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Brack: "Kein guter Zustand in europäischen Gewässern"

Clara Walther18. Juni 2014

Unsere Gewässer sollen offenbar stärker mit Chemiekalien belastet sein als bisher gedacht. Werner Brack hat hierzu eine Studie im Fachmagazin "PNAS" veröffentlicht. Im DW-Interview berichtet er über das Ausmaß.

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Dr. Werner Brack vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (Foto: Privat).
Bild: privat

DW: Herr Brack, was war das Ziel Ihrer Studie?

Werner Brack: Unser Ziel war es, einen Überblick über die Belastungssituation der Gewässer in Europa zu bekommen. Wir wollten eine Idee davon entwickeln, in welchem Maße vor allem organische Chemikalien Effekte auf unsere Gewässerorganismen haben.

Gab es einen Anlass, dass Sie diese Studie jetzt durchgeführt haben?

Ich würde sagen, das Ganze war angebotsorientiert. Es ist das erste Mal, dass alle EU-Mitgliedstaaten Daten zur Wasserqualität erhoben haben, die auch für Forschungszwecke zur Verfügung stehen.

Und andererseits läuft jetzt langsam der Zeitraum aus, den sich die EU mit der gemeinsamen Wasserrahmenlinie gesetzt hat, um einen guten ökologischen Zustand in europäischen Gewässern zu erreichen. Bis 2015 wollte man dieses Ziel erreichen. Unsere Studie hat aber gezeigt, dass dieses Ziel aller Voraussicht nach verfehlt wird…

Welche Schwierigkeiten sind bei der Durchführung der Studie aufgetreten?

Badegewässer in Luxemburg
Dreckiger als angenommen? Offenbar schon...Bild: imago/imagebroker

Es zeigt sich, dass die Datenlage auf europäischer Ebene extrem unterschiedlich ist. Das heißt: Es gibt Länder, die sehr intensiv gemessen haben, an sehr vielen Standorten, sehr viele Chemikalien. Und es gibt Länder, in denen sehr lückenhaft gemessen wurde.

Wir haben jetzt trotzdem die Daten genommen, die wir kriegen konnten, und haben auf dieser Basis eine Bewertung gemacht. Das führt dummerweise dazu, dass diejenigen europäischen Länder, die sehr viel gemessen haben - und damit einen echten Überblick über ihre Belastungen haben - dabei sehr schlecht wegkommen. Zum Beispiel Frankreich.

Lassen sich trotz dieser unterschiedlichen Datenlage Aussagen darüber treffen, welche Länder besonders von einer chemischen Verschmutzung der Gewässer betroffen sind?

Ich würde sagen, die chemische Belastung ist ein europaweites Problem - und das kann man an dieser Studie sehr gut sehen. Eine Unterscheidung, was die Überwachung der Gewässer angeht, kann man schon treffen. Und da zeigt sich, dass in Südeuropa und in Teilen Osteuropas sehr wenig Überwachung stattfindet - das teilweise noch nicht einmal die Standards eingehalten werden, die die europäische Wasserrahmenrichtlinie in dieser Hinsicht vorgibt.

Was sind aus ihrer Sicht, die wichtigen Ergebnisse der Studie?

Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass auf europäischer Ebene ein ganz deutliches Risiko für die Ökosysteme unserer Gewässer durch chemische Belastung besteht. Wir haben festgestellt, dass bei etwa 14 Prozent der europäischen Standorte sogar akute Effekte auftreten müssten, was die Konzentrationen der Chemikalien in den Gewässern angeht. Das heißt: Organismen sterben. Und fast die Hälfte unserer Gewässer ist so belastet, dass wir auf jeden Fall mit chronischen Effekten rechnen müssen. Das bedeutet, dass empfindliche Arten dort nicht mehr vorkommen können.

Welche Auswirkungen hat dieses Absterben empfindlicher Arten konkret?

Alle Organismen in einem Ökosystem hängen zusammen. Wenn bestimmte wirbellose Tiere, wie Insekten, Krebse oder Schnecken nicht mehr vorkommen, führt das zum Beispiel dazu, dass der Streuabbau nicht funktioniert. Das Laub, was in die Bäche fällt, häuft sich an und bleibt unzerkleinert - mit negativen Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem.

Und natürlich ist es auch unser Ziel, die Artenvielfalt in Europa zu erhalten. Und wenn wir am Ende nur noch unempfindliche Allerweltsarten in unseren Gewässern haben, dann ist dieses Ziel sicher nicht erreicht.

Dabei hat man den Eindruck, dass die Gewässerqualität in Europa immer besser wird…

Sie haben völlig Recht. Die Wasserqualität insgesamt hat sich seit den 1970er Jahren in Europa natürlich verbessert. Deutlich verbessert! Damals hatten wir ja regelmäßig irgendwelches Fischsterben. Das ist heute eine ganz, ganz große Ausnahme. Das ist ein Erfolg. Aber die Ergebnisse zeigen, dass wir noch lange nicht so weit gekommen sind, wie wir kommen wollten. Und dass wir nach wie vor eine Beeinträchtigung der Ökologie durch Chemikalien haben.

Welche Chemikalien spielen da eine entscheidende Rolle?

Besonders hervorgestochen sind die Pestizide. Dazu gehören die Insektizide, die vor allem einen Einfluss auf wirbellose Tiere und Fische haben. Dazu gehören aber auch Unkrautbekämpfungsmittel, die Algen und Wasserpflanzen angreifen.

Was muss sich ändern, damit diese Chemikalien gar nicht erst in die Gewässer gelangen?

Mein Appell geht ganz klar an die Landwirtschaft: Der Einsatz von Pestiziden muss verringert werden. Sinnvoll sind auch bessere Randstreifen, die verhindern, dass die Pestizide ins Gewässer gelangen. Das heißt, die an den Fluss angrenzenden Meter dürfen nicht bewirtschaftet und nicht mit Pestiziden bearbeitet werden.

Nachdenken sollten wir auch über die Standards unserer Kläranlagen. Da ist es ja gerade eine offene Diskussion, ob wir noch eine zusätzliche Reinigungsstufe brauchen, um bestimmte Chemikalien aus dem Wasser zu entfernen.

Werden Sie sich als Wissenschaftler auch weiter mit diesem Thema beschäftigen?

Ja, es gibt bereits ein großes EU-Anschlussprojekt, in dem ich mitarbeite. In diesem Projekt wollen wir uns vor allem um die Chemikalien kümmern, die in der vergangen Studie gar nicht auftauchen. Das sind Stoffe, die durch den täglichen Gebrauch zwar permanent in unsere Gewässer getragen werden, die aber zurzeit kaum Beachtung finden. Dazu gehören Tenside, Arzneimittel, Körperpflegemittel, Farbstoffe und, und und…. Die Konzentration dieser Substanzen in unseren Gewässern ist gar nicht so gering, wie man immer annimmt.

Dr. Werner Brack vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig ist Co-Autor der Studie, die er zusammen mit dem Instituts für Umweltwissenschaften Landau und mit Kollegen aus Frankreich (Universität Lorraine und EDF) und der Schweiz (EAWAG) herausgebracht hat.

Das Interview führte Clara Walther.