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Bulgarien hat die Wahl

Alexander Andreev24. Juni 2005

Ironie der Geschichte: Die bulgarische Reform-Partei UDK hat das Land so erfolgreich umgekrempelt, dass ihr nun die Ideen ausgehen und die Wähler davon laufen. Eine schwierige Parlamentswahl steht ihr daher bevor.

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Das Parlamentsgebäude in Sofia wartet auf neue GästeBild: DW

Am 25. Juni wird in Bulgarien ein neues Parlament gewählt.

Meinungsumfragen zufolge werden die oppositionellen Sozialisten die Wahl gewinnen. Die regierende Nationale Bewegung "Simeon der Zweite" des ehemaligen Königs und heutigen Ministerpräsidenten Simeon Sakskoburggotski ist allerdings wieder im Aufwind und könnte den Vorsprung der Sozialisten einholen. Was ist aber mit der Partei der Wende und der Reformen, mit der "Union Demokratischer Kräfte" (UDK)? Die erste nichtkommunistische Partei Bulgariens nach der Wende steht vor dem Untergang.

Simeon Sakskoburggotski in Berlin
Der bulgarische Ministerpräsident Simeon SakskoburggotskiBild: dpa Zentralbild

Abkehr vom Sozialismus

In Serbien, in der Ukraine, in Georgien und sonst wo in Osteuropa haben demokratische Bewegungen in den letzten Jahren nicht nur für einen Machtwechsel, sondern auch für neue Ideen und neue Politik gesorgt. In Bulgarien setzte sich die UDK Anfang der 90er Jahre für eine politische und wirtschaftliche Wende ein, wendete sich gegen Staatssozialismus und Planwirtschaft. Ende 1989 entstanden, saß die oppositionelle Sammelbewegung bereits 1990 mit am bulgarischen "Runden Tisch", stellte im selben Jahr den Staatspräsidenten und ein Jahr später die Regierung.

Die Schwerpunkte, die von Anfang an die Politik der UDK bestimmt haben, hören sich heute wie eine Selbstverständlichkeit an, waren aber damals im immer noch kommunistischen Bulgarien ein waghalsiges und teilweise sogar gefährliches Unternehmen: Aufbau

eines demokratischen Mehrparteiensystems, eines Rechtsstaates und einer Marktwirtschaft, Heranführung des Landes an die EU, selbständige Innen- und Außenpolitik. Auch weitere politische Vorstöße, die für die damalige Zeit in Bulgarien kaum denkbar waren, kamen aus den Reihen der UDK und wurden Schritt für Schritt umgesetzt: So hat die Regierung Anfang 1990 die Rechte der von den Kommunisten unterdrückten türkischen Minderheit im

Lande wiederhergestellt und die Abwicklung der von Moskau dominierten Organisationen Comecon und Warschauer Pakt mitgetragen. Seit Mitte der 90er Jahren verfolgte die UDK außenpolitisch die Mitgliedschaft in der Nato und in der EU.

Geplante EU-Mitgliedschaft

Mittlerweile sind alle politischen Ziele der UDK erreicht worden. Die EU bescheinigt Bulgarien den Status einer funktionierenden Demokratie und Marktwirtschaft. Das Land erfreut sich einer in seiner Geschichte unbekannten Medienfreiheit, die Bürger- und Menschenrechte werden eingehalten, Bulgarien ist Nato-Mitglied und wird voraussichtlich 2007 der EU beitreten.

Bemerkenswert ist noch die Tatsache, dass im Laufe der Zeit alle ernstzunehmenden politischen Parteien in Bulgarien,

einschließlich der exkommunistischen "Bulgarischen Sozialistischen Partei" (BSP), sich stillschweigend die politischen Zielsetzungen der UDK angeeignet haben. Und niemand denkt daran, an diesem Konsens über die politische Grundausrichtung Bulgariens zu rütteln.

Im Erfolg zerstritten

Trotzdem ist die Partei, die die Wende in Bulgarien entscheidend vorangetrieben und mitgetragen hat, in eine scheinbar hoffnungslose Krise geraten. Nachdem sie ihre Ziele praktisch hundertprozentig erreicht hat, mangelt es ihr an neuen Ideen. Darüber hinaus ist die UDK, die als eine demokratische Sammelbewegung entstanden war, immer für Abspaltungstendenzen anfällig gewesen. Ihre freiheitlich-demokratische Einstellung hat sie mit unzähligen inneren Krisen, Abspaltungen, Wahldebakeln und Regierungsrücktritten bezahlen müssen. Und auch das erste

UDK-Kabinett unter Ivan Kostov, das Ende der 90er Jahre eine ganze Regierungsperiode im Amt blieb, hinterließ in der bulgarischen Öffentlichkeit nicht nur die Erinnerung an die durchaus erfolgreichen Reformen, sondern auch einen Nachgeschmack von Korruption und Selbstgefälligkeit.

Nicht einmal vier Prozent

So geht die Partei, die 1997 eine absolute Mehrheit im Parlament gewinnen konnte, dreigeteilt und innerlich verfeindet in die Wahl am 25. Juni. Ob die UDK überhaupt den Sprung über die Vier-Prozent-Marke schaffen wird und ob sie sich dann mit der jetzt regierenden Partei des Ex-Königs Simeon Sakskoburggotski über eine Regierungsbildung wird verständigen können, bleibt

abzuwarten. Als kleiner Trost bleibt allerdings die Gewissheit, dass die von der UDK gestellten politischen Weichen für Bulgarien auch weiterhin entscheidend bleiben.