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Bundesrat fordert "Ehe für alle"

Naomi Conrad, Berlin 12. Juni 2015

Die Vertreter der Länder machen Druck auf die Bundesregierung: Sie fordern eine Öffnung der Ehe auch für schwule und lesbische Paare - und damit das volle Adoptionsrecht. Aber nicht alle unterstützen diese Forderung.

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BdT Deutschland Abstimmung zur Gleichstellung homosexueller Partnerschaften (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Vor dem Bundesrat wedeln die Demonstranten am Freitagmorgen fröhlich mit ihren Regenbogenfahnen und posieren mit ihren grellrosa Schildern für die Fotografen. "Ehe für alles" ist darauf zu lesen. Immer wieder hupen Autofahrer, die Demonstranten lachen und winken zurück.

Wenige Minuten später diskutiert der Bundesrat eine Resolution, die schwulen und lesbischen Paaren die Ehe und Adoption ermöglichen soll. Es ist, "eine Frechheit, dass im Jahr 2015 noch eine staatliche Ungleichbehandlung von verschiedenen Beziehungsformen existiert", findet Daniel Gollasch. Der eloquente Ende-20-Jährige, der ein Pappschild hält, das "keine halben Sachen" verlangt, schüttelt den Kopf: "Die Zeit zum Nachdenken ist vorbei, jetzt ist die Zeit zum Handeln."

Gleichgeschlechtliche Paare können in Deutschland seit 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seitdem wurden nach und nach ihre Rechte denen von verheirateten Paaren angeglichen, etwa, wenn es um Erbfragen geht. Allerdings bestehen weiterhin Unterschiede: So können gleichgeschlechtliche Paare immer noch nicht gemeinsam Kinder adoptieren.

Ächtung "noch gar nicht so lange her"

Und das, sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wenig später in der Debatte im Sitzungssaal, sei eine "klare Diskriminierung." Es gebe keinen Grund, Schwulen und Lesben die völlige Gleichstellung vorzuenthalten. Niemand, so auch Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann, dürfe an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Mit dieser Position, so der Grünen-Politiker, fühle er sich als katholischer Christ gut aufgehoben - auch wenn seine Kirche eine andere Haltung vertrete.

Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass gleichgeschlechtliche Eltern für das Wohl der Kinder schlecht seien. Man könne ihnen nicht "aufgrund von Spekulationen" Adoptionsrechte verweigern.

Deutschland Demonstration vor dem Bundesrat in Berlin (Foto: Naomi Conrad/DW)
Demonstranten vor dem Bundesrat: Ehe für alleBild: DW/N. Conrad

Während auf der Tribüne eine Besuchergruppe wieder den Raum verlässt, erinnert Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) daran, dass Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im Nationalsozialismus "in den Tod getrieben wurden." Doch die strafrechtliche und gesellschaftliche Ächtung "ist noch gar nicht so lange her": Bis Ende der 1960er Jahre stand Homosexualität in der Bundesrepublik generell unter Strafe. Gänzlich abgeschafft wurde der Paragraph 175, der Homosexualität verurteilte, allerdings erst nach der Wiedervereinigung 1994.

Bayern gegen Öffnung der Ehe

Bayerns Justizminister Winfried Bausback spricht sich als einziger Redner gegen den von Niedersachen initiierten Antrag aus, dem sich neun Länder angeschlossen haben. Die Ehe für alle zu öffnen, so der CSU-Politiker, "gehe einen entscheidenden Schritt zu weit": Denn damit würden Dinge gleichgesetzt, "die nicht gleich sind".

Die Ehe bleibe die Grundlage für Familien, in denen Kinder bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Ehe und Lebenspartnerschaften seien, so Bausback, nicht "dasselbe und wir tun gut daran, sie auseinander zu halten".

Bayern ist eines der Länder, das die Öffnung der Ehe ablehnt. Eine Ansicht, die Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) als "überholt" kritisiert.

Deutschland Demonstration vor dem Bundesrat in Berlin
Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Homosexuelle in Deutschland bestraft.Bild: DW/N. Conrad

Ball jetzt bei Regierung

Die Debatte wird kurz unterbrochen, um eine Delegation aus Mali zu begrüßen, die auf der Besuchertribüne Platz nimmt. Die Besucher aus dem Land, in dem Homosexualität zwar im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern nicht unter Strafe steht, aber gesellschaftlich trotzdem oft geächtet ist, lauschen schweigend ihrer Übersetzerin. Die letzte Rednerin aus Hamburg, die Grünen-Politikerin Katharina Fegebank fragt währenddessen, was sich denn nun für heterosexuelle Paare ändere, wenn die Ehe geöffnet werde? Ihre Antwort ist klar: "Nix."

Wenig später stimmt eine Mehrheit für den Entschließungsantrag: Damit steigt auch der Druck auf die Bundesregierung, bei der die Entscheidung liegt. In der Koalition ist das Thema weiter umstritten: Die SPD hat sich für die Gleichstellung ausgesprochen, bislang bleibt die Union bei ihrem Nein.

Dann beginnt im Bundesrat die nächste Debatte. Die Demonstranten draußen sind da schon längst verschwunden.