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Brasilien verzichtet auf die Revolution

Tobias Käufer29. November 2012

Gut 18 Monate vor der Fußball-Weltmeisterschaft hat sich Gastgeber Brasilien für eine neue Doppelspitze aus bewährten Kräften entschieden: Luis Felipe Scolari als Trainer und Carlos Alberto Parreira als Sportdirektor.

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Luiz Felipe Scolari spricht auf der Pressekonferenz anlässlich seiner erneuten Verpflichtung als Brasilanischer Nationaltrainer. (Foto:Silvia Izquierdo/AP/dapd)
Bild: AP

Am Ende war es Joseph Blatter, der allmächtige Präsident des Weltfußball-Verbandes FIFA, der mit sanftem Druck die Verantwortlichen des brasilianischen Verbandes daran erinnerte, dass das Gastgeberland spätestens am Samstag bei der Auslosung zum Konföderationenpokal 2013 in Sao Paulo einen Trainer zu präsentieren habe. Ausgerechnet die Hausherren ohne Trainer und Sportdirektor - nicht vorstellbar sei das, sagte Blatter mit besorgter Miene am Donnerstag in der brasilianischen Millionenstadt am Rande der FIFA-Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Kandidaten der Weltfußballer des Jahres.

Vielleicht auch deshalb setzt Brasilien nun auf eine Doppelspitze, die für Bewährtes statt für Innovation steht. Als Trainer wird der Weltmeistercoach von 2002 Luis Felipe Scolari (64) und als Sportdirektor der Weltmeistercoach von 1994 Carlos Alberto Parreira (69) die Seleção auf das WM-Turnier im eigenen Land vorbereiten. Ihre Mission ist klar: Brasiliens Fans erwarten nichts anderes als den sechsten Weltmeistertitel. Alles andere wäre eine herbe Enttäuschung. Damit ist die glücklose Ära von Mano Menezes endgültig beendet. Er wurde am vergangenen Freitag entlassen.

Palmeiras head coach Luiz Felipe Scolari talks to his players during their Copa Sudamericana 2010 football semifinals match against Goias, at Serra Dourada stadium in Goiania, Brazil on November 17, 2010. AFP PHOTO/Evaristo SA (Photo credit should read EVARISTO SA/AFP/Getty Images)
Scolari führte Brasilien 2002 zum bisher letzten WM-TitelBild: EVARISTO SA/AFP/Getty Images

Guardiola war Favorit der Fans

"Das Volk wird mit unserer Wahl zufrieden sein", hatte CBF-Präsident José Maria Marin zuvor bedeutungsschwanger erklärt. Damit traf er allerdings nicht den Nerv der Mehrheit seiner Landsleute. Die hatten sich zuvor für den Spanier Pep Guardiola ausgesprochen, der sich nach seiner erfolgreichen Zeit beim FC Barcelona selbst eine Auszeit verordnete.

Scolari gilt als die bequemste Lösung für alle Beteiligten. Nach seinem durchwachsenen Engagement bei Palmeiras Sao Paulo (Pokalsieg und Abstiegskampf) hatte der Trainer seinen Rücktritt erklärt und war somit sofort verfügbar. Der rustikale Coach gilt vor allem als exzellenter Nationaltrainer. Seinen größten Erfolg feierte er mit Brasilien 2002 mit dem 2:0-Finalsieg über Deutschland in Japan. Auch damals blieb ihm nur eine Vorbereitungszeit von knapp einem Jahr. Er wurde berufen, weil sich die Nationalmannschaft um Ronaldo und Co. in einer spielerischen Krise befand. Mit Portugal gelang ihm immerhin der Einzug ins Finale bei der EM 2004 im eigenen Land, zwei Jahre später führte er die ehemalige Kolonialmacht Brasiliens ins Halbfinale der WM 2006 in Deutschland.

Als Vereinstrainer fehlte ihm dagegen eine glückliche Hand. Beim FC Chelsea konnte er ebenso wenig durchgreifende Akzente setzen wie jüngst bei Palmeiras in Sao Paulo oder zuvor Bunyodkor Taschkent in Usbekistan. Eigentlich befand sich die Karriere Scolaris schon im Sinkflug.

Scolari bestens vernetzt

Scolari bringt neben seiner Vita als Nationaltrainer allerdings noch ein zweites großes Faustpfand mit. Er ist Sportberater der brasilianischen Regierung und hat exzellente Kontakte zum Sportministerium. Das wiederum könnte CBF-Präsident Marin hilfreich sein, der die Nähe von Präsidentin Dilma Rousseff suchte, aber bislang nur wenig Gehör fand. Die sportpolitische Vernetzung ist in Brasilien fast genauso wichtig wie die Qualität als Trainer. Eine seine großen Stärken ist die Fähigkeit, eine Mannschaft zusammenzuschweißen. Wegen dieser Qualität sprechen die brasilianischen Medien gerne von der "Familie Scolari“, wenn sie auf die Harmonie im WM-Team von 2002 zurückblicken.

Entsprechend diplomatisch fielen die ersten Worte des neuen Hoffnungsträgers des brasilianischen Fußballs aus: "Ich bin sehr glücklich, und ich danke dem CBF 1001 Mal für diese Entscheidung.“ Zustimmung gab es auch von anderen Größen des brasilianischen Fußballs. Der dreifache Weltfußballer Ronaldo, der unter Scolari 2002 endgültig zum Weltstar aufstieg, beglückwünschte Scolari: "Das ist eine große Herausforderung für ihn." Auch FIFA-Präsident Blatter kann sich nun beruhigt zurücklehnen: "Sie bereiten die WM vor, und sie haben die Auslosung zum Konföderationen-Pokal. Brasilien ohne Trainer, das ist keine Option.“