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Britische Notenbank schaltet auf Krisenmodus

5. Juli 2016

Nach dem Brexit-Votum sieht die britische Notenbank zahlreiche Stabilitätsrisiken für den Finanzsektor des Königreichs. Daher lockert sie in einem ersten Schritt einige Regeln für die Akteure auf den Finanzmärkten.

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Symbolbild - Bank of England
Bild: Getty Images

Als Reaktion auf die Schockwellen des Brexit-Votums in der Wirtschaft und Finanzwelt schaltet die britische Notenbank auf Krisenmodus um. Die Bank of England (BoE) warnte am Dienstag vor gravierenden Folgen für die Finanzstabilität des Landes durch das "Ja" der Bevölkerung zum EU-Austritt. Um die Finanzwelt vor Schlimmerem zu bewahren, lockerte sie mit sofortiger Wirkung die Kapitalregeln für Banken. "Das Vereinigte Königreich ist in einer Phase der Unsicherheit und bedeutender konjunktureller Anpassungen", sagte BoE-Chef Mark Carney in London. Die Währungshüter stünden bereit, für funktionierende Märkte zu sorgen. Im Tagesverlauf wollte sich zudem Finanzminister George Osborne mit den Spitzen der Bankenbranche abstimmen. Die Aktienmärkte in ganz Europa gingen erneut auf Talfahrt.

Das Pfund Sterling sackte um fast zwei Cent auf ein 31-Jahres-Tief von 1,3112 Dollar ab. Zum Euro fiel das Pfund auf den tiefsten Stand seit zweieinhalb Jahren. "Anleger haben Sorgen vor den politischen Unsicherheiten in Großbritannien", sagte Analystin Sonja Marten von der DZ Bank.

Aus Furcht vor einem Wiederaufflackern der globalen Finanzkrise haben die EZB und andere Zentralbanken nach dem Brexit-Votum die Handelsräume großer Geldhäuser mit Kontrollanfragen bombardiert. Wie Reuters von Insidern aus der Finanzbranche erfuhr, verschafften sich die britische und die US-Notenbank sowie die EZB zeitnah ein umfassendes Bild von den Aktivitäten am Markt, um frühzeitig drohende Turbulenzen erkennen zu können. Ein Banker sagte, nie zuvor habe es solche Kontrollanrufe so häufig und so durchgehend gegeben. Offenbar habe es die Sorge gegeben, das überraschende Anti-EU-Votum könne an den Finanzmärkten zu solch gravierenden Problemen führen wie der Kollaps der US-Investmentbank Lehman im Herbst 2008.

Ausreichend Liquidität vorhanden

Auch die britische Notenbank ist weiter auf der Hut: "Im Notfall können wir ausreichend Liquidität zur Verfügung stellen", betonte Carney. Aus Furcht vor einer Verknappung des Kreditangebots lockerte die BoE die Vorgaben für Banken. Sie müssen vorerst nicht mehr Geld für schlechtere Zeiten beiseitelegen. Dass der bereits beschlossene spezielle Kapitalpuffer bis mindestens Juni 2017 ausgesetzt bleibe, heiße aber nicht, dass die Geldinstitute mehr Spielraum für höhere Dividenden erhielten, so Carney. Vielmehr solle die Kreditvergabe an Firmen und Haushalte angekurbelt werden.

Die Notenbank in London hatte nach dem Brexit-Votum schon eine Lockerung ihrer Geldpolitik in Aussicht gestellt. Im Laufe des Sommers würden vermutlich geldpolitische Anreize benötigt, sagte Carney jüngst. Investoren rechnen damit, dass die BoE den Leitzins im Sommer senkt - möglicherweise sogar bis auf 0,0 Prozent. Aktuell liegt er mit 0,5 Prozent bereits auf einem historisch niedrigen Niveau. Es wird mit einer längeren Phase der Unsicherheit gerechnet, wodurch die Konjunktur und insbesondere die britischen Exportaussichten getrübt werden dürften.

Die Stimmung unter den Unternehmern auf der Insel hat sich nach dem Brexit-Votum bereits massiv verschlechtert. Bei der jüngsten Umfrage der Forschungsinstitute YouGov und Centre for Economics and Business Research gaben 49 Prozent der Firmen an, den allgemeinen wirtschaftlichen Ausblick für die nächsten zwölf Monate pessimistisch zu bewerten. Vor dem Referendum waren nur 25 Prozent dieser Ansicht. Und die britische Kaufhauskette John Lewis bekommt die Zurückhaltung der Konsumenten schon zu spüren: In der Woche nach dem Referendum legten die Einnahmen nur um 2,1 Prozent zu. In der Woche zuvor, dem Beginn des Sommerschlussverkaufs, lag das Plus noch bei 7,3 Prozent.

hb/nm (rtr)