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Osteuropabank

Marc Kalpidis (dapd)18. Mai 2012

Im Poker um die Vergabe mehrerer Spitzenposten der EU-Finanzwelt ist eine Vorentscheidung gefallen: die Personalrochade könnte Schäubles Aussicht auf Eurogruppen-Vorsitz erhöhen.

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Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Sitz London Copyright: EBRD Mai, 2012
EBRD Hauptsitz in LondonBild: EBRD

Der Brite Suma Chakrabarti übernimmt den Chefsessel der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) - und ebnet damit möglicherweise Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Weg zum Eurogruppen-Vorsitz. Wie die EBRD auf ihrer Jahrestagung am Freitag in London bekannt gab, wählten die Anteilseigner Chakrabarti zum Nachfolger von Thomas Mirow. Der Deutsche hatte die Osteuropabank seit 2008 geführt.

Neben Chakrabarti und Mirow, der sich erfolglos um eine zweite Amtszeit bewarb, gingen drei weitere Kandidaten ins Rennen: der französische Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, Philippe de Fontaine Vive, Polens früherer Ministerpräsident Jan-Krzysztof Bielicki sowie der ehemalige serbische Vize-Regierungschef Bozidar Djelic. Demnach konnte Chakrabarti eine Mehrheit der 65 Anteilseigner und ihrer nach Kapitalanteilen gewichteten Stimmen auf sich vereinen.

Die Frist der EU-Finanzminister, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, war bereits am Dienstag verstrichen. Beim Treffen der Ressortchefs in Brüssel fand keiner der fünf Anwärter die notwendige Mehrheit. "Ich finde es nicht dolle, dass wir keine europäische Position haben", hatte Schäuble das Patt kommentiert.

Mosaikstein im europäischen Postengeschacher

Mit der Postenvergabe sind eine Reihe weiterer wichtiger Personalentscheidungen verbunden. Zuvorderst die des Eurogruppen-Vorsitzenden, eines der mächtigsten Jobs in der Währungsunion. Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem Luxemburger Jean-Claude Juncker in dieser Funktion nachfolgen dürfte. Frankreich wiederum wurde seit Wochen Interesse am EBRD-Chefposten nachgesagt.

Luxembourg's Finance Minister Jean Claude Juncker, right, talks with German Finance Minister Wolfgang Schaeuble, left (Foto: dapd)
Wird der Brite Chakrabarti Osteuropa-Chef, dann steigen die Chancen für Bundesfinanzminister Schäuble (l.), den luxemburgischen Ministerpräsidenten Juncker (r.) als Eurogruppen-Chef abzulösenBild: dapd

Zum Juni muss außerdem ein neues Direktoriumsmitglied für die Europäische Zentralbank (EZB) ernannt sein. Als aussichtsreichster Kandidat galt bislang der luxemburgische Notenbankchef Yves Mersch. Und der permanente Eurorettungsfonds ESM, der im Juli eingerichtet werden soll, muss auch geführt werden. Sollte Schäuble die Eurogruppe übernehmen, könnte der Chef des befristeten Rettungsschirms EFSF, der Deutsche Klaus Regling, wohl nicht den ESM leiten. Madrid hat hierfür bereits die Spitzenbeamtin Belén Romana García ins Rennen geschickt.

Sondergipfel am 23. Mai soll mehr Klarheit bringen

Denkbar wäre eine Spanierin an der Spitze des Rettungsschirms aber nur, wenn ein Deutscher als Eurogruppen-Chef die Zügel in der Hand hielte. Eine Lösung gibt es nach diesem Ämterproporz also nur im Paket. Und dazu wurde bislang eben auch der Chefsessel der Osteuropabank gezählt. Dass Mirow, ehemals Staatssekretär im SPD-geführten Finanzministerium von Peer Steinbrück, diesen jetzt räumen muss, dürfte die weiteren Entscheidungen zumindest beschleunigen - sofern sie nicht bereits gefallen sind.

Mehr Klarheit dürfte der kommende Mittwochabend (23. Mai) bringen: Dann treffen sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Sondergipfel und verhandeln über Wachstumsmaßnahmen für Europa.

Bisher wurde die 1991 gegründete Osteuropabank stets entweder von einem Franzosen oder Deutschen geführt. Von 1998 bis 2000 etwa stand der spätere Bundespräsident Horst Köhler dem in London sitzenden Kreditinstitut vor, das die Länder Mittel- und Osteuropas sowie der ehemaligen Sowjetunion beim Übergang zur Marktwirtschaft unterstützen soll.

Heute finanziert die EBRD in 29 Ländern vor allem Projekte im privaten, aber auch im öffentlichen Sektor. Im vergangenen Jahr betrug das Investitionsvolumen mehr als neun Milliarden Euro. Die Anteile an der Osteuropabank verteilen sich auf 63 Staaten, die EU und die Europäische Investitionsbank. Dank ihrer hohen Kreditwürdigkeit - die Ratingagenturen verleihen ihr die Top-Bonität AAA - kann sich die EBRD auf den Finanzmärkten besonders günstig refinanzieren.