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Brüsseler Theaterstadl

Alexander Kudascheff1. Oktober 2003

Die geplante Verfassung sorgt für Aufruhr in Europas Hauptstadt. Kleinere EU-Staaten sowie EU-Aspiranten begehren gegen die vermeintlich großen Länder auf und wollen Änderungen am Verfassungsentwurf durchsetzen.

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In Brüssel wird ein neues Theaterstück geprobt. Es heißt: "Die Kleinen proben den Aufstand." Geschrieben hat es nicht ein Autor, sondern gleich neunzehn. Aber: Die Federführung liegt in Österreich, das - obwohl ein kleines EU-Land - damit wenigstens am Anfang des 21. Jahrhunderts noch einmal von Habsburger Größe träumen darf.

Es geht bei diesem Theaterstück um die europäische Verfassung. Es geht darum, ob der vorliegende Entwurf noch einmal geändert wird - oder nicht. Auf der Seite der Konservativen, der Bewahrer sind der Basta-Kanzler Schröder und sein bester europäischer Freund Chirac.

Paket öffnen oder lieber nicht

Die Melodie gibt dabei - ebenfalls in Basta-Manier - der deutsche Außenminister Fischer vor. Für ihn ist klar: Wer das Paket öffnet, muss es rechtzeitig zu Weihnachten auch wieder zubekommen. Sonst gibt es kein römisches Verfassungsfest; so einfach sieht es Berlin und natürlich auch Paris.

Dagegen laufen die Reformer Sturm. Sie wollen alle - zuallerst in der Kommission einen eigenen Kommissar. Das sei ein unumstößliches Prinzip, hat gerade noch der tschechische Außenminister Sloboda gesagt. Ohne Vertretung in Brüssel ginge es nicht - betonen gerade die Neuen Europäer. Dabei ist die Kommission eigentlich zur übernationalen Haltung verpflichtet. Doch Einfluss in Europa hat man nur, wenn man in der Kommission vertreten ist. Also plädiert selbst Romano Prodi für das Prinzip "Ein Kommissar pro Land". Und damit stärkt er natürlich die politisch geschwächte Position der Kommission gegen das hohe Prinzip.

Einfluss in Europa

In den Hintergrund tritt in dieser Diskussion der neue Ratspräsident. Ihn wollen vor allem die Großen, denn er repräsentiert den politischen Willen der Nationalstaaten - sozusagen den Dauergipfel. Ob man ihn braucht, ist eine andere Frage. Aber natürlich gehört er zur Verhandlungsmasse. Beginnt man diese Diskussion, kommt man schnell zum institutionellen Machtgewicht. Wer hat wieviel in der EU zu sagen? Nach den Beschlüssen von Nizza haben Madrid und Warschau jedenfalls überproportional mehr Macht als nicht nur den Deutschen lieb ist - deswegen sind nicht nur die Deutschen für die neue Verfassung, denn die beschneidet den spanischen und auch polnischen Einfluss.

Aber in Warschau heißt die Parole: nicht hinter Nizza zurück - und außerdem soll ein Gottesbezug in die Verfassung. Somit ist klar: Die Debatte über die neue Verfassung hat schon begonnen. Wer sie eindämmen will, braucht starke Nerven - oder gute Argumente. Und sicher scheint zu sein: das Paket wird geöffnet, da mögen Berlin und Paris noch so oft Basta rufen.