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Politik

Steinmeier setzt in Indien ein Zeichen für Vielfalt

24. März 2018

Bundespräsident Steinmeier kommt nach Indien in Zeiten der religiösen Spannungen. Dort wirbt er für Verständigung und besucht die Heiligtümer von Hindus, Buddhisten und Muslimen. Katharina Kroll berichtet aus Neu Delhi.

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Indien Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier | Besuch Jama Masjid
Bild: Getty Images/AFP/P. Singh

Schwer hängt der Weihrauch in der Luft. Öllampen und Kerzen tauchen die Dunkelheit am Flussufer in ein warmes Orange. Neun Priester bewegen sich zum Rhythmus der Gesänge. Versunken in einer spirituellen Zeremonie. Beim Ganga Aarti wird die Mutter aller Hindus, der Ganges, angebetet. Der heilige Fluss ist die Lebensader Indiens. Auf der Ehrentribüne sitzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Die erste Station seiner Reise ist Varanasi - eine der ältesten Städte der Welt. Varanasi ist die heiligste Stadt der Hindus. Nirgendwo ist der Ganges heiliger als hier. Auf unzähligen Häuserwänden kleben riesengroße Plakate. Sie zeigen den Gast aus Deutschland mit Indiens Premierminister Narendra Modi. "Welcome Frank-Walter Steinmeier in Varanasi. The Cultural Capital of India". In der Zeitung steht ein Aufruf der Stadtverwaltung an die Bevölkerung: Streunende Tiere bitte aus den Straßen entfernen.

Zeichen für ein vielfältiges Indien

Die Stationen der Reise sind sehr bewusst gewählt. Der Bundespräsident unterstützt, was Indien über Jahrhunderte ausgezeichnet hat: religiöse Vielfalt und Toleranz. Und es ist auch eine Botschaft in die Heimat, nach Deutschland, wo eine erneute Debatte um den Islam entbrannt ist. "Wir können von Indien lernen", sagt Steinmeier.

In Varansai unterhält sich Steinmeier auch mit Studenten von der "Banaras Hindu Universität". "Wir leben unsere Vielfalt in Indien nicht nur, wir zelebrieren sie" - das ist die Botschaft, die die 25 Studenten dem Bundespräsidenten mit auf den Weg geben. Die religiösen Unterschiede unter ihnen seien selbstverständlich sichtbar. Für ihre Freundschaft, für ihr Zusammenleben an der Universität aber spielten sie keine Rolle. Die Diskussion mit den jungen Indern hat den Bundespräsidenten sichtlich beeindruckt. "Die Studenten haben alle den Willen, diese höchst diverse indische Gesellschaft zusammenzuhalten und etwas dafür zu tun", sagt Frank-Walter Steinmeier anschließend.

Indien Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier | Banaras Hindu University
Steinmeier unterhält sich angeregt mit den StudentenBild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Der Aufstieg der Intoleranz

Viele Muslime machen derzeit allerdings andere Erfahrungen. Bundespräsident Steinmeier kommt zu einer Zeit, in der die religiösen Spannungen in Indien zunehmen. Obwohl 180 Millionen Inder Muslime sind - in dem Land mit der zweitgrößten Bevölkerungszahl sind sie in der Minderheit. In den letzten Jahren wurden Muslime immer öfter Opfer von Angriffen extrem rechter Hindu-Gruppen. Gruppen, die eng verbunden sind mit der religiös-konservativen Partei BJP von Premierminister Narendra Modi. Die Partei setzt sich vor allem für die Belange der Hindus ein und nicht wenige Anhänger träumen davon, aus dem säkularen, multireligiösen Indien einen Hindu-Staat zu machen. So ist zum Beispiel eine Debatte um ein nationales Schlachtverbot für Rinder entbrannt. Die Kuh ist den Hindus heilig, für Muslime und Christen ist sie ein Nutztier. Der Kampf um die heilige Kuh hat bereits zu mehreren Morden an Muslimen geführt.   

"Ich glaube, es ist derzeit sehr schwer, in diesem Land Muslim zu sein", sagt Karuna Nundy. Sie ist Anwältin an Indiens Oberstem Gerichtshof und eine bekannte Aktivistin für Frauenrechte. Indien stehe vor einer wichtigen Entscheidung. "Wollen wir ein Land mit einer einzigen Staatsreligion sein, mit der sich nur eine bestimmte Gruppe identifiziert? Oder wollen wir ein Land sein, in dem die Menschen gleiche Rechte haben, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, Freiheiten auch in der Frage, was sie essen, wie sie beten und was sie anziehen?"

Einflussreiche Kreise in der hindu-nationalistischen Partei von Premierminister Modi versuchten, den Hinduismus zur dominanten, alle Vielfalt unterdrückenden Religion zu machen, sagt auch der Indologe Axel Michaels, Professor am Südasien-Institut der Uni Heidelberg. "Und Premierminister Modi lässt sie oft gewähren."

Gespaltenes Riesenreich

Der Bundespräsident setzt derweil mit seinem Besuchsprogramm weitere Zeichen. Raus aus den Schuhen, rein in weiße Schlappen: Das gilt auch für den Bundespräsidenten und seine Frau Elke Büdenbender. Und dann tritt das Paar durch das große Tor in die größte Moschee Indiens, in die Jama Masjid in der Hauptstadt Neu-Delhi.

Indien Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Auch der Bundespräsident muss seine Schuhe ausziehen, bevor er die Moschee betrittBild: DW/K. Kroll

Der Besuch sei eine positive Botschaft, sagt Tarikq Bukhari von der Jama Masjid, "besonders für die indische muslimische Gemeinde".

Indien mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern ist ein pluralistischer, säkularer Staat. Die Verfassung ist gebaut auf Toleranz und Vielfalt. Doch das Land ist gespalten und zerrissen, in vielerlei Hinsicht. Extreme Armut neben extremem Reichtum. Indien leistet sich eine gigantische Marsmission, gleichzeitig lebt die Hälfte der Bevölkerung ohne Toiletten.

Die Wirtschaft ankurbeln, das ist das Ziel von Premierminister Modi. Jeden Monat streben eine Million junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Und die brauchen vor allem eines: Jobs.

Gleichzeitig aber setzt Indien auf internationale Zusammenarbeit statt auf Abschottung. In diesen Zeiten ist das nicht selbstverständlich. Das macht Indien zu einem wichtigen Partner Deutschlands. "Unseren beiden Ländern ist bewusst, dass in einer zunehmend multipolaren Welt kein Land globale und regionale Herausforderungen im Alleingang bewältigen kann", sagt Steinmeier. Dann legt er zusammen mit seiner Frau einen Kranz nieder - an der Einäscherungsstätte von Mahatma Gandhi, dem Vater der Nation.

Mahatma Ghandi trat für friedliches Zusammenleben der Religionen ein. Er war ein tief gläubiger Hindu. Verse aus dem Koran und buddhistische Gesänge hat er aufgenommen in seine Gebete. Heute - 70 Jahre nach seiner Ermordung durch einen Hindu-Nationalisten - ist die Botschaft sehr aktuell. Für Indien und für Deutschland.