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Politik

Rechtspopulist zuständig für Minderheiten

1. Juni 2017

Der Vizeregierungschef der neuen bulgarischen Regierung fällt immer wieder mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen auf. Nun ist er zum Integrationsbeauftragten des Landes ernannt worden.

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Bulgarien Valeri Simeonov
Valeri Simeonov - Rechtspopulist, der sich um die Intergration der Minderheiten kümmern sollBild: BGNES

In Bulgarien sorgt die Ernennung des rechtsnationalistischen Vizeregierungschefs Waleri Simeonow zum Integrationsbeauftragten für Empörung. 373 bulgarische Menschenrechtler und Intellektuelle forderten am 29. Mai in einem offenen Brief seinen Rücktritt. Simeonow ist der Vertreter des kleineren Koalitionspartners "Vereinigte Patrioten" (VP) in Sofia und wurde zum Leiter des Integrationsrats für ethnische Minderheiten berufen. Es sei eine Schande, wenn "prononcierte Unterstützer einer faschistischen und Neonazi-Ideologie" solche Postionen bekleideten, so die Autoren des Briefes.

Die "Vereinigten Patrioten" sind ein Bündnis von drei kleineren rechtspopulistischen Parteien - der "Nationalen Front für die Rettung Bulgariens" (NFSB) von Waleri Simeonow, der "Inneren Makedonischen Revolutionsorganisation" (VMRO) von Krassimir Karakatschanow und der "Ataka"-Partei von Wolen Siderow.

Roma-Frauen als "Straßenhündinnen" verunglimpft

Der 62-jährige Politiker, Geschäftsmann und Medienunternehmer Simeonow, der jetzt für die Integration der Minderheiten und für die demografische Entwicklung zuständig ist, ist in der Vergangenheit ausgerechnet in diesen Politik-Bereichen sehr negativ aufgefallen. Über die große und kinderreiche Roma-Minderheit in Bulgarien äußerte er sich 2015 im Plenarsaal des Parlaments: "Es sind dreiste, wildgewordene menschenähnliche Wesen, die auf Lohn ohne Arbeit bestehen und die Krankengeld kassieren, ohne krank zu sein. Die Kindergeld bekommen für Kinder, die auf der Straße mit den Schweinen spielen, und für Frauen mit einem Instinkt von Straßenhündinnen."

Bulgarien Sofia Parlament neue Regierung
Leiter der Vereinigten Patrioten (von links): Wolen Siderow, Waleri Simeonow und Krassimir Karakatschanow Bild: Getty Images/AFP/D. Dilkoff

Simeonows Partei NFSB sieht in ihrem Wahlprogramm die Auflösung der "Zigeunerghettos" vor sowie die Isolierung der Roma in geschlossenen "Reservaten" (nach dem Vorbild der Indianer- oder Aborigine-Reservaten), die zu einer "Touristen-Attraktion" werden können. Im Verlauf seiner Karriere als Politiker hat er sogar über "moderne Konzentrationslager" sinniert, erinnern die Autoren des offenen Briefes.

Ein Hitlergruß. Sogar zwei.

Stichwort "Konzentrationslager": Erst kürzlich hat Regierungschef Boiko Borissow den VP-Politiker und Vizeminister für Regionalentwicklung Pawel Tenew zum Rücktritt aufgefordert. Ein neun Jahre altes Foto in seinem Facebook-Profil vor Wachsfiguren von NS-Offizieren ist ihm zum Verhängnis geworden. Mit einem Hitlergruß posierte Tenew vor einer Figur in SS-Uniform. Die Beschreibung lautete: "Zu Rapport bei den Bossen".

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Werden von den Rechtsnationalisten heftig beschimpft - Roma in BulgarienBild: BGNES

In dem Versuch, seinen Parteifreund zu schützen und die Geschichte zu bagatellisieren, erzählte Simeonow in einem Zeitungsinterview von seinem Besuch im Konzentrationslager Buchenwald in den 1970er Jahren. Er fügte hinzu: "Wer weiß, was wir da an lustigen Bildern geschossen haben mögen." 

Auch ein weiterer VP-Politker musste neulich seinen Posten als Direktor im Verteidigungsministerium in Sofia räumen, weil er sich mit Hitlergruß vor einem Wehrmachts-Panzer hatte ablichten lassen. Karakatschanow sitzt als Verteidigungsminister im Kabinett und ist für seine aggressive Rhetorik gegenüber der türkischen Minderheit in Bulgarien und im Hinblick auf das Nachbarland Mazedonien bekannt.

Der dritte im "patriotischen" Bunde, Siderow, gilt als Holocaust-Leugner. Er und seine schwarzgekleideten Schlägertrupps waren in den vergangenen zehn Jahren in mehrere Schlägereien verwickelt und sind mehrfach gewalttätig gegen Moslems und ihre Gebetshäuser vorgegangen. Im letzten Jahr haben sie sogar eine Hochschule gestürmt und sich mit Studenten und Dozenten geprügelt, weil ein Student Siderow angeblich beleidigt hatte. In dieser Schlägerei hat sich besonders sein Parteifreund Ilian Todorow hervorgetan, der neulich zum Provinz-Gouverneur von Sofia ernannt wurde.

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Siderows Schlägertruppe: Anhänger der Ataka-Partei (AP)Bild: AP

Was sagt die EU dazu?

Die Liste mit politisch inakzeptablen Äußerungen und Taten der "Vereinigten Patrioten" ist damit bei weitem noch nicht zu Ende. Deswegen fragen sich Beobachter und Menschenrechtler in Bulgarien wie lange der große Koalitionspartner, die Mitte-Rechts-Partei GERB von Regierungschef Borissow, den Mehrheitsbeschaffer noch dulden wird. Sie erinnern auch daran, dass die pro-europäische GERB Mitglied der Europäischen Volkspartei sei und sich damit auf unangenehme Fragen in Brüssel gefasst machen müsse. Es sei "total inakzeptabel", dass Personen "mit extrem nationalistischen und destruktiven Ansichten" an der bulgarischen Regierung beteiligt und sogar für die Integration der Minderheiten in einem EU-Land zuständig seien, schreiben die 373 Unterzeichner des offenen Briefes, der auch an die EU-Führung adressiert ist.