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Bratislava will bis Ende 2002 EU-Beitrittsverhandlungen abschließen

21. März 2002

– Bedingung: Das Parlament muss bis Jahresende in nur zwei Sitzungen vierzig Gesetze verabschieden

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Prag, 21.3.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Lubos Palata

Der Slowakei ist in den vergangenen Jahren ein kleines Wunder gelungen. Sie hat in der Anzahl der abgeschlossenen Kapitel einige Länder der ersten Beitrittswelle klar überholt, obwohl diese damit fast zwei Jahre früher begonnen haben als Bratislava. Es bestätigt sich die Tatsache, dass die Slowakei zu den postkommunistischen Staaten gehört, die als erste der Europäischen Union beitreten sollten. In den vergangenen Wochen scheint es aber, als habe die Regierungsmannschaft von Mikulas Dzurinda vergessen, dass die Mitgliedschaft in der EU das Hauptziel ihrer vierjährigen Bemühungen darstellt. (...)

Bratislava missglückte 1997 die Eröffnung der Beitrittsgespräche in der ersten Welle der Kandidatenländer aus einem einzigen Grund. Die damalige Regierung von Vladimir Meciar erfüllte die so genannten "Kopenhagener Kriterien" für den EU-Beitritt nicht, weil Brüssel Meciars Methoden als undemokratisch brandmarkte.

Nach den Wahlen von 1998, als es den Parteien der Anti-Meciar-Koalition gelungen war, ein neues Kabinett aufzustellen, hat sich die Lage schnell geändert. Dank einer guten Vorbereitung, der Übernahme der Erfahrungen von Tschechien, Polen und Ungarn, die bereits mit der EU verhandelten, aber auch dank einer flexiblen Einstellung, nicht die nationalen Interessen zu sehr in den Vordergrund zu stellen, wurde die Slowakei ein Land, das in der Praxis das Regatta-Prinzip bestätigt hat. Mit anderen Worten: Weil Brüssel keine Unterschiede mehr zwischen den Staaten der ersten und zweiten Erweiterungswelle macht, konnte die Slowakei vorrücken. (...)

Die Slowakei gehört heute zu der zehnköpfigen Gruppe, mit deren Aufnahme 2004 Brüssel bereits fest rechnet. Die Position Bratislavas wird dabei nicht nur von der Anzahl der verhandelten Kapitel bestätigt. Für die Slowakei sprechen auch die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und die allgemeine wirtschaftliche Reife, die sich heute mit einem solch starken Kandidatenland wie Ungarn messen lassen kann.

Dennoch bleibt noch manches zu tun. Das slowakische Parlament, das in dieser Legislaturperiode nur noch zwei turnusgemäße Sitzungen vor sich hat, muss noch rund 40 Gesetze verabschieden, ohne die ein Abschluss der Beitrittsverhandlungen dieses Jahr im Dezember nicht möglich ist. Allerdings kann man nicht bis zum Jahresende warten. "Der EU-Fortschrittsbericht, der eine Schlüsselbedeutung besitzt, wird auf Grundlage des tatsächlichen Standes ausgearbeitet", warnt der Vorsitzende der Regierungspartei der bürgerlichen Verständigung (SOP), Pavol Hamzik. Er schlägt vor, dass die sogenannten Europa-Gesetze in den Parlamentssitzungen absoluten Vorrang genießen sollten.

Derzeit sieht es aber in der gesetzgebenden Kammer der Slowakei so aus, als habe alles andere Vorrang. Die Abgeordneten der Opposition und der Regierungsparteien setzen in letzter Zeit eigene Vorschläge auf das Programm der Sitzungen, die oft zum Ziel haben, die Lobby-Interessen unterschiedlicher Wirtschaftsgruppen oder enge ideologische Vorstellungen einzelner Abgeordneter durchzusetzen. Die unnachgiebigen Versuche der oppositionellen HZDS, die schon sehr aus dem Leim gegangene Regierungskoalition weiter zu destabilisieren, erhöhen noch das Chaos. (...)

Der slowakische Premier Dzurinda, der Anfang der Woche Brüssel besuchte (18.-19.3.), hörte nur Worte des Lobes. Bis auf eine Ausnahme: bezüglich der Debatte über die Benes-Dekrete, die auch die Slowakei betrifft. Brüssel machte Mut, in den Bemühungen nicht nachzulassen. Diese Botschaft sollte nach Dzurindas Ankunft auch das Parlament hören. Vorausgesetzt, dass in den Abgeordnetenbänken überhaupt jemand sitzt. (ykk)