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"Mein Kampf" im Buchhandel

Nadine Wojcik18. Dezember 2015

Aufklärung über Antisemitismus statt Profit mit einer üblen Propagandaschrift: Die Buchbranche in Deutschland diskutiert gerade über Hitlers gefürchtete Publikation. Ende 2015 laufen die Urheberrechte dafür aus.

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Deutschland Mein Kampf von Adolf Hitler
Historische Ausgabe von "Mein Kampf" wird 2016 kommentiert herausgegeben vom Institut für ZeitgeschichteBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Die einen nehmen das Buch nicht ins Sortiment, die anderen wollen die Verkaufserlöse spenden: Vorsichtig und sorgsam nähern sich die Buchbranche und Internetgroßhändler einer viel diskutierten Neuauflage. Anfang Januar 2016 wird Hitlers "Mein Kampf" erstmalig nach 1945 neu verlegt, als kommentierte Ausgabe, an der Wissenschaftler des herausgebenden Instituts für Zeitgeschichte viele Jahre gearbeitet haben.

Das bayerische Finanzministerium hatte eine Neuauflage seit 1945 verhindert. Als Rechtsnachfolger des nationalsozialistischen Eher-Verlags erbte es die Urheberrechte an "Mein Kampf". Doch auch für diese antisemitische Hetzschrift gilt zunächst, was für jedes urheberrechtliche Werk gilt: Mit Ablauf einer Schutzfrist von 70 Jahren ist sie gemeinfrei. Sie kann also von jedem verwendet werden. Bahn frei für eine Neuauflage?

Nur mit Kommentierung

Soweit wollten es die Justizminister der Bundesländer nicht kommen lassen. Ja, sagen sie, das Urheberrecht ist erloschen. Der Inhalt allerdings verstößt gegen das Strafgesetzbuch, das Volksverhetzung unter Strafe stellt. Ist das Werk jedoch kommentiert und wissenschaftlich eingeordnet, sei gegen eine Veröffentlichung nichts einzuwenden.

Die Neuauflage "Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition" wird es nunmehr erstmalig möglich machen, sich differenziert mit der Hetzschrift auseinanderzusetzen. Ein Leserinteresse daran ist zu vermuten: Jeder Deutsche weiß von dem Werk, doch wie viele es tatsächlich gelesen und verstanden haben, ist nicht genau bekannt. Insofern ist es dieser Ausgabe zu wünschen, dass sie ein Bestseller wird. Schließlich wirft sie ein kritisches Licht auf den Demagogen Hitler.

Der Verlag stapelt niedrig. Mit einer Erstauflage von 3500 bis 4000 Exemplaren scheint er auf ein kleines Fachpublikum abzuzielen, was auch der Verkaufspreis von 59 Euro deutlich zeigt. Die Reaktionen der Buchbranche sind ebenso verhalten. Die Buchhandelskette Thalia will laut Angaben der Nachrichtenagentur dpa die Neuauflage weder bewerben noch vorrätig haben. Auf Kundenwunsch sei der Titel aber bestellbar. Vorsichtig äußerte sich auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Er setzt darauf, "dass seine Mitglieder mit den kommentierten Ausgaben der Schrift besonnen umgehen", wie eine Sprecherin des Börsenvereins gegenüber dpa sagte. Der Internetgroßhändler Amazon gab an, alle Erlöse einer gemeinnützigen Stiftung zu spenden.

Online ist "Mein Kampf" zu finden

Derweilen sind Ausgaben, die vor 1945 gedruckt worden, weiterhin frei auf Online-Plattformen zu kaufen - leicht auffindbar mit wenigen Klicks. Auch finden sich hier bereits schon seit einigen Jahren zahlreiche E-Books im Original-Wortlaut, gegen deren Verbot offensichtlich schwer vorzugehen ist. Auf dem englischsprachigen Markt, wo die Rechte bereits in den 1930er-Jahren erworben wurden, landete das E-Book zeitweise als Bestseller in den Sparten "Propaganda und politische Psychologie" und "Globalisierung".

Ein Bestseller war die Erstauflage von "Mein Kampf" (Band eins 1925; Band zwei 1926) zu Hitlers Lebzeiten zunächst nicht. Gerade einmal 23.000 Exemplare wurden in den ersten vier Jahren verkauft. Zum Verkaufsschlager wurde das Machwerk erst mit einer preisgünstigen "Volksausgabe" und mit dem späteren Wahlerfolgen der NSDAP, ab 1933 bekam jedes Paar zur Eheschließung eine Ausgabe geschenkt. Etwa 10 Millionen Exemplare sind bis 1945 ausgeliefert worden.

Werbeplakat für englischsprachige Ausgabe "Mein Kampf"
In den USA und Großbritannien wurden die Lizenzrechte bereits in den 1930ern verkauftBild: picture-alliance/dpa/photoshot
Der Nationalsozialist Adolf Hitler in seiner Zelle in der Feste Landsberg. Er war mit drei anderen Hauptbeteiligten wegen des gescheiterten Hitler-Putsches vom 9. November 1923 in München wegen Hochverrats zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt worden, eine Bewährungsfrist für den Strafrest nach sechsmonatiger Haft war in Aussicht gestellt worden. Ein Abschiebungsbegehren der bayerischen Regierung in Hitlers Geburtsland scheiterte an der Weigerung Österreichs. Am 20. Dezember 1924 wurde Hitler entlassen.
Hitler in seiner Zelle in Landsberg 1924. Hier schrieb er "Mein Kampf"Bild: picture-alliance/dpa