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Wahlkampf mit Skandalen

Johannes Beck, zurzeit Brasilien27. September 2006

Wenige Tage vor den brasilianischen Wahlen überschattet ein neuer Skandal den Wahlkampf. Die Regierungspartei PT von Staatspräsident Lula da Silva soll belastendes Material gegen Oppositionskandidaten gekauft haben.

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Luiz Inácio Lula da Silva umringt von einer Menschenmenge
Kurz vor den Wahlen ist Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in NötenBild: AP

Der Skandal hat Lulas Umfragewerte sinken lassen und macht den Wahlkampf in seiner Schlussphase wieder spannend. Am Sonntag (1.10.) wird gewählt. Ein blau-gelbes Fahnenmeer wogt durch die Gassen der Altstadt von Olinda im Bundesstaat Pernambuco im Nordosten Brasiliens. Es sind die Farben der sozialdemokratischen Partei PSDB (Partido da Social Democracia Brasileira), deren Anhänger hier Wahlkampf machen. Die Partei steht in Opposition zu Präsident Inácio Lula da Silva. Bisher hat sich ihr Präsidentschaftskandidat Geraldo Alckmin im Wahlkampf schwer getan, besonders hier in Pernambuco, der Heimat von Präsident Lula.

Opposition bekommt wieder Auftrieb

Brasilien Wahlen Geraldo Alckmin
Oppositionskandidat Geraldo Alckmin von der PSDB profitiert von Lulas "Blutsaugerskandal"Bild: AP

Doch seit der vergangenen Woche spürt Alckmin wieder Rückenwind. Der Grund: Die Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) von Präsident Lula wird beschuldigt, für umgerechnet rund 750.000 Euro ein Dossier mit belastendem Material gegen mehrere PSDB-Kandidaten gekauft zu haben. Und zwar vom Unternehmer Luiz Antônio Vedoin. Er war Chef einer Mafia, die jahrelang mit der Hilfe von 86 Abgeordneten und Senatoren dem Staat überteuerte Ambulanz-Fahrzeuge verkauft hat. Der Skandal war in den vergangenen Monaten aufgeflogen und unter dem Namen "Blutsauger"- bekannt geworden.

Mit dem Kauf des Dossiers von Mafiachef Vedoin wollte Lulas Arbeiterpartei nun auch wichtige Kandidaten der Oppositionspartei PSDB in die Nähe dieses Skandals rücken. Allerdings hatte die Bundespolizei das Telefon von Vedoin abgehört und so das Geschäft aufgespürt. Staatspräsident Inácio Lula da Silva setzte daraufhin seinen Wahlkampfleiter Ricardo Berzoini ab. Ansonsten ließ er aber erklären, dass er sich "betrogen" fühle, von nichts gewusst habe - und ging zum Angriff über. "Ich habe den Eindruck, dass hier einige Leute in der Opposition die demokratischen Spielregeln nicht mögen. Wenn die an die Macht kommen sollten, könnte alles passieren. Diese Leute müssen noch lernen, dass Demokratie heißt, den Willen der Mehrheit zu respektieren", so Lula.

Lula kann Verantwortung nicht abschieben

Oppositionskandidat Geraldo Alckmin kritisierte dagegen, Lula könne die Verantwortung nicht wie bei vergangenen Skandalen wieder auf andere abwälzen: "Die PT ist Lula. Es ist sehr schwerwiegend, was da passiert ist. Die Wahlen sind nun zu einem Problem für die Polizei geworden. Und zwar eines, das auch noch schlecht aufgeklärt wurde. Wir wissen bis jetzt nicht, woher das Geld kam und wer als Mentor dahinter steckte."

Brasilien Wahlen Lula da Silva in Feira de Santana
Noch jubeln sie, doch Lulas Wählerpotential schwindetBild: AP

Lula jedenfalls büßte nach einer Umfrage des renommierten Meinungsforschungs-Instituts Ibope einen Teil seines Vorsprungs ein. Er liegt mit 47 Prozent der Stimmen zwar weiter klar vor Alckmin mit 33 Prozent. Wenn man die ungültigen Stimmen und Enthaltungen abrechnet, würde es damit immer noch für einen Sieg direkt in der ersten Runde reichen. Aber der Vorsprung wird immer knapper. Vor einem Monat hatte Lula noch 15 Prozentpunkte mehr als alle seine Gegner zusammen, nun sind es nur noch drei.

Grund genug für PT und PSDB, ihren Wahlkampf zu verstärken. Bis Donnerstag (28.09) sind öffentliche Wahlkampf-Auftritte erlaubt. Am Sonntag sind die Brasilianer dann aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu bestimmen. Zur Wahl stehen auch Abgeordnete und Senatoren des Bundes sowie Parlamentarier und Gouverneure der einzelnen Bundesstaaten.