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Brüsseler Cyber-Kosaken

Christian F. Trippe, Brüssel14. Mai 2008

Im NATO-Hauptquartier traf vor kurzem das 19. Jahrhundert auf das 21. Kostümierte Kosaken sangen, während nebenan über die künftigen Kriege im Internet geredet wurde. Was Cyberwar und Kosaken miteinander verbindet.

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Bild: DW

Russlands NATO-Botschafter gilt gemeinhin als diplomatisches Raubein. An diesem Tag aber war Dimitrij Rogosin zufrieden und milde gestimmt. Im großen Saal des Brüsseler NATO-Hauptquartiers war eine Gruppe bunt kostümierter Kuban-Kosaken aufgezogen und sang und tanzte so heftig vor der blauen Nordatlantik-Windrose, dass einem ganz schwindlig werden konnte. Der Chor sei 1811 gegründet worden, erzählte Rogosin launig, "ein Jahr später entdeckten wir Napoleon." Lachen im Saal. Drei Jahre später dann hätten "unsere Kosaken" Paris entdeckt.

Acht goldbetresste Generäle

Als die Kosaken ihre patriotischen Lieder zur Erbauung des wehrhaften russischen Geistes anstimmten, hoben im Nebenraum acht goldbetresste Generäle ihre goldenen Füllfederhalter und unterzeichneten ein so genanntes "Memorandum of Understanding" – eine Absichtserklärung zum Bau eines Zentrums "Cyber Defence".

02.2008 DW-TV Europa aktuell Moderator Christian Trippe
Christian F. Trippe, Brüssel

In Zukunft könnten militärische Fähigkeiten in Bits und Terrabits gemessen werden – und nicht mehr in der Anzahl von Divisionen oder Panzern. Der nächste Krieg könnte im Netz stattfinden. Und dieses Schlachtfeld will die NATO rechtzeitig aufklären. Daher das Zentrum, das in Tallinn, der Hauptstadt Estlands, seinen Sitz haben wird.

Milliarden von E-Mails

Tallinn wurde nicht zufällig gewählt. Denn Estland ist ein hoch technisiertes, bestens vernetztes Land. Doch genau das wäre dem kleinen baltischen Staat beinahe zum Verhängnis geworden. Im Frühjahr 2007 mussten Banken und Ministerien, Universitäten und Dienstleistungsbetriebe für Tage schließen, weil Estland von Milliarden von E-Mails überschwemmt wurde.

Estlands Rechner brachen zusammen. Bis heute ist offiziell nicht bekannt, wer hinter dem Cyber-Angriff stand. Aber: Zum Zeitpunkt der Attacke steckten die Ex-Sowjetrepublik Estland und der Rechtsnachfolger der UdSSR, Russland, in einer tiefen und lautstark ausgetragenen politischen Beziehungskrise.

Beim Unterschreiben des Cyber.Memorandums wurden die Namen "Russland" und "Moskau" tunlichst nicht ausgesprochen. Das war auch nicht nötig, denn im Nebenraum besangen die kriegerischen Kosaken beide.