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Merkels Indien-Reise

Peter Stützle28. Oktober 2007

Bundeskanzlerin Angela Merkel bricht zu ihrer ersten Indien-Reise auf. Im Mittelpunkt des Besuchs wird die wirtschaftliche Zusammenarbeit stehen. Doch es soll auch um Themen wie Klimaschutz und die UN-Reform gehen.

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Bombay im Sonnenuntergang (AP Photo/Gautam Singh)
Indiens Wirtschaftsmetropole Bombay ist ein Ziel MerkelsBild: picture-alliance / dpa
Landkarte Indien mit umliegenden Ländern
Bild: AP/DW

"Ich sage nur China, China, China." Diese schlichte Aussage von Bundeskanzler Kiesinger Ende der 1960er-Jahre charakterisierte den Focus deutscher Asien-Politik über Jahrzehnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte nun unmittelbar vor ihrer Abreise am Montag (29.10.2007) nach Indien klar: "Unser Focus war viele Jahre ausschließlich oder sehr stark auf China gerichtet. Ich glaube, wir haben als Europäer alle Chancen auch in einem Land wie Indien, wir müssen uns nur engagieren und wir müssen relativ schnell agieren."

Merkel sagte das auf einer großen Asien-Konferenz ihrer Bundestagsfraktion. Organisiert hatte die Tagung Eckhard von Klaeden, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und Merkel-Vertrauter. Klaeden spricht von einer doppelten Neuorientierung: "Die deutsche Asien-Politik ist in den letzten Jahren, insbesondere unter der rot-grünen Bundesregierung, zu sehr auf wirtschaftliche Fragen konzentriert gewesen und zu sehr auf China fixiert gewesen." Das sei beides nicht falsch, aber es sei erforderlich, dass man auch andere Länder stärker in den Mittelpunkt der eigenen Asien-Politik rücke. "Und dazu gehört Indien als größte Demokratie der Welt, als ein Land mit beeindruckenden Wachstumszahlen und als ein Land, das die Zusammenarbeit und die Kooperation mit Deutschland sucht."

Wirtschaftliche Perspektiven

Für Angela Merkel wird es der erste Indien-Besuch. Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh dagegen hat Merkel schon zweimal in Deutschland getroffen: Im Sommer beim G8-Gipfel der führenden Industrienationen in Heiligendamm, wo er als Gast geladen war, und im Jahr zuvor, als Indien Partnerland der Hannover-Messe war. Der Handel zwischen beiden Ländern ist seither sprunghaft gestiegen - was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass Indien unter den deutschen Außenhandels-Partnern erst an 29. Stelle steht.

Welche wirtschaftlichen Perspektiven Indien bieten könnte, führte auf der Asien-Konferenz der CDU/CSU Lakshimi Niwas Mittal aus, Chef des weltgrößten Stahlkonzerns ArcelorMittal. Indiens Wirtschaft wachse mit nahezu zehn Prozent im Jahr, sagte Mittal. "Bei gleich bleibendem Wachstum kann Indien in zehn Jahren die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt werden und bis Mitte des Jahrhunderts die zweitgrößte nach China."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (AP Photo/Franka Bruns)
Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: AP

Raum für Wachstum

Dass man diese Aussichten nicht als Bedrohung sehen dürfe, betont Bundeskanzlerin Merkel ganz ausdrücklich. "Wir wissen natürlich, dass unsere europäischen Märkte in hohem Maße beschränkt sind", sagte sie. "Die Bevölkerungsentwicklung hat ein demografisches Problem, es ist nicht abzusehen, dass der Konsum massiv wächst, und deshalb sind die Wachstumsmöglichkeiten auch für uns, von Forschung, Entwicklung bis zur Produktion eng verknüpft mit den Wachstumsmöglichkeiten im asiatischen Raum."

Aber, wie von Klaeden schon sagte, es soll nicht nur um Wirtschaft gehen. In Heiligendamm wurde beschlossen, aufstrebende so genannte Schwellenländer wie Indien auch stärker in die Weltpolitik einzubinden. Das ist das vielleicht wichtigste Thema bei Merkels politischen Gesprächen in Neu Delhi. Merkel will eine Weltpolitik unter dem Dach der Vereinten Nationen, spricht sich - etwa im Blick auf das iranische Atomprogramm - gegen einseitige Maßnahmen aus. "Aus diesem Grunde ist auch die Frage der Reform des UN-Sicherheitsrates - ich spreche jetzt mal gar nicht über permanente Mitgliedschaften - um hier schnelle, effiziente und von der Weltgemeinschaft insgesamt akzeptierte Entscheidungen hinzubekommen, von allergrößter Wichtigkeit.“

Wenn sie auch vorab nicht über neue ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat sprechen wollte - hinter verschlossenen Türen in Neu Delhi wird sie dies gewiss tun. Und aus deutscher Sicht ist Indien erster Anwärter für eine Mitgliedschaft.

Respekt vor fremder Kultur

Gesprächsthemen gibt es auch sonst genug: Klimaschutz und Energiesicherheit etwa. Das sind Felder, auf denen Deutschland und Indien stärker kooperieren wollen. Sie sollen auch Teil einer umfassenden Wissenschaftskooperation zwischen beiden Ländern werden. Ein Wissenschaftszug mit 13 Waggons, den Angela Merkel auf die Reise durch Indien schicken wird, soll schon mal zeigen, in welchen Bereichen die deutsche und die indische Wissenschaft gut zusammenarbeiten könnten. Außerdem wird sich die Bundeskanzlerin zu einem Gespräch mit indischen Intellektuellen treffen. Sie will, das hat Angela Merkel vor ihrer Abreise deutlich gemacht, eine echte Partnerschaft mit Indien. "Ich glaube", sagte sie, "dass neben unseren eigenen christlich-jüdisch-abendländischen Erfahrungen die Religionen Asiens eine hohe Attraktivität auch für die Menschen in Europa haben. Und ich rate uns, offen in diese Kulturen hineinzugehen, voller Respekt in diese Kulturen hineinzugehen."

Für eine erfolgreiche Indien-Reise ist eine solche Einstellung jedenfalls keine schlechte Voraussetzung.