1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Brandstiftung ist das Hauptproblem in Portugal

24. August 2005

Verheerende Waldbrände wüten in Portugal und anderen Teilen Südeuropas. DW-WORLD sprach mit Johann G. Goldammer, Professor für Feuerökologie an der Universität Freiburg, über Ursachen und Hintergründe.

https://p.dw.com/p/75cw
Bild: AP

DW-WORLD: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Waldbrände in Portugal schlimmer sind als die in Spanien oder Griechenland?

Johann G. Goldammer: Dass die wesentlich schlimmer sind, kann man so nicht sagen. Wenn wir rekapitulieren, was in den letzten Tagen und auch vor einigen Wochen in Spanien los war - die Anzahl der Toten, die Heftigkeit der Brände dort -, dann ist das durchaus vergleichbar. Die Feuer haben dazu geführt, dass es viele Unfälle und auch viele Opfer gab. Die Feuer haben sich teilweise an Dörfer und Siedlungen heran gefressen, so dass es eine ganze Menge Schäden gegeben hat. Im übrigen Mittelmeerraum ist es vergleichbar ruhig.

Wie sehen die Wälder in Portugal aus? Macht die Waldstruktur besondere Probleme?

Waldbrände in Portugal
Mit Eimern kämpfen die Menschen gegen das Feuer.Bild: AP

Hier brennt ganz normales Wald- und Buschland. Das brennt während der trockenen Sommerzeit überall im Mittelmeerraum. Das Hauptproblem sind dabei die Feuer, die absichtlich gelegt werden. Der andere Grund liegt in der Vegetationsstruktur: Die hochintensiv bewirtschafteten Plantagen, die für die Zellstoffproduktion aufgeforstet wurden, sind hoch entzündlich. Die Intensität der Bewirtschaftung richtet sich hier ausschließlich auf die Maximierung des Holzertrages. Das hat dazu geführt, dass man die Pflege, also zum Beispiel das Unterholz zu entfernen, vernachlässigt hat. Das ist ein Phänomen, das es in vielen anderen Ländern der Welt auch gibt, wo solche Plantagen aufgebaut werden.

Würden Sie sagen, dass es auch am Umweltbewusstsein der Bevölkerung mangelt?

Ich würde zunächst das Augenmerk auf den Investor und auf die Betriebe richten, die die Aufforstungen machen. Die scheinen sich nicht nach den fachlich notwendigen Grundsätzen der Bewirtschaftung solcher Wälder zu richten. In den öffentlichen Wäldern sieht es dagegen so aus, dass diese inzwischen nicht mehr so intensiv genutzt werden wie früher. In den Wäldern befindet sich dann viel Buschwerk - und damit viel Brennmaterial in Form von abgestorbenen Ästen und Zweigen, kleineren Bäumen und Büschen.

Waldbrände in Portugal weiten sich aus
Nahezu 150.000 Hektar hat das Feuer bereits verbrannt.Bild: dpa - Fotoreport

Das ist eine Folge des Exodus der ländlichen Bevölkerung in die Städte. Die Dörfer in den südeuropäischen Ländern vergreisen zunehmend. Die pflanzliche Biomasse wird nicht mehr so intensiv genutzt wie vor 20 oder 30 Jahren. Damals wurden auch kleine Stückchen Holz genutzt zum Heizen und Kochen. Heute verwildert die Landschaft und wird immer anfälliger für Feuer. Zwar hat es Portugal und Spanien schon immer Feuer gegeben, aber heutzutage sind die Feuer von einer Intensität und Heftigkeit, die man vor 30, 40 Jahren nicht gekannt hat.

Es wurden Vorwürfe laut, die Zerstückelung der Ländereien und chaotisch geführte Grundbücher seien ein Teil des Problems. Wie sehen Sie das?

