Politik

"Oppermanns Vorschlag ist nicht realistisch"

6. Februar 2017

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann will Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet wurden, zurück nach Afrika schicken. Das sei ein schlechter Vorschlag, so Parteifreund Aziz Bozkurt. Im DW-Interview erläutert er, warum.

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Italien Rettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer vor Sizilien
Bild: picture-alliance/Ropi

DW: Herr Bozkurt, Ihr Parteifreund Thomas Oppermann, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, will gerettete Flüchtlinge im Mittelmeer wieder nach Nordafrika verfrachten. Damit will er den Schleuserbanden das Handwerk legen. Was ist schlecht an diesem Vorhaben?

Bozkurt: Das ist mindestens völkerrechtlich sehr bedenklich. Es gibt den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung, wenn Gefahr für Leben und Freiheit besteht. Und Menschen aus dem Mittelmeer aufzugreifen und sie dann zurückzuschicken in Länder, die teilweise sehr instabil sind, das geht völkerrechtlich gar nicht. Wie auch andere Sozialdemokraten gesagt haben, ist das weder realistisch noch durchsetzbar, was Oppermann da vorschlägt. Der Vorschlag war in der Vergangenheit schon schlecht. Es ist wie bei verdorbener Milch, die wird auch nicht besser über die Jahre.    

Oppermann sagt, die Flüchtlinge sollten "zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden". Das klingt, als könnte auch die Asylprüfung dort vorgenommen werden.

Aziz Bozkurt SPD Bundesvorsitzender AG Migration und Vielfalt
SPD-Mann Aziz Bozkurt Bild: SPD Berlin/Fritz Reiss

Dass man legale Wege aufzeigt, das ist richtig. Aber wir müssen uns anschauen, um welche Länder es sich handelt. Es geht zum Beispiel um Libyen, ein Land, das mehr als instabil ist, was Außenminister Gabriel heute noch einmal betont hat. Oder es geht um Länder wie Marokko oder Tunesien. Dort herrschen Verhältnisse, die jenseits von einfachen Lebensverhältnissen sind. Auch dort können wir nicht garantieren, dass rechtsstaatliche Verfahren nach unseren Maßstäben durchgeführt werden.

Innenminister Thomas de Maizière plant, in Tunesien ein Auffanglager zu errichten. Was spricht dagegen, dort auch zu prüfen, ob die Geretteten Anrecht auf Asyl in Europa haben?

Naja, die Menschen sind ja dann schon überwiegend in europäischen Gewässern und dann liegt es in europäischer Verantwortung, die Verfahren in Sicherheit und in einem rechtsstaatlichen Umfeld durchzuführen. Von daher ist es eher der Versuch, die Menschen aus dem Auge, aus dem Blick zu schaffen, um die Problematik nicht mehr vor den Augen zu haben. Und diese Strategie darf nicht aufgehen. Wenn Menschen ein Anrecht haben auf ein Asylverfahren, dann hat das hier stattzufinden. Wir können das Problem nicht abschieben.

Ist denn eine engere Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten für Sie per se ein ungeeignetes Mittel, um eine bessere Kontrolle über die Flüchtlingsbewegungen zu bekommen?

Ich finde, wenn es sichere Länder gibt, muss man natürlich mit denen zusammenarbeiten. Es ist ja nicht Sinn der Sache, dass die Menschen gefährliche Fluchtwege auf sich nehmen und über das Mittelmeer kommen. Dort sind letztes Jahr Tausende umgekommen.

Was kann die deutsche Regierung dafür tun, dass es für die Menschen weniger Gründe gibt, zu flüchten?

Thomas Oppermann hat da ja einige gute Maßnahmen genannt. Zum Beispiel die Aufstockung der Entwicklungshilfe. In Deutschland geben wir 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Entwicklungshilfe. Auf europäischer Ebene sollten das aber bald 0,7 Prozent werden. Das ist schon mal was. Und wenn wir uns mal anschauen, wie in den letzten Jahren Fluchtbewegungen geradezu provoziert wurden, indem beispielsweise Flüchtlingslagern im Libanon die Gelder gekürzt wurden - was auch europäische Politik war -, dann ist Entwicklungshilfe ein wichtiger Punkt. Wir müssen aber auch legale Wege öffnen. Oppermann hat das Stichwort Einwanderungsgesetz geliefert. Da geht es zum Beispiel um Arbeitsmigration. Und dann geht es auch um die Zusammenarbeit mit dem UNHCR. Legale Wege für Flüchtlinge zu schaffen, wäre mit dieser Organisation denkbar.    

Ist Oppermanns Vorstoß, der eher nach CDU, denn nach SPD klingt, schon eine Übung für den Wahlkampf, in dem die innere Sicherheit vermutlich das alles überlagernde Thema sein wird?     

Das glaube ich kaum. Oppermanns Vorstoß war sicher nicht abgesprochen. Im Umfeld von Martin Schulz [SPD-Kanzlerkandidat, Anm. d. Red.] ist das eher auf Ablehnung gestoßen. Und in der Fraktion sind deutliche Misstöne dazu zu vernehmen. Insofern ist das ein einzelner Vorstoß. Und ich hoffe, dass das nicht ein Profilierungsversuch von Oppermann war, einer auf Kosten der SPD. Nach dem Motto: Ich bin bereit, Innenminister zu werden und sogar in die Fußstapfen von Otto Schily [galt in der Regierung Schröder 1998 bis 2005 als knallharter Recht-und-Ordnung-Innenminister, Anm. d. Red.] zu treten. Noch mal: Eine klare Einzelmeinung und nicht Konsens in der SPD. 

Aziz Bozkurt ist Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt.

Das Interview führte Volker Wagener

Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe