1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Buchmesse in Buenos Aires zwischen Anspruch und Wirklichkeit

19. April 2011

Die Buchmesse in Buenos Aires ist groß und bunt – nach ihrer eigentlichen Rolle sucht sie aber. Denn offenbar reicht es nicht, nur Gelegenheit zum Buchverkauf zu bieten. Betreiber und Aussteller jedenfalls wollen mehr.

https://p.dw.com/p/QsJ5
Buchmesse Buenos Aires 2010 (Foto: AP)
Großes Publikumsinteresse ...Bild: AP

Misst man die Bedeutung einer Buchmesse nach ihrer Dauer, dann wäre der Messe in Buenos Aires (20.04.-09.05.2011) ein unangefochtener Spitzenplatz sicher. Jedes Jahr öffnet die Veranstaltung für geschlagene drei Wochen ihre Tore und heißt die Bücherkäufer in Massen willkommen. 1,2 Millionen Besucher kamen 2010 zur Messe – das ist ein Top-Wert unter den Buchmessen der Welt.

Leider sind aber Besucherzahl und Dauer der Ausstellung keine wirklich tragfähigen Kriterien für den Erfolg einer Buchmesse. Ausschlaggebend ist der wirtschaftliche Nutzen, den die Teilnehmer daraus ziehen können. Und bei diesem Kriterium schneidet die Buchmesse in Buenos Aires nicht besonders gut ab: zu teuer, zu lang, zu aufwändig sei die Veranstaltung, befinden jedenfalls die in der argentinischen Hauptstadt ansässigen Verlage und drängen auf Reformen. Und die Mitarbeiter von ausländischen Verlagen lassen sich allenfalls für ein paar Tage sehen, um dann für den Rest der Messe den Verkauf von Büchern in die Hände von Verkaufsprofis zu legen.

Größter Buchladen des Kontinents

Bücherstand auf der Buchmesse Buenos Aires 2007 (Foto: AP)
... und riesige Auswahl: die Feria del Libro de Buenos AiresBild: AP

Viele Argentinier decken sich hier mit Lesestoff ein, insbesondere mit ihrem Jahresbedarf an Schulbüchern. Für sie übernimmt die Buchmesse die Funktion eines riesigen Buchladens – auch für viele Verlage ist sie ein bedeutender Faktor bei dem Versuch, trotz des anämischen Buchhandelssystems im Land ihre Produktion unters Volk zu bringen.

Nur rund 600 Buchhandlungen gibt es für die rund 34 Millionen Menschen in Argentinien, gut 90 Prozent davon in der Metropolregion Buenos Aires. Schon in Großstädten wie Córdoba, Rosario oder Mendoza ist die Versorgung mit Büchern schlecht. Auf dem flachen Land – und davon hat Argentinien sehr viel – müssen Buchkäufer oft hunderte Kilometer weit fahren, um eine Buchhandlung zu finden.

Dabei sind die Argentinier ein ausgesprochen literaturbegeistertes Volk: Trotz der hohen Buchpreise, die kaufkraftbereinigt etwa 8-10mal so hoch sind wie in Deutschland, verzeichnen die Verlage ordentliche Absätze. Gut 1000 Exemplare pro Jahr lassen sich von einem durchschnittlichen Roman verkaufen, das ist im Vergleich mit anderen Ländern ein durchaus akzeptabler Wert.

So wie in den anderen Ländern Lateinamerikas auch, dominieren in Argentinien die spanischen Verlagskonzerne wie Planeta, Santillana und der Bertelsmann-Ableger Random House Mondadori den Markt. Auf die drei Riesen entfällt ein Marktanteil von mehr als 40 Prozent.

Lizenzgeschäft wird bislang verpasst

Deutscher Stand auf der Buchmesse Buenos Aires (Foto: AP)
Der deutsche StandBild: AP

Zurück zur Buchmesse in Buenos Aires: Als bedeutendste Veranstaltung ihrer Art in Lateinamerika bezeichnet sie sich mit ihren ca. 1300 Ausstellern aus 40 Ländern gerne, die sich in einem gut drei Quadratkilometer großen Messegelände präsentieren. Das wird allerdings außerhalb Argentiniens anders gesehen – wenn es um das Geschäft mit Lateinamerika geht, wendet man sich in erster Linie an die Konkurrenz im mexikanischen Guadalajara. Die Verlage aus den größeren lateinamerikanischen Märkten wie Mexiko, Brasilien oder Kolumbien kaufen dort Übersetzungslizenzen ein. Und selbst die argentinischen Verlage machen ihre Auslandsgeschäfte eher in Mexiko als bei der heimatlichen Messe.

Diesen Geschäftsbereich möchten auch die Messemacher in Buenos Aires für ihre Kunden erschließen. Bislang ohne rechten Erfolg – die lange Messedauer schreckt internationale Verlage wirksam ab.

Spanisch ist nicht gleich Lateinamerikanisch

Dabei gäbe es Potential: Die internationalen Verlage haben in den vergangenen Jahren durch den Direktverkauf von Übersetzungsrechten an lateinamerikanische Partner einen Weg gefunden, ein großes Problem für die Verbreitung ihrer Bücher auf dem Subkontinent zu umgehen: die großen spanischen Medienkonzerne. Diese kaufen nach Möglichkeit die Übersetzungsrechte einzelner Titel mit Wirkung für den weltweiten spanisch-sprachigen Markt, der mehr als 400 Millionen Menschen umfasst. Die Übersetzungen allerdings finden aus Kostengründen nur selten ihren Weg auch in die Buchhandlungen Lateinamerikas. Zudem hat sich das Alltags-Spanisch in den Ländern Lateinamerikas inzwischen so sehr entfernt von dem, was in Europa gesprochen wird, dass vor allem im Kinderbuch-Sektor eine Übernahme der Übersetzungen mit großen Problemen verbunden ist; die "Lokalisierung" des europäischen Spanisch in eine lateinamerikanische Variante wird inzwischen ab und zu vorgenommen, ist aber teuer und daher ungeliebt bei den spanischen Verlagen.

Buchmesse Buenos Aires 2009 (Foto: DW / Vicotria Eglau)
Die Porteños lieben ihre Buchmesse - seit 35 Jahren.Bild: Victoria Eglau

Für die argentinischen Verlage, die bis zu 30 Prozent ihres jährlichen Marketingbudgets für die Teilnahme an der Messe ausgeben, ist diese Situation unbefriedigend. Sie drängen auf Veränderung. Aber, wie so oft, wenn es um Messeveranstaltungen geht, ist Veränderung eine schwierige Sache. Seit 1975 immerhin wird die Messe in Buenos Aires nach dem heute immer noch aktuellen Strickmuster abgehalten. Wie sollte man auch den lesebegeisterten Porteños beibringen, dass ihre heißgeliebte Messe plötzlich nicht mehr in der gewohnten Form für sie da ist?


Autor: Holger Ehling
Redaktion: Gabriela Schaaf