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Regierung verurteilt IS-Terror

Sabine Kinkartz8. August 2014

Das Auswärtige Amt hat einen Krisenstab zur Lage im Nordirak einberufen und die humanitäre Hilfe für die Verfolgten verdoppelt. Die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke berichtet von Gräueltaten aus der Region.

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Auswärtiges Amt in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bundesregierung hat die Verfolgung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak auf das Schärfste verurteilt. "Die Ermordung, systematische Vertreibung oder Zwangskonversion von Christen, Jesiden und Angehörigen anderer Minderheiten durch die IS-Terroristen im Irak sind eine neue Dimension des Schreckens", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Das Vorgehen der islamistischen Terrorgruppe "Islamischer Staat" bezeichnete er als "abscheuliches Verbrechen". Es zeige sich, wie "hochgefährlich" die Gruppe sei, nicht nur für Syrien und Irak, sondern für den Frieden und die Stabilität in der ganzen Region.

Das Auswärtige Amt hat als erste Sofortmaßnahme die humanitäre Nothilfe für die Verfolgten verdoppelt. "Es ist klar, dass das nicht reichen wird und wir sehen müssen, was wir darüber hinaus tun können", so Steinmeier. Bisher wurden in der aktuellen Krise rund 2,9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese beinhalten vor allem medizinische Versorgung, physische Rehabilitation, Zugang zu Trinkwasser und die Wiederherstellung von Lebensgrundlagen für Binnenvertriebene. Die Bundesregierung steht in engem Kontakt mit dem UN-Büro zur Koordinierung der Humanitären Hilfe (OCHA) sowie internationalen und deutschen Hilfsorganisationen, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ermöglichen.

Entscheidend werde aber auch sein, ob die politischen Akteure im Irak - ganz gleich ob Schiiten, Sunniten oder Kurden - den seit langen Monaten schwelenden Machtkampf beilegen und sich auf eine neue Regierung verständigen können, "um dem Treiben von IS ein Ende zu setzen", so der Bundesaußenminister.

Geteilte Meinung über Luftangriffe

Steinmeier stellte sich hinter die US-Luftangriffe gegen die Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS) im Nordirak. "Luftschläge scheinen kurzfristig das einzige Mittel, um ein Vorrücken von Isis zu stoppen und Fluchtwege zu öffnen", sagte er am Freitagabend (08.08.2014). "Jetzt geht es darum, einen Genozid zu verhindern und die betroffenen Menschen aus ihrer schrecklichen Notlage zu befreien." Auch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel äußerte Verständnis. Die Lage für die bedrohten Menschen sei fürchterlich, sagte er in Jena. Er könne die Entscheidung des US-Präsidenten Barack Obama nachvollziehen, "dass er sagt, er will nicht zuschauen."

Die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke lehnt die Luftangriffe hingegen ab. Sie seien in der jetzigen Situation nicht der richtige Weg. "Dabei drohen auch unschuldige Zivilisten zu sterben." Notwendig sei vielmehr, die Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen und den Aufnahmeländern unter die Arme zu greifen. "Zweitens muss die PKK schnellstens von den Terrorlisten gestrichen werden. Drittens müssen die Hintermänner und Waffenlieferanten der IS ausfindig gemacht und bekämpft werden."

Ulla Jelpke von der Partei "Die Linke" (Foto: Achim Melde/Lichtblick)
Ist in kurdischen Gebieten unterwegs: Ulla Jelpke von der Partei "Die Linke"Bild: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

Augenzeugen schildern Gräueltaten

Ulla Jelpke ist derzeit in den kurdischen Gebieten der Region unterwegs und schilderte ihre Eindrücke über eine Pressemitteilung der Fraktion Die Linke. Die IS veranstalte ein "regelrechtes Gemetzel", berichtete sie aus Gesprächen mit Flüchtlingen, mit denen sie am Donnerstagabend (07.08.2014) im türkischen Mardin sprechen konnte. "Die Flüchtlinge haben mir von Gräueltaten berichtet, die man kaum beschreiben kann. Sie haben geschildert, wie ein Ehemann vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder von den IS-Banden geköpft wurde." Frauen würden in Brautkleider gesteckt, vergewaltigt und dann den Angehörigen "regelrecht vor die Füße geschmissen". Kurdische Milizen hätten den Jesiden in den vergangenen Tagen einen Fluchtweg aus den Sengal-Bergen, dem Kern des jesidischen Siedlungsgebiets, freigehalten, so Jelpke.

Deutsche Politiker wollen mehr Flüchtlinge aufnehmen

Nach Angaben der Vereinten Nationen haben die jüngsten IS-Angriffe in der Provinz Ninive eine Massenflucht von etwa 200.000 Menschen ausgelöst.

Die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sprach sich dafür aus, mehr verfolgten Christen in Deutschland Schutz zu bieten. "Ich verurteile diese Verbrechen der islamistischen Terroristen auf das Schärfste", sagte Lieberknecht in einem Zeitungsinterview. Sie rief zu einer internationalen Ächtung der Gruppe Islamischer Staat auf: "Es muss einen weltweiten Aufschrei über dieses unsägliche und menschenverachtende Vorgehen geben."

Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, forderte, deutlich mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei dürfe aber nicht zwischen Christen und Nichtchristen unterschieden werden, betonte sie.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte in Berlin, Organisationen wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hätten noch keinen Bedarf für Gruppenaufnahmen verfolgter Minderheiten ans Ministerium herangetragen. Aufnahmen seien im Rahmen des Asylverfahrens möglich. Bei Christen, Jesiden und Mandäern aus dem Irak gehe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von Schutzbedarf aus. Seit dem 16. Juni werden nach seinen Angaben keine negativen Asylentscheidungen für Iraker mehr getroffen. Ablehnende Entscheidungen würden zunächst zurückgestellt.