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Verbesserte Beziehungen

5. Januar 2011

Das Jahr 2010 kann als ein gutes Jahr für die Beziehungen Russlands mit dem Westen gesehen werden. Doch die Aussichten für 2011 seien verhalten, meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW

2010 war ein gutes Jahr für die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. Das deutlichste Zeichen dafür war, dass zum ersten Mal Soldaten aus Polen, Frankreich, Großbritannien und den USA an der russischen Siegesparade am 9. Mai auf dem Roten Platz in Moskau teilgenommen haben. Diese Geste war nicht nur eine historisch korrekte Erinnerung an die Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg. Vielmehr unterstrich sie den Wunsch der russischen Staatsführung nach einer politischen Annäherung an den Westen und an Europa. In der politischen Praxis zeigte sich diese positive Entwicklung besonders deutlich in einer Verbesserung der russisch-amerikanischen und der russisch-polnischen Beziehungen.

Portrait von Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Redaktion der Deutschen Welle (Foto: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen RedaktionBild: DW

Erfolgreicher Neustart

Besonders die vom russischen Präsidenten Medwedew mitgetragene "Reset-Politik" des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama hat dazu geführt, dass sich die Supermächte aus den Zeiten des Kalten Krieges angenähert haben. Das außenpolitisch wichtigste Ergebnis in dieser Hinsicht war der Abschluss des neuen Abrüstungsvertrages NEW START. Rechtzeitig vor dem Zusammentreten des neuen US-Kongresses ist es Obama kurz vor Weihnachten gelungen, den Vertrag im Senat ratifizieren zu lassen. Die russische Staatsduma wird sicherlich bald folgen. Selbst die Enthüllung eines russischen Spionagerings in den USA konnte die russisch-amerikanischen Beziehungen nicht stark belasten.

Historische Annäherung

Aus historischer Perspektive war die von Russland eingeleitete Verbesserung im Verhältnis zu Polen noch bedeutender als das zur USA. Die Jahrhunderte alte Erbfeindschaft zwischen Russland und Polen erhielt 2010 deutliche Risse - trotz des tragischen Flugzeugunglücks in Smolensk, bei der der polnische Präsident Lech Kaczyński und viele führende polnische Politiker starben.

Barroso, Medwedew und van Rompuy (Foto: AP)
Russisch-europäische Annäherung in Rostow im JuniBild: AP

Diese Entspannung im russisch-polnischen Verhältnis hat den relativ guten Beziehungen zwischen der EU und Russland einen weiteren Schub gegeben: Auf dem gemeinsamen Gipfel in Rostow im Juni 2010 konnte das Projekt einer Modernisierungspartnerschaft beschlossen werden. Auf dem NATO-Gipfel in Lissabon gelang eine weitere Annäherung in sicherheitspolitischer Hinsicht.

Viele Stolpersteine

Trotz dieser erfreulichen Tendenzen sollte kein zu rosiges Bild gemalt werden. Die positiven Entwicklungen in 2010 sind nicht nur das Ergebnis neuer politischer Strategien. Eine ganze Reihe anderer Faktoren hat auch dazu beigetragen: Die globale Finanzkrise hat weltweit die Einsicht gefördert, dass man verstärkt zusammenarbeiten müsse. Für die aktuelle US-Außenpolitik steht weniger Russland im Vordergrund als vielmehr der Iran und Afghanistan. Und die russisch-europäischen Beziehungen haben sich auch deshalb entkrampft, weil die EU aufgrund der Euro-Problematik hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist. Deshalb hat auch die Konkurrenz der Union und Russland im post-sowjetischen Raum nachgelassen. Moskau reagiert nun ruhiger auf die EU, zumal der neue ukrainische Präsident Janukowitsch die Ukraine wieder stärker an Russland anlehnt.

Unvereinbarkeit der politischen Systeme

Zu vergessen ist auch nicht die zentrale Bruchstelle im Verhältnis Russlands zu den USA und den EU-Staaten: das autoritäre politische System in Russland. Trotz aller Verbesserungen und dem auf beiden Seiten geäußerten Wunsch nach einer breiten Zusammenarbeit bleibt die innere autoritäre Entwicklung in Russland das größte Hindernis auf dem Weg zu einer stabilen Partnerschaft. Dabei spricht niemand im Westen Russland das Recht ab, einen eigenen Weg zu einer russischen Demokratie zu finden. Doch sind Beschränkungen der Menschen- und Bürgerrechte wie des Rechts auf Versammlungsfreiheit, auf faire Wahlen und auf rechtsstaatliche Gerichtsverfahren keine eigenen Wege zur Demokratie, sondern Abwege in Richtung Diktatur. Das erhöht im Westen das Misstrauen gegenüber Russland und damit gegen eine wirkliche Partnerschaft.

Ob die aktuelle positive Entwicklung in den Beziehungen anhält, wird also auch davon abhängen, welchen innenpolitischen Kurs Russland 2011 nimmt. Das Urteil gegen Michail Chodorkowski war da kein guter Anfang.

Autor: Ingo Mannteufel
Redaktion: Markian Ostaptschuk / Julia Kuckelkorn