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Brasilien - Ein Wintermärchen

Fernando Caulyt (apo)15. Mai 2014

Von wegen prima Klima. Die Temperaturstürze im brasilianischen Winter und die riesigen Distanzen zwischen WM-Austragungsorten bringen insbesondere europäische Fußballspieler an ihre Belastungsgrenze.

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WM-Stadion in Manaus (Foto: MARCUS BRANDT/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Weltmeistertreffen im Dschungel: Am 14. Juni treffen in der Amazonas Arena in Manaus England (Weltmeister 1966) und Italien (Weltmeister 1934, 1938, 1982, 2006) aufeinander. Bei der bevorstehenden Partie der Champions geht es um mehr als die sportliche Leistung der Athleten. Denn als stärkster Gegenspieler der Europäer könnte sich das tropische Klima im brasilianischen Regenwald erweisen.

"Ich spiele lieber in der Todesgruppe als in Manaus", hatte der englische Coach Roy Hodgson noch vor der Gruppenauslosung im Dezember 2013 polemisiert. Sein Wunsch nach dem kleineren Übel ging nicht in Erfüllung. Englands Nationalelf spielt in Manaus - und in der Todesgruppe, bestehend aus Italien, Uruguay und Costa Rica.

Schwüle Hitze und eisige Kälte

Die unterschiedlichen Klima- und Zeitzonen Brasiliens machen nicht nur den britischen Kickern zu schaffen. Im brasilianischen Winter (Juni bis August) schwanken die Temperaturen zwischen eisigen zwei Grad in den Austragungsorten Porto Alegre und Curitiba im Süden des Landes und schweißtreibenden 30 Grad im Norden und Nordosten. Nach Einschätzungen von Experten sind die riesigen Entfernungen und das Wetter die wahren Feinde der WM.

England Nationaltrainer Roy Hodgson beim Training seiner Mannschaft (Foto: Robin Parker Fotosports International)
Englands Nationaltrainer Roy Hodgson übte harsche Kritik am Austragungsort ManausBild: picture alliance/Photoshot

In Manaus liegt die Luftfeuchtigkeit bei über 80 Prozent, die Temperaturen erreichen mindestens 30 Grad. In São Paulo werden es maximal 20 Grad, und die Luftfeuchtigkeit erreicht 60 Prozent. Dies belastet den Organismus enorm", erklärt Miguel de Arruda, Sportwissenschaftler an der renommierten Universität von Campinas im Bundestaat São Paulo, Unicamp. Normalerweise brauche der Körper mindestens drei Tage, um sich zu akklimatisieren. Arruda: "Diese Zeit werden die Spieler während der WM nicht haben".

Am stärksten ist die Mannschaft der USA dem klimatischen Wechselbad ausgesetzt. Das Team des deutschen Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann muss zwischen seinem Quartier in São Paulo und den Austragungsorten Manaus, Natal und Recife hin- und herfliegen und legt dabei allein in der Vorrunde bereits über 14.000 Kilometer zurück.

Gute Ausgangsposition für DFB-Elf

Die Briten, die sich in Rio einquartiert haben, bringen es in der Vorrunde auf rund 7000 Kilometer. Am besten ergeht es der deutschen Mannschaft, die ihr erstes Spiel in unmittelbarer Nähe des Quartiers in Salvador absolviert. Ihre Reisen hin und zurück nach Fortaleza und Recife beschränken sich auf rund 3500 Kilometer.

Jürgen Klinsmann beim Besuch des Stadions in Manaus (Foto: AP Photo/Raphael Alves)
Reiseweltmeister: Jürgen Klinsmann reist mit dem US-WM-Kader 14.000 Kilometer in BrasilienBild: picture-alliance/AP Photo

Für das Team von Jogi Löw bedeutet dies einen strategischen Vorteil. Denn die extremen Temperaturschwankungen, denen Amerikaner und Briten ausgesetzt sind, beeinträchtigen die sportliche Leistungskraft der Spieler und erhöhen deren Verletzungsgefahr.

Die Uhrzeit könnte sich als ein weiterer Problemfaktor erweisen: Von den insgesamt 64 Spielen während der WM beginnen 24 Partien mittags um 13 Uhr, ausgerechnet dann, wenn es in vielen brasilianischen Austragungsorten besonders heiß ist.

Medizinische Betreuung ist entscheidend

"In der Hitze ist der Flüssigkeitsverlust sehr groß, Leistungsfähigkeit und Bewegungsfertigkeit sinken, und dies wiederum kann zu Verletzungen führen", sagt Sportphysiologe Turíbio Leite de Barros, der von 1991 bis 1994 die brasilianische Nationalmannschaft betreute. Für den Leiter der Klinik "Physio Institute" in São Paulo haben es insbesondere die Mannschaften aus Europa schwer, unter diesen Bedingungen zu spielen und sich zu akklimatisieren.

Porträt von Tim Meyer (Foto: Marcus Brandt dpa)
Für DFB-Mannschaftsarzt Tim Meyer ist Brasiliens Klima eine HerausforderungBild: picture-alliance/dpa

Angesichts der großen Temperaturstürze und Distanzen gewinnt die medizinische Betreuung der jeweiligen WM-Kader zunehmend an Gewicht. Mannschaftsärzte, Ernährungswissenschaftler und Physiotherapeuten stehen vor der Herausforderung, die Auswirkungen auf die Spieler mit einer besonderen Diät, speziellen Trainingseinheiten und Präventionsmaßnahmen abzufedern.

"Natürlich entscheidet die Mannschaftsleistung", meint Sportwissenschaftler Miguel de Arruda. "Aber um diese stabil zu halten, sind die Teamärzte gefragt". Für Miguel de Arruda, der auch den brasilianischen Leichtathletikverband berät, steht fest: "Der Mannschaftsarzt und sein Team sind bei dieser WM entscheidend".