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Eisern nach oben

Geraldo Hoffmann (stl)1. Dezember 2006

Privatisierung lohnt sich, sagt zumindest der Chef des größten Eisenerz-Exporteurs der Welt, Roger Agnelli. Das ehemalige brasilianische Staatsunternehmen CVRD profitiert aber vor allem vom Rohstoffhunger Chinas.

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Brucutu in Minas Gerais: Die größte Eisenerz-Mine der Welt
Brucutu in Minas Gerais: Die größte Eisenerz-Mine der WeltBild: CVRD

Im Oktober 2006 wurde Roger Agnelli, Präsident von Vale do Rio Doce (CVRD), wieder einmal seinem Ruf als "Iron Man" des weltweiten Minengeschäfts gerecht. Beim Kauf der kanadischen Nickelmine Inco bewies Agnelli stählerne Nerven. Knallhart verhandelte er mit Aktionären, Arbeitern und Vertretern der Kartellbehörden aus den USA und der Europäischen Union. Er warf gewichtige Mitkonkurrenten wie das US-Unternehmen Phelps Dodge und die kanadische Teca Cominco aus dem Rennen.

Der Vorstandsvorsitzende von Companhia Vale do Rio Doce, Roger Agnelli
Der Vorstandsvorsitzende von Companhia Vale do Rio Doce, Roger AgnelliBild: CVRD

18 Milliarden US-Dollar war Agnelli die Mine wert. Es ist der größte Deal, der jemals von einem lateinamerikanischen Unternehmen abgeschlossen wurde. Der Marktwert von CVRD steigt damit auf 77 Milliarden US-Dollar. Nur der australische Konzern BHP-Billiton wird mit 135 Milliarden höher bewertet.

Karriere hart erkämpft

Agnellis Durchsetzungsvermögen ist erstaunlich. Gegen den Widerstand der "Stahlbarone", die an einem niedrigen Eisenpreis interessiert sind, setzte er in den vergangenen zwei Jahren eine hundertprozentige Erhöhung des Eisenpreises durch. Der liegt heute bei rund 40 Dollar die Tonne, Tendenz steigend.

Agnelli stammt aus einer armen italienischen Familie. Er biss sich durch, bis ganz nach oben. Vor seinem Job bei CVRD stand er an der Spitze von Bradesco, der größten brasilianischen Privatbank. Agnellis Lebensgeschichte passt perfekt zur Geschichte von CVRD. In den ersten Jahren seines Bestehens wurde das Eisenerz noch mit Hammer und Pickel und dem Schweiß der Arbeiter aus dem Berg gehauen.

Gegründet wurde CVRD im Juni 1942, per Dekret in Zeiten der Diktatur. Mit dem Eisenabbau begann das Unternehmen in Itabira, damals ein beschauliches Städtchen im Bundesstaat Minas Gerais im Südosten des Landes. Einer der größten brasilianischen Dichter, Carlos Drummond de Andrade (1902-1987) stammt aus Itabira. Er sagte über seine Heimatstadt, die Straßen seien zu 90 Prozent aus Eisen gepflastert, die Seelen zu 80 Prozent.

Steigende Gewinne

Dank CVRD wuchs Itabira. Heute hat die Stadt 170.000 Bewohner. CVRD weitete seine Aktivitäten immer weiter aus. 1951 exportierte das Staatsunternehmen die ersten 1,5 Tonnen Eisenerz. Zwischen 1969 und 1979 konnte CVRD seine Exporte um 285 Prozent erhöhen und stieg zum größten Eisenerz-Exporteur der Welt auf. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mit dem Kauf der Mine Inco ist CVRD zum zweitgrößten Player im Nickelgeschäft aufgestiegen.

Eisenerz-Mine Brucutu in Minas Gerais Brasilien
Eisenerz-Mine Brucutu in Minas Gerais BrasilienBild: CVRD

Das Staatsunternehmen hatte in seiner Geschichte bisher nur positive Bilanzen vorzuweisen, brach einen Gewinnrekord nach dem anderen. 1997 wurde Unternehmen unter der Regierung von Fernando Henrique Cardoso privatisiert.

Zwei ausländische Banken setzten den Wert der CVRD-Aktien auf 4,7 Milliarden Dollar fest. Sie hatten jedoch das große Potential des Unternehmens im Minengeschäft nicht berücksichtigt. Für 1,38 Milliarden Dollar gingen 41,3 Prozent der Aktien an das Konsortium Brasil, dem die nationale Eisenhütten-Gesellschaft (CSN), der Großinvestor Bradespar und der Pensionsfond Previ angehören.

Klagen gegen Privatisierung

Zehn Jahr nach der Privatisierung versichern die Kritiker, CVRD sei unter Preis verkauft worden. Mehr als 100 juristische Verfahren wurden eingeleitet, um den Privatisierungsprozess aufzuhalten. Manche Verfahren sind noch anhängig. Die Aussichten der Kläger sind jedoch minimal, sagen Experten. 2007 will die Bewegung der Landlosen (MST) eine Kampagne für die Renationalisierung von CVRD starten.

Während des Wahlkampfes 2006, kritisierte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den Oppositionskandidaten Geraldo Alckmin wegen dessen Privatisierungsplänen. Da mischte sich Agnelli in die öffentliche Diskussion. Nicht nur das Unternehmen, sondern die Gesellschaft habe von der Privatisierung profitiert. "Das Unternehmen wäre niemals da, wo es ist, wenn es staatlich wäre", sagte er.

Die Mine Carajas, im Norden Brasilien
Die Mine Carajas, im Norden BrasilienBild: CVRD

CVRD ist auf dem besten Weg zu einem schwergewichtigen Global Player zu werden. Es hat 39.000 Mitarbeiter und Vertretungen in 40 Ländern. In den Anfangsjahren des Unternehmes wurde das Eisenerz noch auf Eseln transportiert, heute besitzt das Unternehmen 988 Lokomotiven und 61.956 Waggon um die verschiedenen Erze, die es fördert, zu transportieren.

China lässt Nachfrage explodieren

Seinen rasanten Aufstieg verdankt CVRD zu einem großen Teil dem schier unstillbaren Rohstoffhunger Chinas. Es ist nach Brasilien der wichtigste Abnehmer von Eisenerz. Bis 2007 will CVRD seine Produktion auf 300 Millionen Tonnen ausweiten, drei Mal so viel wie 2001. Ein Großteil des Eisens soll dann aus der im September 2006 eingeweihten Brucutu-Mine kommen, die größte der Welt.