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Bundespräsident kritisiert Schwarz-Gelb

20. März 2010

Horst Köhler ist von der bisherigen Regierungsarbeit der schwarz-gelben Koalition enttäuscht. Von CDU, CSU und FDP fordert er einen "neuen Aufbruch zur Reformpolitik".

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Horst Köhler (Foto: dpa)
Unzufrieden: Horst KöhlerBild: picture-alliance/ dpa

"Bei der Ernennung der Bundesregierung im Oktober habe ich ein paar Sätze gesagt, mit Bedacht: Ihr habt eine ordentliche Mehrheit. Das Volk erwartet jetzt tatkräftiges Regieren", erklärte Köhler rückblickend. "Daran gemessen waren die ersten Monate enttäuschend."

Das Gute sei, dass sich die Beteiligten darüber selbst klar seien. Inzwischen trete in der Koalition Realismus ein, meinte der Bundespräsident in einem am Samstag (20.03.2010) veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins "Focus". Es gehe nun um einen neuen Aufbruch zu Reformpolitik. "Wir brauchen Langfristigkeit in der politischen Gestaltung und müssen Abstand nehmen von kurzlebigen Programmen."

"Megaproblem Schulden"

Angela Merkel und Guido Westerwelle (Foto: dpa)
Reformfähig?: Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und Vizekanzler Westerwelle (FDP)Bild: picture alliance/dpa

Eindringlich rief Köhler zu einem Abbau der Staatsschulden auf: "Wir müssen weg von schuldengetriebenem Konsum. Davon wieder runter zu kommen, ist schwer wie ein Drogenentzug, aber unumgänglich für nachhaltiges Wachstum, das allen Menschen dient." Einen Spielraum für massive Steuersenkungen - wie vor allem von der liberalen FDP gefordert - sieht der Bundespräsident nach eigenen Angaben derzeit nicht. "Das wäre ein Vabanque-Spiel."

In einem Gesamtkonzept sei dennoch die steuerliche Begünstigung von Forschung und Innovation in den Unternehmen sinnvoll, aber auch die Mittelschicht müsse entlastet werden. "Diejenigen, die sich an die Regeln halten und Steuern zahlen, die müssen sich doch manchmal richtig verladen vorkommen. Ein junges Ehepaar mit zwei Kindern, das kommt gerade mal so hin", klagte Köhler. Da müsse etwas geschehen.

Der Bundespräsident forderte zudem mehr Ausgaben für Bildung: "Fast ein Drittel unserer gesamtwirtschaftlichen Leistung wenden wir auf für staatliche Sozialleistungen, aber nur gut sechs Prozent für Bildung", kritisierte Köhler. "Angesichts dieser Relation müssen wir uns eigentlich vor unseren Kindern schämen. Dazu toben in der Bildungspolitik parteipolitisch gefärbte Kämpfe um Schulstrukturen, die keinem Lehrer und keinem Kind helfen."

FDP beklagt Missstimmung

Rainer Brüderle (Foto: AP)
Beharrlich: Rainer BrüderleBild: AP

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle räumte Startschwierigkeiten der schwarz-gelben Regierung ein. Die Schwäche der Koalition sei aber nicht zuletzt darin begründet, dass sich CDU und CSU während der Großen Koalition mit der SPD zu intensiv sozialdemokratischem Gedankengut geöffnet hätten, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende der Mainzer "Allgemeinen Zeitung".

In der Steuerpolitik müsse es bei der im Koalitionsvertrag festgelegten Entlastung für die Bürger bleiben. Das bedeute, dass bis zum Ende der Legislaturperiode noch 18 Milliarden Euro für Steuererleichterungen zur Verfügung stehen müssen. In der gegenwärtigen Wirtschaftslage müsse der Staat weiterhin Wachstumsimpulse geben und dürfe nicht den Etat herunterschrauben, verlangte Brüderle.

Autor: Christian Walz (dpa, rtr)
Redaktion: Gerd Winkelmann