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Brown laufen die Ministerinnen davon

3. Juni 2009

Noch ein Tiefschlag für Premier Brown im Londoner Spesenskandal: Einen Tag vor den Europa- und Kommunalwahlen kündigte eine weitere Ministerin ihren Rücktritt an. Das Kabinett zerfällt, die Labour-Partei rebelliert.

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Portrait Brown (dpa)
Angeschlagen: Premier Brown

Die zweite Ministerin innerhalb 24 Stunden, das vierte Regierungsmitglied insgesamt: Die Regierung unter Gordon Brown zerbröselt immer mehr und muss wohl spätestens nach den Wahlen komplett neuformiert werden.

Am Mittwoch (03.06.2009) kündigte Hazel Blears, Ressortchefin für Regionen und Lokalverwaltungen, ihren Amtsverzicht an, wie kurz zuvor die ebenfalls in die Spesenaffäre verstrickte Innenministerin Jacqui Smith. Auch zwei Staatssekretäre hatten bereits ihren Rückzug aus dem Kabinett in Aussicht gestellt.

Premier nicht mehr Herr der Lage

Blears mit roter Mappe
Hazel Blears: Teilte in London offiziell ihren Abschied mitBild: AP

Beobachter kommen zu der Einschätzung, dass der sowieso angeschlagene Premierminister nun der Chance beraubt wurde, mit einer radikalen Kabinettsumbildung noch einmal Führungsqualität zu beweisen. Er erscheint als Getriebener und nicht mehr als dominierende Kraft seiner Labour-Partei. Auch im eigenen Lager werden die Stimmen nach seinem Sturz immer lauter.

Die Zeitung "Guardian" berichtete auf ihrer Website, mehrere abtrünnige Labour-Mitglieder versuchten, per E-Mail-Kettenbrief möglichst viele Unterschriften gegen Brown zu sammeln. Zuvor hatte das einflussreiche Blatt, das traditionell Labour nahesteht, offen eine Ablösung Browns gefordert. Der Premier verfüge über "keine Vision, keinen Plan und keinen Rückhalt", hieß es. Die Opposition wirft Brown vor, er habe die Kontrolle über die Regierung verloren. Er müsse gehen.

Befreiungsschlag nach erwarteter Wahlpleite?

Mit Spannung wurde daher der Ausgang der Wahlen am Donnerstag erwartet. Die Affäre hatte die Öffentlichkeit mehr beschäftigt als die Europa-Debatte und sogar den Kampf gegen die Finanzkrise aus den Top-Schlagzeilen verdrängt. Laut Umfragen musste sich Labour auf eine herbe Niederlage einstellen. Bis zu 20 Punkte lag die Regierungspartei hinter ihren schärfsten Herausforderern, den Konservativen.

Browns Wirtschaftsminister Peter Mandelson warnte indes, dass der Spesenskandal Großbritannien auch ökonomisch schaden könne. "Wenn die Leute denken, dass man unsere politischen Institutionen oder unser demokratisches System schwächt, werden sie daraus wirtschaftliche und kommerzielle Schlüsse ziehen, wenn wir nicht aufpassen", beklagte er.

Weitere Kabinettsmitglieder unter Beschuss

Portrait Smith
Jacqui Smith: Kam ihrer Entlassung vermutlich zuvorBild: AP

Blears und Smith gehören zu den prominentesten Politikerinnen, die wegen dubioser und teils betrügerischer Finanzgebahren den Zorn der Wähler auf sich zogen. Dutzende Parlamentsabgeordnete sahen sich bereits gezwungen, wie die beiden Ministerinnen das Handtuch zu werfen. Auch Verkehrsminister Geoff Hoon und Finanzminister Alistair Darling haben Konsequenzen gezogen und angekündigt, erstattete Spesen zurückzahlen.

Smith war in Verruf geraten, als öffentlich wurde, dass sie unter anderem eine Rechnung ihres Mannes für zwei Pornofilme eingereicht hatte. Blears hatte massive Polemik provoziert, weil sie unter anderem ein mit öffentlichen Mitteln unterhaltenes Haus mit großem Gewinn veräußert hatte.

(sc/sam/rtr/dpa)