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Branchen unter Krisendruck

Nicolas Martin20. August 2012

Die Konjunktur-Aussichten für dieses Jahr sind schlecht. Nicht nur Europa kriselt - auch die Schwellenländer schwächeln. Es gibt aber Branchen, die allen Gefahren trotzen und Länder, die hoffen lassen.

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Die aufgehende Sonne taucht am 7.12.2001 das Bayer-Werk in Leverkusen mit seinen Schornsteinen in ein rötliches Licht. Bei trockenem und kaltem Wetter soll am Wochenende wieder die Sonne strahlen, die Temperaturen fallen auf null bis fünf Grad.
Chemiewerk Bayer im SonnenaufgangBild: picture-alliance/dpa

Die Enttäuschung zuerst: Die Konjunkturforscher wollen und können sich nicht wirklich festlegen, welcher Wirtschaftszweig auch künftig wächst. Zu verwoben sind die Industrien miteinander, zu unsicher die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft. In Krisenzeiten gilt aber: Wie konjunkturabhängig ist eine Branche? Denn je mehr sie an den Geldbeutel der Konsumenten gebunden ist, desto übler steht sie in einer Flaute da. Nur wenn die Menschen auch Geld in der Tasche haben, kaufen sie sich beispielsweise ein schickes Auto.

Trotzdem gibt es Branchen, an denen Krisen weitgehend unbemerkt vorbei gehen - zumindest in der Theorie: "Global betrachtet reagiert die Energienachfrage nur mit einer begrenzten Flexibilität auf konjunkturelle Schwankungen, weil da eine große Grundlast besteht", sagt Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Weltwirtschaft (DIW). Eine große Grundlast, also eine stabile Nachfrage, zeigt sich auch bei Branchen, die Konsumgüter für das alltäglichen Leben herstellen. Beispielsweise Nahrungsmittel oder medizinische Dienstleistungen. "Die kann man nicht in Abhängigkeit vom Einkommen und damit auch nicht in Abhängigkeit von der Konjunktur steuern, die muss man einfach nachfragen. Das ist das Fundament einer funktionierenden Volkswirtschaft", so Fichtner.

Dauer-Krisen engeht keiner

Branchen mit einem hohen Investitionsbedarf, wie etwa der Maschinenbau, leiden besonders unter einer schwächelnden Wirtschaft. Denn in unsicheren Zeiten sind Unternehmen zurückhaltend bei großen Neuinvestitionen. Doch gibt es Ausnahmen - wie beispielsweise den Flugzeugbau, erklärt Michael Bräuniger vom Hamburger Weltwirtschaftsinsitut, "hier haben wir es mit sehr langen Lieferzeiten, mit sehr langen Planungszeiten zu tun. Im Flugzeugbau werden die Auftragsbücher über Jahre gefüllt, insofern ist das sehr konjunkturunabhängig."

Dauert eine Krise aber länger, müssen alle Unternehmen Verluste in Kauf nehmen. Um die Lücken in der Nachfrage in manchen Ländern zu schließen, suchen die exportorientierten Branchen dauernd nach neuen Absatzchancen. Die USA und Europa seien nach wie vor die größten Absatzmärkte, so Bräuniger, "sie haben aber eine sehr viel schwächere Dynamik als die Schwellenländer. Die wachsen sehr schnell und gewinnen insofern immer mehr an Bedeutung."

Schwellenländer der "zweiten Reihe"

Im Klartext: China, Indien, Russland und Brasilien sind die Hoffnungsträger der Exportwirtschaft. Die Gesellschaft für Außenwirtschaft (GTAI) - eine staatliche Agentur zur Exportförderung - hat die deutschen Aussichten in acht Branchen untersucht. In China, Russland und Brasilien geht die Studie von sehr guten bis guten Perspektiven für alle Branchen aus. Nur in Indien sieht sie für den Maschinenbau, die chemische Industrie und die Automobilindustrie eher mittelmäßige Chancen. Doch sind es längst nicht mehr nur die großen Schwellenländer, die im Blickpunkt der exportorientierten Unternehmen stehen.

Ferdinand Fichtner bezeichnet die Schwellenregionen der "zweiten Reihe" als kleine Wachstumsmotoren. Das seien zum Beispiel die südostasiatischen Länder wie Thailand oder aber auch Indonesien. "Ein ganz großer Nachholbedarf besteht auch in Afrika, wobei ich da für die nächsten zehn Jahre noch ausgesprochen zurückhaltend wäre, was das Wachstum betrifft", so Fichtner.

Ein Boot auf türkiesem Wasser vor einer Feslenküste. (Foto: epa03000407)
Indonesien kann mehr als Tourismus: Knapp 240 Millionen Menschen leben in dem Inselstaat - ein riesiger Absatzmarkt.Bild: picture-alliance/dpa
Michael Braeuninger, Leiter 'Wirtschaftliche Trends', Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) (Foto: Sabine Vielmo)
Michael Bräuniger vom HWWIBild: HWWI/Sabine Vielmo
Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Foto: DIW
Ferdinand Fichtner vom DWIBild: DIW


Türkei als Wachstumsmotor

Laut der Studie der GTAI hat der Umbruch im geografisch nahen Nordafrika Tore geöffnet - so wird in Tunesien ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent für dieses Jahr erwartet. Hier ist vor allem Energietechnik gefragt. Und auch andere kleine Länder in Europa reihen sich ein: Die Türkei wird wahrscheinlich um drei Prozent wachsen, deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Profitieren werden davon in Deutschland vor allem die Bauwirtschaft, der Maschinenbau und die Chemische Industrie.

Unter den verborgenen Champions der neuen Absatzmärkte befinden sich aber vor allem Länder wie Indonesien, das über eine sehr große Bevölkerung verfügt und darüber hinaus im vergangenen Jahr auf sechs Prozent Wirtschaftswachstum zurückblicken kann. Auch Mexiko, die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas, wird für Exporteure im Bereich der Erneuerbaren Energien immer spannender. Ein Geheimtipp der Studie ist die Mongolei. Das Land hat viele Rohstoffe. Hier sind vor allem Bergbauausrüstung, Fördertechnik und Baumaschinen gefagt. Ein El Dorado für den deutschen Maschinenbau - und das trotz Krise.