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Bulgarien: Die Partei der einstigen demokratischen Hoffnungsträger ist zersplittert

9. Juni 2005

Am 25. Juni wird in Bulgarien ein neues Parlament gewählt. In Umfragen liegen die Sozialisten vor der Nationalen Bewegung von Ministerpräsident Saxkoburggotski. Was ist mit der Partei der Wende und Reformen, der UDK?

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Union Demokratischer Kräfte: einst stärkste Partei im ParlamentBild: DW

In Serbien, der Ukraine, in Georgien und anderswo in Osteuropa haben demokratische Bewegungen in den letzten Jahren nicht nur für einen Machtwechsel, sondern auch für neue Ideen und eine neue Politik gesorgt. In Bulgarien war es die Union Demokratischer Kräfte (UDK), die Anfang der 90er Jahre sich für eine politische und wirtschaftliche Wende, weg vom Staatssozialismus und von der Planwirtschaft einsetzte. Als eine oppositionelle Sammelbewegung Ende 1989 entstanden, saß die UDK bereits 1990 am bulgarischen Runden Tisch mit, stellte im selben Jahr den Staatspräsidenten und ein Jahr später die Regierung.

Vorkämpfer der Wende

Die Schwerpunkte, die von Anfang an die Politik der UDK bestimmt haben, hören sich heute wie eine Selbstverständlichkeit an, waren aber damals im immer noch kommunistischen Bulgarien ein waghalsiges und teilweise sogar gefährliches Vorhaben: Aufbau eines demokratischen Mehrparteiensystems, eines Rechtsstaates und einer Marktwirtschaft, Heranführung des Landes an die EU, selbständige Innen- und Außenpolitik. Auch weitere politische Vorstöße, die für die damalige Zeit in Bulgarien kaum denkbar waren, kamen aus den Reihen der UDK und wurden Schritt für Schritt politisch umgesetzt.

So hat die Regierung Anfang 1990 die Rechte der von den Kommunisten unterdrückten türkischen Minderheit im Lande wiederhergestellt und bald darauf auch die „Abwicklung“ der von Moskau dominierten Organisationen COMECON und Warschauer Pakt mitgetragen. Und seit Mitte der 90er Jahre waren NATO- und EU-Beitritt die Hauptanliegen der UDK-Außenpolitik.

Alle Ziele erreicht

Mittlerweile sind alle politischen Ziele der UDK erreicht worden. Die EU bescheinigt Bulgarien den Status einer funktionierenden Demokratie und Marktwirtschaft. Das Land erfreut sich einer in seiner Geschichte bislang unbekannten Medienfreiheit, die Bürger- und Menschenrechte werden eingehalten, Bulgarien ist NATO-Mitglied und wird voraussichtlich 2007 der EU beitreten. Bemerkenswert ist noch die Tatsache, dass im Laufe der Zeit alle ernstzunehmenden politischen Parteien in Bulgarien - einschließlich die exkommunistische Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) - sich stillschweigend die politischen Zielsetzungen der UDK angeeignet haben. Und keiner denkt heute mehr daran, an diesem Konsens über die politische Grundausrichtung Bulgariens zu rütteln.

UDK in der Krise

Doch die Partei, die die Wende in Bulgarien entscheidend vorangetrieben und mitgetragen hat, die UDK, ist in eine scheinbar hoffnungslose Krise geraten. Den Umfragen zufolge liegt sie weit abgeschlagen hinter den Sozialisten und der regierenden Nationalen Bewegung Simeon der Zweite. Ein Grund dafür ist bereits genannt worden: Die UDK hat praktisch ihre Ziele hundertprozentig erreicht, es mangelt jedoch an neuen Ideen. Darüber hinaus ist die UDK, die als eine demokratische Sammelbewegung entstanden war, immer für Abspaltungstendenzen sehr anfällig gewesen. Während die straff organisierte und zentralistisch geführte BSP über all die Wendejahre ohne nennenswerte Zersplitterungen hinwegkam, hat die UDK ihre freiheitlich-demokratische Einstellung durch unzählige innere Krisen, Abspaltungen, Wahldebakel und Regierungsrücktritte bezahlen müssen.

Kaum Chancen bei der Wahl

So geht die Partei, die 1997 eine absolute Mehrheit im Parlament gewinnen konnte, dreigeteilt und innerlich verfeindet in die Wahl am 25. Juni. Ob die UDK-Reste überhaupt den Sprung über die 4-Prozent-Marke schaffen und ob sie sich dann untereinander bzw. mit der jetzt regierenden Partei des Ex-Königs Simeon Saxkoburggotski über eine Regierungsbildung werden verständigen können – das steht noch in den Sternen. Als kleiner Trost bleibt allerdings die Gewissheit, dass die von der UDK gesetzten politischen Weichen für Bulgarien auch weiterhin entscheidend bleiben.

Alexander Andreev

DW-RADIO/Bulgarisch, 7.6.2005, Fokus Ost-Südost