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Glaube

Brot und Spiele – Unfromme Gedanken um Fronleichnam

20. Juni 2017

Fronleichnam kein Feiertag! Hildegard König von der katholischen Kirche erlebt das an ihrem Wohnort und feiert wie so viele an diesem Sonntag nach. Eine Erfahrung, die sie ins Nachdenken bringt.

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Bild: rimmdream/fotolia.de

Fronleichnam – katholisch geprägte Gebiete haben es gut: Ein Feiertag und ein verlängertes Wochenende. Straßen und Plätze putzen sich heraus, die Leute auch, Blaskapelle und Blumenstreukinder. Mit Himmel, Kreuz und Fahnen wird der „Leib Christi“ in die Welt hinaus getragen: Einmal im Jahr herausgeholt aus dem Dunkel von Kirche und Tabernakel, wird er dem Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt, freilich nicht ausgeliefert wie weiland nahe Jerusalem, sondern verwahrt hinter Glas und gerahmt von Gold und Silber und gehalten von tuchbedeckten Händen – so heilig das alles.

 

Bei uns, in der Diaspora, wo katholische Christen eine kleine Minderheit sind, ist Fronleichnam ein Werktag und findet nach Feierabend statt, meist jedoch am folgenden Sonntag. Weil wir so wenige sind, geht es schlecht ohne die Evangelischen, die einen Posaunenchor haben und einen schönen großen Platz vor der Kirche und auch drinnen genug davon im Fall, dass es in die Feier regnet. Es ist ein schönes Zeichen nachbarschaftlicher Verbundenheit, wenn wir so zusammen in aller Öffentlichkeit feiern.

 

Diese ist allerdings recht begrenzt, erstreckt sich auf ein paar Straßenzüge und wenige Schaulustige, die eher befremdet als belustigt aus der Distanz ihrer Fenster die fromme Demonstration betrachten, bis die sich zuletzt in die angestammte Kirche zurückzieht, dorthin, wo die Christen unter sich sind, und vielleicht hinterher auf den Pfarrhof zum gemeinsamen Essen, wo man gerne einladend sein will, aber doch meistens auch unter sich bleibt.

 

Jesus wollte Lebenshunger stillen

 

Fronleichnam ist im Mittelalter entstanden aus dem Bedürfnis, das „Allerheiligste“, nämlich Brot und Wein als Leib und Blut Christi zu verehren. Dieses „Allerheiligste“ geht zurück auf die Anfänge der ersten Christengemeinden. Diejenigen, für die Jesus von Nazareth der Messias war, kamen zusammen, erinnerten sich an sein letztes gemeinsames Abendessen im Freundeskreis am Tag vor seinem Sterben. Derart haben sie selbst Brot und Wein geteilt und folgten so seinem Auftrag: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,24-25). Katholische Messen und evangelische Abendmahlsfeiern verstehen sich auch heute noch als Mahlgemeinschaft in Erinnerung daran. Und die öffentliche Feier des Fronleichnamsfestes will diese Erinnerung wach halten und anschaulich machen.

 

Brot und Wein als Leib und Blut Christi – war damals eine Provokation, die Diskussionen auslöste bei denjenigen, die ihre Erinnerungen an Jesus als Johannesevangelium zu Papier brachten. Das Textstück, das am Fronleichnamsfest rezitiert wird (Joh 6,51-58) zeigt, wenn man es im Zusammenhang des gesamten Kapitels liest, wie skandalös diese Vorstellung zunächst war. Nach der Erzählung (Joh 6) begann alles mit einem großen, improvisierten Picknick, bei dem auf Anweisung des Rabbi Jesus aus Nazareth eine Menge Leute – man redet von 5.000 – genug zu essen bekamen, obwohl es nur wenig zu verteilen gab. Dies wurde durchaus als ein wunderbares Ereignis verstanden, und einem solchen Versorger hätte man sich gerne unterstellt im Wissen um den bald wieder leeren Magen. Jesus wollte es aber anders, umfassender verstanden wissen: Er wollte Lebenshunger stillen und seinen Gott der Welt nahe bringen.

 

So begann dann der Streit, in dem er sich selbst als „Brot des Lebens“ bezeichnet haben, mehr noch sein eigen Fleisch und Blut als Grundnahrungsmittel für das ewige Leben angeboten haben soll: Brot des Lebens sei sein Fleisch, hingegeben für das Leben der Welt (Joh 6,51). Die Reaktion war Unverständnis und Ablehnung: „Was er sagt, ist unerträglich“ (Joh 6,60). Auch ein Teil seiner Freunde wandte sich von ihm ab.

 

Der Nähe zum Alltäglichen entzogen

 

Hinter dem dargestellten Konflikt lässt sich erahnen, wie sehr die ersten Christen um das Verständnis jener Worte rangen, die Jesus nach der Überlieferung beim letzten Abendmahl gesprochen hat: das Brot, sein Leib, der Kelch, sein Blut (1 Kor 11,24-25).

 

Dieses Ringen um Verständnis hat im Laufe der Jahrhunderte nicht nachgelassen und die Missverständnisse auch nicht. Im Streit um das „Allerheiligste“ geriet die Welt bald aus dem Blick: Das Tun zu seinem Gedächtnis (1 Kor 11,24-25), also das Essen und Trinken miteinander und in Erinnerung an Jesus, wurde der Nähe zum Alltäglichen entzogen und als heilige Handlung separiert. Aus der Gabe an die Welt, in der sich Gott einmischt in deren Geschick – Grund, um Weihnachten und Ostern, Pfingsten und Fronleichnam zu feiern –, wurde die kostbare Gabe an Gott, die sich den Zumutungen der Welt entzieht.

 

Vielleicht sollten wir Fronleichnam weltoffener feiern: Tische und Stühle auf die Straßen und Brot und Wein darauf, essen und trinken in Erinnerung an diesen Anfang, sich begegnen, kennen und schätzen lernen, miteinander singen und spielen, zusammen ein Fest feiern. Wäre das zu profan? Bei Gott nicht.

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Warum nicht weltoffener Fronleichnam feiern? Tische und Stühle raus auf die Straßen und in die Gärten, sich begegnen, gemeinsam essen und trinken in Erinnerung an Jesus mitten unter den Menschen. Foto: rimmdream/fotolia.de

 

Prof. Dr. Hildegard König, Chemnitz
Bild: Hildegard König

Prof. Dr. Hildegard König hat in Tübingen katholische Theologie und Germanistik studiert. Ein Schwerpunkt ihrer Forschung liegt im Bereich „Alte Kirchengeschichte und Patristik“. Nach einem Studienaufenthalt in Rom lehrte sie an den Universitäten Luzern, Frankfurt, Tübingen und an der RWTH Aachen. Nach einer Gastprofessur an der LMU München arbeitet sie seit 2011 als Professorin für Kirchengeschichte an der Technischen Universität Dresden. Darüber hinaus ist sie als freie Dozentin tätig.