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Brauchen wir Goldmedaillen?

Benjamin Wüst8. Dezember 2008

"Dabei sein ist alles", soll Baron de Coubertin am Rande der Olympischen Spiele 1908 gesagt haben. 100 Jahre später scheint das olympische Motto zu bröckeln. Reicht es wirklich aus "nur" dabei zu sein?

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Muss es immer Gold sein? Hier Reit-Olympiasieger Hinrich Romeike (mitte)Bild: AP
Olympische Sommerspiele 2008 in Peking Lena Schoenborn
Biss auf Gold: Olympiasiegerin SchönebornBild: picture-alliance / Sven Simon

Lena Schöneborn war dabei. Sie wurde bei den Spielen in Peking Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf und spürt seit dem, wie viel so eine Medaille verändern kann. "Ich denke schon, dass wir Goldmedaillen brauchen. Das tut dem Sport, den Vereinen und auch dem Nachwuchs sehr gut. Seit meiner Goldmedaille haben wir in den Vereinen, die Modernen Fünfkampf anbieten, mehr neue Anmeldungen. Wenn eine Sportart ein Gesicht hat, dann ist das nur hilfreich."

"Nur" dabei zu sein reicht nicht

Die Olympischen Spiele sind die Wettkampfplattform der besten Leistungssportler der Welt. Der Erfolgsdruck ist für viele Athleten enorm. Medaillen müssen her. Fans, Politiker, Sportfunktionäre und Sponsoren wollen Resultate sehen – Podiumsplätze, Goldmedaillen. Kaum ein Sportler wird gefeiert, "nur" weil er "dabei ist". Die Aufmerksamkeit gehört den Rekordjägern.

Schneller, höher, weiter, ist das eigentliche Motto der Spiele und des Leistungssports. Nationale Stars sollen repräsentieren, eine ganze Nation stolz machen. "Ich sehe schon ein hinreichend großes Bedürfnis, die Leistungsfähigkeit unseres Landes auch in einer Medaillenbilanz Olympischer Spiele nachweisen zu wollen, und ich finde das auch legitim." Sagt Christoph Bergner, Staatsekretär des Bundesministeriums des Inneren, das auch für Sport zuständig ist.

Christoph Bergner Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
Staatssekretär Bergner: "Wir brauchen Goldmedaillen"Bild: picture-alliance / dpa

Wer braucht eigentlich Goldmedaillen? Der Sportler selbst? Die einzelnen Sportverbände? Die Gesellschaft oder wirklich die Nation an sich? Der Medaillenspiegel wird zum Gradmesser des Erfolges, nicht nur der Athleten, sondern ganzer Staaten. Goldmedaillen sollen die Fortschrittlichkeit der Nation ausdrücken. Heute ist es China, in Zeiten des Kalten Krieges waren es die Sowjetunion und die DDR, die Olympiatitel, sportliche Höchstleistungen, missbrauchten, um die vermeintliche Überlegenheit ihres politischen Systems zu unterstreichen.

"Wir wollen Lorbeer, aber keinen schmutzigen"

Thomas Bach, Präsident des Deutschen-Olympischen Sportbundes (DOSB), geht es nicht so sehr um den Staat, sondern um die Bedeutung des Leistungssports für die Menschen. "Die Gesellschaft braucht den Sport. Spitzensport und Breitensport sind unlösbar miteinander verbunden", sagt er. "Der Spitzensport hat eine Vorbildfunktion, die unverzichtbar ist". Und Bach hat noch ein Argument für die Notwendigkeit von Goldmedaillen: "Wir brauchen sie, um in unsere Gesellschaft glaubwürdig den Leistungsgedanken und die Wertvorstellungen zu verbinden. Wir wollen Erfolg, aber wir wollen nur saubere Erfolge. Das heißt: Wir wollen Lorbeer, aber wir wollen keinen schmutzigen Lorbeer." Also keinen Erfolg um jeden Preis. Eine strikte Absage an Doping.

Der Erfolgsdruck auf die einzelnen Athleten hat dennoch zugenommen, findet Professor Dietmar Mieth, Theologe und Ethiker an der Universität Tübingen: "Ja, wir brauchen Goldmedaillen aber nicht um jeden Preis. Aber wir müssen natürlich schon in die Frage hineinschauen: Welche Preise zahlen wir denn, um den Erfolg zu haben."

Welche Preise zahlen wir? Was ist uns eine Goldmedaille wert? Ist es nicht zu einfach zu sagen: Wir wollen Gold, aber natürlich kein Doping. Ist es nicht zu einfach: Sich im Licht des Olympiasiegers zu sonnen und den Dopingbetrüger zu verteufeln?

Doping Teil eines Systemfehlers

Deutschland China Thomas Bach zu Olympia
DOSB-Chef Bach: "Nur saubere Erfolge"Bild: AP

Das System "Leistungssport" ist anfällig für Doping. Vor allem die Kommerzialisierung, die Vermarktung des Leistungssports, jede Menge Geld, die an sportlichen Ergebnissen hängt, sorgt für Druck und Abhängigkeiten. Kommt der Erfolg nicht so schnell wie erwünscht oder geplant, schwinden die Kräfte altersbedingt, erliegt so manch ein Sportler der Versuchung mit verbotenen Mitteln nachzuhelfen. Das Radfahren, die Leichtathletik, der Wintersport ist ihr Leben. Einige haben ja nie etwas anderes gemacht und gelernt. Sie haben keinen Plan B.

Baron de Coubertins Satz "Dabei sein ist alles", sollte für die Sportler bei Olympischen Spielen nicht alles sein. Muss es deshalb gleich eine Goldmedaille sein? Die Antwort könnte in einer weiteren Aussage Coubertins liegen. DOSB-Präsident Thomas Bach erinnert an sie: "Der zweite Satz Coubertins gehört untrennbar zum ersten: Entscheidend ist es, gut gekämpft zu haben. Darin unterstützen wir die Athleten. Das fordern wir aber auch von ihnen. Wenn gut gekämpft wurde, ist jeder Athlet mit sich zufrieden und dann muss auch jede Organisation zufrieden sein."