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Bulgarien: Perfekt gefälschte Banknoten in Heimarbeit

13. September 2007

Die spanische Polizei hat eine Rekordmenge an Falschgeld sichergestellt. Die beschlagnahmten 200-Euro-Scheine sind von echten kaum zu unterscheiden – hergestellt wurden sie vermutlich in Bulgarien.

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Blüten nicht mit bloßem Auge zu erkennenBild: dpa

Die spanische Polizei teilte Anfang September mit, bei den 2000 perfekt gefälschten 200-Euro-Scheinen handle es sich um die größte Menge an Falschgeld, die in Europa in den letzten Jahren beschlagnahmt worden sei. Bei den festgenommenen Mitgliedern der Fälscherbande handelte es sich um sechs Rumänen, die das Falschgeld in Umlauf brachten, und vier Bulgaren, die die falschen Scheine nach Spanien eingeschmuggelt haben sollen. Solche oder ähnliche Fälle häufen sich auch in Deutschland. In unterschiedlichen Bundesländern tauchten zuletzt falsche 200-Euro-Scheine aus Fälscher-Werkstätten in Bulgarien in bester Qualität auf. "Solche Werkstätte haben in den bulgarischen Großstädten Sofia, Plovdiv und Varna ihren Höhepunkt in den Jahren 2001-2002 erlebt", berichtet der Recherche-Journalist Christo Christov. Und die deutsche Zeitung Main-Post schreibt: "Ermittler loben vor Gericht widerwillig die Arbeit: Häufig sind die Geldscheine so gut, dass selbst ein Fachmann die Fälschung nicht mit bloßem Auge erkennen kann".

Know-how aus Geheimdienstzeiten

Aus Zahlen, die von Europol veröffentlicht wurden, wird ersichtlich, dass allein im Jahr 2006 Euro-Blüten mit einem Rekord-Nominalwert von 49 Millionen Euro beschlagnahmt wurden. Der größte Produzent bleibe Bulgarien, von wo derzeit eine Qualitätsfälschung von 200-Euro-Noten in hoher Stückzahl gestreut werde.

Bulgarien ist nicht nur in polizeilichen Fachkreisen für die Produktion "hochwertigen" Falschgelds berüchtigt. Diese Tatsache hat einen komplexen Hintergrund. Fachleute, die sich mit der operativen Tätigkeit der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit in Bulgarien beschäftigen, behaupten zum Beispiel, dass das Know-How noch vor der politischen Wende im Lande gut entwickelt gewesen war. Innerhalb der "Arbeitsaufteilung" unter den KGB-gesteuerten Geheimdiensten sei Bulgarien für die Fälschung von Geld, Kreditkarten und Ausweispapieren zuständig gewesen. Und nach dem Zusammenbruch des alten Regimes sei diese Infrastruktur kurzerhand "privatisiert" worden, samt den arbeitslos gewordenen Grafikern, Druckern und anderen Spezialisten.

Hintermänner bleiben im Dunkeln

Auch die Distribution der Ware habe von den alten Stasi-Kanälen Gebrauch gemacht, erzählt Dimiter Ludschev, Vizepremier in der ersten nichtkommunistischen Regierung Bulgariens, der die Aufsicht über die Geheimdienste hatte. Denn in den 70er und 80er Jahren habe die bulgarische Staatssicherheit in großem Umfang den so genannten "illegalen Transit" betrieben. Das heißt, Waffen, Drogen, unversteuerte Luxus-Güter und eben Falschgeld wurden von Osten aus nach Westen und teilweise in umgekehrter Richtung geschmuggelt. Diese Kanäle, die mittlerweile von der organisierten Kriminalität kontrolliert werden, dienen heutzutage auch für die Distribution von Euro- und Dollar-Blüten. Christo Christov hat für die boomende Falschgeld-Industrie und die nur bedingt positiven Ergebnisse der Ermittler eine Erklärung: "Die schwache Justiz und die ineffektive Polizei sind die Hauptursachen. Die Polizei hat es nicht geschafft, taugliche Beweise vorzulegen, damit die Hintermänner auch verurteilt werden können. So hat man letztendlich nur die Werkstätten dicht gemacht, verurteilt wurde aber keiner."

Komplizierte Sicherheitsmerkmale als Herausforderung

Die besten Nachahmungen kommen derzeit aus Litauen und Bulgarien, behaupteten 2005 unisono der NRW-Innenminister Ingo Wolf und Eduard Liedgens, Leiter der Falschgeldabteilung im Bayerischen Landeskriminalamt in einem Stern-Interview. Entscheidend sind aus Liedgens’ Sicht das gute Know-how der Grafiker und Drucker, die ihre Arbeitskraft billig vermarkten, dann die Beziehungen zu ausgezeichneten Papierlieferanten und die Beteiligung von Ex-Geheimdienstlern. Und in einem Bericht des österreichischen Bundesministerium für Inneres ist zu lesen: "Für die Hersteller und Großverteiler von Falschgeld springen 5 bis 25 Prozent des aufgedruckten Werts heraus. Der Preis lag vor wenigen Jahren bei höchstens zehn Prozent. Die komplizierten Sicherheitsmerkmale verlangen mehr von den Druckern und das hat seinen Preis. Zwischenhändler und Kuriere werden mit geringen Pauschalen abgefunden. Mehr verdienen wieder die Verbreiter – sie haben auch das meiste Risiko".

FBI in Bulgarien aktiv

Der Vertrieb von Falschgeld war in Bulgarien auch vor dem EU-Beitritt strafbar. Nicht aber die Produktion. So hat Brüssel Druck ausgeübt und eine Novellierung des Strafgesetzes durchgesetzt. Denn durch diese Lücke haben jahrelang viele Fälscher die Verfolgung umgangen. Ein ertappter Produzent behauptete vor zwei Jahren sogar, er hätte sein Zimmer mit Euro-Kopien austapezieren wollen – und wurde freigesprochen. Aber nicht nur die Europäer engagierten sich bei der Blütenbekämpfung in Bulgarien. Christo Christov: "Der massive Einsatz des amerikanischen Secret Service in Bulgarien und die Eröffnung einer FBI-Zweigstelle in Sofia haben dazu beigetragen, dass die Werkstätten lokalisiert und schließlich ausgenommen wurden. In diesen Werkstätten wurden auch falsche Ausweis-Papiere produziert. Bekanntlich hat dieses Problem einen direkten Zusammenhang mit der Terrorismus-Bekämpfung. Seitdem aber die FBI-Zweigstelle in Sofia funktioniert, ist diese Tätigkeit praktisch gestoppt worden."

Alexander Andreev
DW-RADIO/Bulgarisch, 11.9.2007, Fokus Ost-Südost