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Talitha Kumi

Cornelia Rabitz13. Januar 2009

Talitha Kumi ist ein christliches Schulzentrum in der Nähe von Bethlehem. Deutsche und palästinensische Lehrer arbeiten hier gemeinsam. Leitbild der Schule ist die Toleranz, auch in politisch schwierigen Zeiten.

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Christliche Schule bei Bethlehem, Schülerinnen auf dem Schulhof
Schülerinnen auf dem Schulhof von Talitha KumiBild: Cornelia Rabitz

Talitha Kumi liegt auf einem Hügel oberhalb des Dorfes Beit Jala, zwölf Kilometer südlich von Jerusalem. Pinien und Olivenbäume spenden auf dem großen Schulgelände Schatten; wenn man beobachtet, wie Mädchen und Jungen hier spielen und toben, entsteht vordergründig der Eindruck eines vollständigen Friedens. Blickt man jedoch ins Tal, so ist die hässliche graue Betonmauer sichtbar, die Israelis von Palästinensern trennt und das Westjordanland abschneidet vom israelischen Kernland.

Sperrmauer im Westjordanland
Blick auf die SperrmauerBild: Cornelia Rabitz

Viel Zuwendung

Neben den üblichen Unterrichtsfächern gibt es in Talitha Kumi extra Deutschunterricht, Musikstunden und sehr viel persönliche Zuwendung. Mut machen, Selbstvertrauen vermitteln, Toleranz wecken, Vorurteile bekämpfen – auch Wertevermittlung gehört zum pädagogischen Programm. Angesichts der katastrophalen Schulsituation in der Region ist es, wie Jihad Abu Amsha, der stellvertretende Direktor, sagt, "ein Traum für jede Familie, wenn ihre Kinder hier lernen können".

Beschwerlicher Alltag

Freilich, die Beschwernisse des Alltags bleiben dennoch spürbar: für die einen – die Palästinenser – sind Mauer und Checkpoints nahezu unüberwindlich. Für die anderen – die Deutschen – stellen sie ein zeitraubendes Ärgernis dar, wenn sie privat oder beruflich nach Israel wollen. Schuldirektor Georg Dürr spricht aus, was viele hier denken: "Drüben, auf der anderen Seite der Mauer, liegt die Freiheit". In den zurückliegenden Jahren haben viele christliche Familien das Gebiet verlassen. Doch heutzutage haben christliche Palästinenser nur noch sehr selten die Möglichkeit, auszuwandern – die Schulleitung, die so viel Wert legt auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Christen und Muslimen, spürt schon länger einen kontinuierlichen Rückgang dieser Schülerzahlen.

Jugendliche auf dem Schulhof Talitha Kumi
Auf dem Schulhof von Talitha KumiBild: Cornelia Rabitz

Georg Dürr hat in Talitha Kumi schon viel erlebt: israelische Soldaten, die auf das Schulgelände eindrangen, ein Wachmann, der erschossen wurde, militärische Übergriffe auf die Familien seiner palästinensischen Kollegen, traumatisierte Kinder. "Ich habe kein Verständnis für die Entwürdigung, die die Palästinenser täglich durch die Soldaten erfahren müssen." Und dennoch bleibt er dabei, dass es auch Aufgabe von Talitha Kumi sei, Verständnis für die andere Seite zu vermitteln. Die Fähigkeit zum Frieden dürfe nicht auf der Strecke bleiben.

Schule als Arbeitgeber

Die christlich geprägte Schule – mit Küche, Wohnungen und Gästehaus - ist zugleich größter Arbeitgeber in der Gegend. Georg Dürr: "Wir haben über hundert Angestellte, und jeder versucht, hier einen Arbeitsplatz zu finden. Wenn bei uns ein Hausmeister einen Schnupfen hat, dann habe ich einen Tag oder zuweilen eine Stunde später drei Bewerbungen auf dem Tisch liegen für diese Position."

Hingegen ist es äußerst schwierig, deutsche Lehrkräfte als Nachrücker zu finden. Fünfzig geeignete Pädagogen hatte Georg Dürr vor einiger Zeit aus der zentralen Kartei in Deutschland herausgesucht – von buchstäblich allen hat er sich eine Absage eingehandelt. Die Nachrichten aus Israel und den Palästinensergebieten sind einfach zu schlecht.

Derzeit wird die Arbeit des gemischten Kollegiums von den kriegerischen Ereignissen im Gazastreifen überschattet. Die Stimmung ist gedrückt. Stefan Walz, ein junger Lehrer, der, entgegen dem Trend, vor wenigen Monaten aus Deutschland hierher gekommen ist, formuliert es so: "Ich fühle Wut und Trauer über die vielen undschuldigen Opfer der Kämpfe und über die katastrophalen Lebensbedingungen im Gazastreifen."

Georg Dürr hält Kurs in schwieriger Zeit: "Talitha Kumi ist eine Brücke. Ich lege ganz viel Wert darauf, dass wir hier Menschen beider Seiten zusammenbringen können, damit sie sehen, es sind auf der anderen Seite Menschen – und beide habe das gleiche Friedensinteresse. Aber die Mauer ist leider so hoch."