Sobald irgendwelche Unklarheiten im Hinblick auf Eigentum und die Verantwortung dafür bestehen, dann gibt es Probleme. Verantwortung heißt, dass es Vorschriften gibt: Ein Landeigentümer hat Vorkehrungen zu treffen, um Feuerschutz zu gewährleisten. Wenn sich nicht klar festnageln lässt, wer der verantwortliche Eigentümer ist, dann entsteht eine Grauzone des Nichtstuns.

Ist die Dürre Schuld an den Bränden oder die Bevölkerung, die zu nachlässig mit dem Wald umgeht? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Welche Rolle spielt die große Dürre im Land?

Portugal Einwohner kämpfen mit Eimern gegen das Feuer Waldbrände in Portugal
Bild: AP

Ein trockenes Jahr, so wie die "Jahrhundertdürre" der letzten 12, 15 Monate in Portugal, führt dazu, dass einerseits der Wald sehr trocken ist. Andererseits ist es aber auch so, dass ein solches Dürrejahr dazu führt, dass der Grasbewuchs am Waldrand und im Wald nicht so stark ist, wie in einem Jahr mit guter Wasserversorgung. Insofern trägt eine lang anhaltende Dürre eigentlich eher dazu bei, die Feuergefahr zu reduzieren, weil es weniger Gras gibt.

Das Feuer startet in der Regel im Gras und das Gras trägt es auch weiter. Das ist ein Phänomen, dass wir aus den Savannen in Afrika kennen: In Afrika brennt es in und nach einem Dürrejahr sehr viel weniger, als in einem Jahr mit hohem Niederschlag und kräftigem Grasbewuchs. Dennoch bestimmt nicht das Gras allein die Situation. Im Moment brennt es an allen möglichen Orten und in allen möglichen verschiedenen Typen von Vegetationen.

Das bringt uns an einen ganz kritischen Punkt: Die Europäische Union ist von einem Land um Hilfe gebeten worden, in dem alle Feuer vorsätzlich oder aus Nachlässigkeit gelegt werden. Und das jeden Tag neu. Die Nachbarländer schicken mit großem Aufwand Hilfe in Form von Flugzeugen, Hubschraubern und Personal in eine Situation, die sich tagtäglich wiederholt. In Portugal werden die Feuer nicht zur Landrodung gelegt, sondern sie sind Brandstiftung krimineller Natur und gröbste Fahrlässigkeit.

Wurden seitens der portugiesischen Regierung Fehler gemacht? Sollten die Täter härter bestraft werden?

Wenn man über Maßnahmen oder kurzfristige Erklärungen spricht, dann kann man natürlich sagen, man solle die Täter härter bestrafen. Aber die dem zu Grunde liegenden Ursachen, die liegen tief verwurzelt in der Gesellschaft, das lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Das geht sehr tief an das Verhältnis zur Natur und zu den natürlichen Ressourcen und daran, wie verantwortlich sich die Bevölkerung dafür fühlt.

Sollte mehr Aufklärung in der Bevölkerung betrieben werden?

Vorbildliche Aufklärungskampagnen werden vor allem in Spanien gemacht. Die Spanier sind sowieso in Sachen Feuermanagement sehr fortgeschritten. Das geht so weit, dass die Spanier Teams aufs Land schicken und den Landwirten helfen, sicher zu brennen. In der Landwirtschaft wird traditionell zum Vorbereiten der Felder und zur Pflege der Weiden gebrannt. Die Spanier beraten die Leute, wie sie mit dem Feuer sicher umgehen. Sie sagen nicht, dass das Feuer verboten ist und bestraft wird. In Portugal gibt es da sicherlich mehr Defizite als in Spanien.

Das Gespräch führte Alexandra Frick

Professor Johann Georg Goldammer ist Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie und des Global Fire Monitoring Centers (GFMC) des Max-Planck-Instituts für Chemie in Freiburg. Das GFMC ist das weltweite Feuer-Überwachungszentrum der Vereinten Nationen.